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Sonntag, 21. Juli 2019

Der Inkunabelkatalog der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart (2018) weist erhebliche Mängel auf

Die Inkunabeln der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart. Beschrieben von Armin Renner unter Mitarbeit von Christian Herrmann und Eberhard Zwink. Geleitwort von Hannsjörg Kowark †. 4 Bände. Wiesbaden: Harrassowitz 2018 (= Inkunabeln in Baden-Württemberg 5). 2894 S., 80 farbige Abb. ISBN 978-3-447-11075-4

Der Grundstock des folgenden Texts wurde im März 2019 für das Pirckheimer-Jahrbuch 32 (2018) – Inhalt – als Rezension eingereicht und erschien dort im Juli 2019 unter dem Titel: Zu den Inkunabeln der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart (S. 199-217). Um den Redaktionsschluss einhalten zu können, wurde die Besprechung unter großem Zeitdruck erstellt. Die 30 Druckseiten mussten auf 20 rigide gekürzt werden. Mit Erlaubnis von Professor Dr. Franz Fuchs darf der Beitrag hier in kompletter Form veröffentlicht werden. Die gekürzten Passagen sind, abgesehen von einigen am Ort vermerkten Auslagerungen in andere Archivalia-Beiträge, im Folgenden nachlesbar, wobei es nicht der Ironie entbehrt, dass der ganze Abschnitt mit der Kritik an der Druckausgabe “Wieso im 21. Jahrhundert noch ein gedruckter Inkunabelkatalog?” im Druck entfallen musste. Etliche kleinere, mitunter auch größere Ergänzungen und Verbesserungen gegenüber dem abgegebenen Manuskript habe ich eingearbeitet. Bei Bedarf werde ich künftig auch weitere Nachträge (als solche gekennzeichnet) einfügen.

“Der überaus sorgfältige und umsichtige Katalog legt der Bibliothek Ehre ein und wird durch seine Forschungsimpulse reiche Frucht bringen”, ist Wolfgang Schmitz in den Informationsmitteln für Bibliotheken überzeugt. Ich bin gegenteiliger Ansicht. Der Inkunabelkatalog der Württembergischen Landesbibliothek (WLB) fällt in seiner Qualität deutlich hinter den größeren Inkunabelkatalogen der letzten Jahre (Heidelberg, Tübingen, Trier, Leipzig) zurück.
Mit 7125 Exemplaren ist die Stuttgarter Inkunabelsammlung die sechstgrößte der Welt und in Deutschland die zweitgrößte. Sie wird nur übertroffen durch München, London, Paris, Rom (BAV) und Wien, ist S. 97 zu lesen. Jedes Exemplar erhält im Stuttgarter Katalog (im Folgenden auch als Renner et al. zitiert) eine eigene Nummer; wie viele verschiedene Titel vertreten sind, erfährt man an dieser Stelle nicht, auch nicht die Zahl der Bände.
Armin Renner, seines Zeichens Diplom-Bibliothekar, hat 1999-2005 den Bestand erschlossen und in die Tübinger Datenbank INKA (www.inka.uni-tuebingen.de) eingebracht. Mehr als zehn Jahre später wurde die Bearbeitung für den Druck durch Eberhard Zwink, zuständig vornehmlich für die Bestandsgeschichte und die Provenienzen, und Christian Herrmann, der sich vor allem mit den Einbänden und Fragmenten befasste, vorgenommen. Bd. 1 enthält eine umfangreiche Einleitung (S. 7-144), die Beschreibung von sieben Blockbüchern (mit eigenen Nummern) und die Buchstaben A-C. Bd. 4 bietet die Register und Konkordanzen sowie die ansprechenden Farbtafeln mit 80 Abbildungen. In Bd. 2 finden sich die Buchstaben D-M, Bd. 3 dokumentiert außer den Buchstaben N-Z unter den Nummern 7094-7125 die erfreulicherweise geringen Verluste, also vermisste und verbrannte, nicht aber verkaufte und vertauschte Bände. Subtrahiert man diese 32 Verlustexemplare von der Zahl 7125, erhält man einen derzeitigen Bestand von 7093 Exemplaren. Außerdem sind auch noch die aufgenommenen Postinkunabeln (S. 7: 89 Stück) abzuziehen, wie man beiläufig S. 42 erfährt. Korrekt wäre demnach die Zahl 7004 Inkunabel-Exemplare. Der Verdacht kommt auf: Genauigkeit ist nicht die Stärke dieses Werks.
