Microsoft gibt die Buch-Sparte seines App-Stores
auf. Den Nutzern stehen deswegen ihre digitalen Bücher bald nicht mehr
zur Verfügung, sie werden einfach nicht mehr angezeigt. Was bedeutet das
für das kulturelle Gedächtnis?
Man stelle sich vor: Es ist Sonntagmorgen, der
Kaffee frisch aufgebrüht, man möchte den Roman, der einen in den letzten
Tagen gefesselt hat, zu Ende lesen. Doch im Wohnzimmer steht kein
einziges Buch mehr im Regal. Unvorstellbar? Für Kunden, die im
Microsoft-Store E-Books erworben haben, wird dieser Albtraum, zumindest
digital, Realität. Von Anfang Juli an sind keine Bücher mehr auf der
Plattform verfügbar. Sie werden ausnahmslos aus der Datenbank entfernt
und den Nutzern auf ihren Geräten einfach nicht mehr angezeigt. Sie
bekommen jedoch zumindest ihr Geld zurück. Bereits vor drei Monaten
hatte Microsoft angekündigt, dass man die, zugegeben nicht sehr
bekannte, Buch-Sektion des App-Stores einstellen werde. Der Schritt
überrascht nicht. Während Microsoft in Sachen Soft- und
Hardwareentwicklung bekanntermaßen gut ist, tut sich das Unternehmen mit
Inhalten und deren zielgruppengerechter Aufbereitung schon immer
schwer. Weitere Ressourcen in einen Nischenmarkt abseits des
Kerngeschäfts zu stecken, hat für Microsoft offenbar keinen Sinn mehr.
Das Ende der Buchsparte steht dabei sinnbildlich für einen
Kontrollverlust, der nicht nur Bücher, sondern auch Musik und
Filme, betrifft.
Für verschwundene Notizen gibt es eine Extra-Entschädigung
Durch die Digitale Rechteverwaltung (DRM) - ein Verfahren, mit dem die Nutzung digitaler Medien kontrolliert werden soll, - sind individuelle Nutzungsrechte an den jeweiligen Anbieter gebunden. Kommt es zu Unternehmensübernahmen oder -aufgaben, ist der Fortbestand von mithilfe der DRM-Systeme gespeicherten Informationen ungewiss. Selbstverlegte E-Books könnten so einfach verschwinden. Im kulturellen Gedächtnis der Gesellschaft bleiben sie dann nur noch durch die Nationalbibliothek, die auch für Netzpublikationen im gesetzlichen Auftrag Pflichtexemplare sammelt.Der Sinn des Pflichtexemplarrechts besteht darin, alle Veröffentlichungen eines Landes als Zeugnis des kulturellen Schaffens möglichst vollständig zu bewahren, sie bibliografisch zu dokumentieren und für die Allgemeinheit zugänglich zu machen. Archive erfüllen in einer digitalen Lebenswelt eine außergewöhnlich wichtige Aufgabe. Sie schaffen Sicherheit gegen das Vergessen. Wäre das Bücherregal aus dem Wohnzimmer verschwunden, wären auch alle Anmerkungen, die Leser in Büchern machen, weg. Selbst bei E-Books gibt es eine Notizfunktion. Wer die benutzt hat, bekommt von Microsoft 25 Dollar extra gutgeschrieben. Als Entschädigung für den Gedächtnisverlust.
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