Bevor ich mich eingehend den Kritikpunkten zuwende, muss ich gestehen, dass ich mangels Sachkunde nichts zur Qualität der Einband-Identifizierungen sagen kann. Die ausführlichen Abschnitte der Einleitung zu den Einbänden (S. 53-76) und den damit eng zusammenhängenden Fragmenten in den Einbänden machen jedoch einen guten Eindruck. Außer 104 in Mappen aufbewahrten oder in Bände eingelegten Einblattdrucken und Druckfragmenten gibt es 5852 Einbände, was einen Rückschluss auf die Gesamtanzahl der Bände erlaubt. Von diesen haben über 60 % historische Ledereinbände (S. 53). Viele ungewöhnliche Stücke kamen 1962 mit der Sammlung des herausragenden Einbandforschers Ernst Kyriss (1881-1974) in den Bestand.
Zu den berühmtesten Werkstätten des 15. Jahrhunderts zählt die des Geislinger Kaplans Johannes Richenbach. Nicht weniger als neun seiner Einbände sind in Stuttgart in der Inkunabelsammlung versammelt (plus zwei Handschriften). Abbildung 59 zeigt eine solche Kostbarkeit aus der Kyriss-Sammlung (Nr. 149, bei den Katalogeinträgen wird nicht auf die Abbildungen hingewiesen, es gibt auch kein Abbildungsverzeichnis). Zu den Richenbach-Einbänden publizierte Scott Husby einen Census, der aber nicht zitiert wird: Another “per me”. A Richenbach Binding Discovered in the Huntington Library. In: The Papers of the Bibliographical Society of America 105 (2011), S. 295-324. Nr. 3217 fehlt bei Husby. Einen aktualisierten Census legte ich im Mai 2019 in der Wikipedia an.


Richenbach-Einband (Renner et al. Nr. 149, Husby R39). Abbildung 59 des Katalogs.
Es soll auch nicht bestritten werden, dass Einleitung und Beschreibungen eine Fülle aufschlussreicher Details bieten, willkommener Ausgangspunkt für weitergehende Forschungen. Ich nenne aus den Aufstellungen zu einzelnen Vorbesitzern nur wenige glanzvolle Namen aus der Zeit des Renaissance-Humanismus (S. 43-46): Anton Koberger, Rudolf Agricola, Graf/Herzog Eberhard im Bart von Württemberg, Dietrich von Plieningen, Johannes Trithemius, Ulrich Ellenbog, Hieronymus Münzer (zu ihm siehe unten), Konrad Peutinger und Heinrich Bebel. Dieser Pluspunkt der Bände wird auch bei den folgenden Mitteilungen deutlich hervortreten. Ohne die Vorarbeit der Katalogbeschreibungen wären die mehr oder minder kleinen Entdeckungen, die ich präsentieren kann, nicht möglich gewesen.
Wieso im 21. Jahrhundert noch ein gedruckter Inkunabelkatalog?
Es klingt nach Pfeifen im Walde, wenn es im Vorwort heißt: “Gedruckte Inkunabel-Kataloge sind auch in Zeiten von Digitalisierung und Datenbanken überaus hilfreiche Referenzwerke für die Benutzung von Altbeständen und buchgeschichtliche Forschungsarbeit. […] Eine Datenbank vermag die Qualität eines gedruckten Kataloges nicht zu erreichen, in dem hin- und hergeblättert werden kann, wo man beim Durchstreifen der Seiten manches Neue und Unbekannte entdecken wird und nicht nur das sucht, was ohnedies schon zitiert und damit bekannt ist” (S. 3). Gedruckte Inkunabel-Kataloge sind im digitalen Zeitalter und im Zeichen von “Open Access” aus meiner Sicht so überflüssig wie ein Kropf. PDFs ermöglichen nicht weniger Serendipity als ein Buch auf totem Holz. Und dank Volltextsuche kann man in ihnen vieles finden, was man vielleicht im gedruckten Werk überliest. Mit einem Gesamt-PDF zu arbeiten, wäre unendlich bequemer als das ständige Hantieren mit vier schweren Bänden, das dauernde Hin- und Herspringen zwischen Einleitung, auf drei Bände verteilten Beschreibungen und dem Register- und Konkordanzenband.
Auf der Hand liegt, dass Fragen wie “Welche Pariser Drucke von 1499 gibt es im Bestand?”, durch eine INKA-Abfrage sehr rasch geklärt werden können, während die Arbeit mit dem gedruckten Werk erhebliche Mühe bereitet. Es wird noch zur Sprache kommen, dass eine Sacherschließung im Hauptregister so gut wie nicht vorhanden ist. INKAs Freitextsuche ist von daher Gold wert.
Für den Druck mussten vom Jahresetat der Bibliothek “nicht unerhebliche Druckkostenzuschüsse” abgezweigt werden (S. 4), die dann natürlich an anderer Stelle fehlten. Öffentliche Gelder verwaltet auch die Stiftung Kulturgut Baden-Württemberg, die das Erschließungsprojekt finanzierte. Das Steuerzahler-Argument für Open Access fordert, dass öffentlich finanzierte wissenschaftliche Publikationen auch der Öffentlichkeit kostenlos im Internet zur Verfügung stehen müssen. Bibliotheken machen sich unglaubwürdig, wenn sie einerseits Open Access propagieren, bei eigenen Publikationen aber auf hochpreisige Verlagsprodukte setzen, die von immer weniger Bibliotheken angeschafft werden können.
Wer das Vergnügen hat, die exzellenten Bestände der WLB ständig zur Verfügung zu haben, macht sich vermutlich keine Gedanken darüber, welchen Aufwand andere Menschen ganz konkret treiben müssen, um den Stuttgarter Inkunabelkatalog zu Gesicht zu bekommen. Mit knapp 500 Euro ist er für den privaten Erwerb in der Regel zu teuer. Etwa ein halbes Jahr nach Erscheinen (Stand: März 2019) ist es nicht zu früh, Aussagen über die Verbreitung des Werks in wissenschaftlichen Bibliotheken zu treffen. Er ist an vergleichsweise wenigen Standorten anzutreffen und dort in der Regel ein nicht für die Fernleihe zur Verfügung stehender Präsenzbestand. Insgesamt weist ihn der Karlsruher Virtuelle Katalog in Deutschland in knapp 30 Bibliotheken nach, aber beispielsweise nicht in den traditionsreichen Sammlungen in Göttingen, Bremen, Hamburg oder Halle. Mit sechs Exemplaren besitzt Nordrhein-Westfalen weniger Standorte als die USA (sieben). In der Schweiz muss man nach Genf oder Luzern fahren, in Basel oder in Bern ist das Werk nicht vorhanden. In Baden-Württemberg haben nur sechs Bibliotheken alle fünf Bände der Reihe “Inkunabeln in Baden-Württemberg” angeschafft. Die Monographienerwerbung ist generell stark zurückgegangen. Den ersten Band der Reihe von 1993 über die Inkunabelbestände der Diözese Rottenburg-Stuttgart besitzen 19 baden-württembergische Bibliotheken, die Stuttgarter Bände nur acht. Wollte jemand von meinem Wohnort Neuss aus den Katalog konsultieren, liegt die Kölner Diözesan- und Dombibliothek am nächsten, in der das Buch nicht ausleihbar ist und die Öffnungszeiten (9-17 Uhr, am Donnerstag bis 19 Uhr, am Wochenende ist geschlossen) Berufstätigen nicht gerade entgegen kommen. Die naive Annahme, dass ein Katalog von solchem Kaliber selbstverständlich in allen universal ausgerichteten wissenschaftlichen Bibliotheken vorhanden sein müsste, ist bereits dadurch widerlegt.
Mich stören gedruckte Bücher nicht, ich selbst habe davon eine Menge (im Vergleich zum Platz zu viele). Man könnte Bücher sowohl gedruckt als auch Open Access anbieten, meinetwegen übergangsweise mit einigen Jahren Verzug. Aber von den Bänden der Reihe “Inkunabeln in Baden-Württemberg” ist bislang nur ein einziger online. Dank der im Bereich der Open-Access-Monographien führenden Universitätsbibliothek Heidelberg war der 2009 erschienene Katalog bereits im Herbst 2013 kostenlos einsehbar. Bei neueren Bänden machen sich die Verlagsrechte unangenehm bemerkbar, aber dass beispielsweise kein einziger von den 1966 bis 1974 erschienenen bayerischen Katalogen von Ilona Hubay online verfügbar ist (im Vergleich zu Handschriftenkatalogen aus diesen Jahren), wirft kein gutes Licht auf die Inkunabelforschung.
Ein nicht ganz geringer Anteil des Inhalts des Stuttgarter Katalogs ist, wie ich meine, schlichtweg überflüssig, nämlich die aufgeblähten Referenzen-Listen. Der Tübinger Inkunabelkatalog – Gerd Brinkhus et al.: Inkunabeln der Universitätsbibliothek Tübingen, der Fürstlich Hohenzollernschen Hofbibliothek Sigmaringen und des Evangelischen Stifts Tübingen, 2014 (Preprint meiner Rezension) – hatte die richtige Entscheidung getroffen und sich im Normalfall auf die drei wichtigsten Referenzen (Gesamtkatalog der Wiegendrucke = GW, Incunabula Short Title Catalogue = ISTC, Hain) beschränkt. Der Leipziger Katalog hatte sogar auf Hain-Copinger-Reichling verzichtet, ohne einen Sturm der Entrüstung zu provozieren. Eine mutige Entscheidung, die völlig zu Recht gefällt worden sei, befand Jürgen Geiß (IFB). Holger Nickel begründete in “Die Inkunabeln der Ratsschulbibliothek Zwickau” (2017, S. 33) überzeugend, wieso er nur ein Minimum an Referenzwerken anführt. In der Einleitung des Stuttgarter Katalogs wird zugegeben, dass die Online-Versionen von GW bzw. ISTC vollständiger sind (S. 7). Wer braucht denn noch und zu welchem Zweck diese ganzen Verweise auf Inkunabelbibliographien? Nach welchen Kriterien wurden diese ausgewählt? In welcher Reihenfolge werden sie geboten? Ein Blick in die genannten Kataloge von Hubay, die von Renner et al. angeführt werden, zeigt, dass dort meist keinerlei druckgeschichtliche Weisheiten zu finden sind. Was soll heute noch der Verweis auf einen reinen Census wie Voullieme Berlin? Aber man schleppt diese Zitate von einem Katalog zum nächsten, obwohl es genügen würde, sie zentral bei GW/ISTC vorzuhalten.
Die Kritik soll anhand eines Beispiels erläutert werden. Nr. 3842 ist “De adhaerendo Deo” (Ulm um 1473), Johannes de Castello zugeschrieben. Klammert man Druckgeschichtliches (Umfang, Varianten) aus, so richtet sich das inhaltliche Interesse auf die Verfasserfrage und die einzelnen Texte (außer dem Haupttext sind auch Johannes Gerson und Bonaventura vertreten). Der GW hat offenkundig zu wenig personelle Ressourcen, daher ist bei ihm immer noch Albertus Magnus der Autor, neuere Literatur wurde nicht nachgetragen. Eva Sack 1985 setzte als Pseudo-Albertus Magnus an und nannte den Benediktiner Johannes von Kastl als Verfasser, ebenso Peter Amelung 1979. Obwohl sich die Zuschreibung auf die Autorität Martin Grabmanns stützt, sollte man die Gegenargumente von Dieter Picker in seiner Würzburger Zulassungsarbeit (bei Kurt Ruh) von 1965 nicht einfach beiseite wischen. Ich konnte die bisher unveröffentlichte Studie Pickers dank des Entgegenkommens seiner Nachlassverwalterin online zugänglich machen: https://archive.org/details/PickerTraktat/page/n47
Eine vorsichtige Ansetzung als Pseudo-Albertus Magnus erscheint von daher empfehlenswert. Die Liste der Bibliographien im Stuttgarter Katalog stimmt, auch in der Reihenfolge, mit INKA überein. Die vollständigste Liste hat ISTC, im GW ist noch nicht einmal Amelung vermerkt. Aber auch im ISTC vermisst man den Leipziger Inkunabelkatalog von 2014. Der Tübinger Katalog (Brinkhus et al. Nr. 31) hat eine eigene Literaturangabe (Sudbrack) zur Verfasserfrage, wird aber vom Stuttgarter Katalog nicht zitiert und ist auch weder im GW noch im ISTC erfasst. Die beiden Hubay-Kataloge, die von Renner et al. angeführt werden, sind gleichsam bibliographischer Müll, während der Tübinger Katalog, der eine wirklich weiterführende Information enthält, übergangen wird. Die beste Leistung hinsichtlich der Textnachweise erbringt der online zugängliche Katalog der Bodleiana (Bod-Inc), der sich im übrigen auf wenige Referenzen beschränkt. Bod-Inc wird zwar vom ISTC aufgeführt, fehlt aber im GW und auch im Stuttgarter Werk. Der Blick von außen auf die sich gern als Geheimwissenschaft gerierende Inkunabelforschung anhand dieses Einzelfalls ist ernüchternd: Sie ist nicht geeignet, einen nicht vorgebildeten wissenschaftlichen Benutzer zuverlässig mit dem aktuellen Stand der Forschung zu den inhaltlichen Aspekten eines Wiegendrucks vertraut zu machen. Statt dessen erhält er teilweise obsolete Informationen. Was er gut gebrauchen könnte, den Hinweis im Tübinger Band und die weiterführenden Angaben von Bod-Inc, wird ihm vorenthalten.

An dieser Stelle mag angeschlossen werden ein “schier unbegreiflicher Bock”, der mir von kundiger Seite zugespielt wurde. Als Autor des Venezianer Drucks Nr. 6014 erscheint “Roman, Jacob Pietersz”. Wohl aufgrund der GND wurde der italienische Inkunabelverfasser mit einem niederländischen Architekten im 17. Jahrhundert gleichgesetzt!
“A physical description of a book logically includes leaf dimension”, schrieb G. Thomas Tanselle in: Studies in Bibliography 53 (2000), S. 67. Aber in deutschen Inkunabelkatalogen (mit Ausnahme des Heidelberger) fehlen Formatangaben regelmäßig, worauf mich Paul Needham freundlicherweise hinwies, dem diese Praxis zu Recht ein Dorn im Auge ist. Wieso man diese bei Handschriften ganz selbstverständlich in Katalogen vermittelten Daten bei Inkunabeln dem Leser vorenthält, verstehe ich nicht.
Über 200 Seiten des vierten Teilbands werden auf Konkordanzen verschwendet (S. 2548-2813), obwohl solche Zusammenstellungen elektronisch weit effizienter im Rahmen von GW/ISTC angeboten werden könnten. Nützlich sind natürlich die Listen zu den Drucken des 16. Jahrhunderts (VD 16) und zum Verzeichnis der Einbanddrucke (VE), da entsprechende Register-Lemmata fehlen. Und ganz unentbehrlich ist leider die Konkordanz Signaturen/Katalognummern, da in der Einleitung nur nach Signaturen zitiert wird, was äußerst unpraktisch ist, da man jedesmal den Umweg über die Konkordanz nehmen muss, um etwa einen in der Einleitung erwähnten Besitzeintrag zu finden. Auch die Farbtafeln zitieren leider nur nach der Signatur.
Kurz: Bei Nachschlagewerken ist der im 15. Jahrhundert erfundene Buchdruck schlicht und einfach eine veraltete Technologie und teilweise eine Zumutung. Auch wenn es um Inkunabeln geht.
Bestandsgeschichte
Die Bestandsgeschichte (S. 9-41) ist recht unübersichtlich und oberflächlich geraten. Welche bibliotheksgeschichtlichen Quellen, etwa alte Inkunabel-Abgabeverzeichnisse, heute noch vorhanden sind, erfährt man aus dem Katalog nicht. Gern wird das Buch von Karl Löffler: Geschichte der Württembergischen Landesbibliothek (1923) zitiert, in dem man aber weitgehend Einzelnachweise vermisst.
Beispielhaft sei auf einen Buchtausch unter Herzog Karl Eugen 1790 eingegangen, der S. 16 erwähnt wird. Das Evangelische Stift in Tübingen musste 100 Wiegendrucke abgeben, und erhielt 200 Bücher aus Stuttgart zurück. Die Quelle war Löffler S. 37 (Internet Archive), wo auf ein Verzeichnis unter den “Alten Katalogen” hingewiesen wird. Der Katalog hätte angeben müssen, ob dieses heute noch vorhanden ist. (Nach Auskunft der Bibliothek ist es nicht auffindbar.) Nicht zitiert wird das Handbuch der historischen Buchbestände, in der es im Beitrag zur Bibliothek des Stifts etwas präziser heißt: “Herzog Carl Eugen (reg. 1740-1793) forderte 1790 die Übergabe aller 101 in der Stiftsbibliothek vorhandenen Wiegendrucke an die von ihm gegründete Öffentliche Bibliothek in Stuttgart. Er ließ dafür die doppelte Zahl an Dubletten von Stuttgart nach Tübingen überweisen” (zitiert nach der Online-Ausgabe). Es wird auch keine Silbe über den irritierenden Umstand verloren, dass im Provenienzregister kein einziges Stück aus dem Evangelischen Stift verbucht ist. Leider hat der Tübinger Inkunabelkatalog, in dem die heute noch im Stift vorhandenen Stücke beschrieben werden, der Bestandsgeschichte der Stiftsbibliothek keinerlei Ausführungen gewidmet. Die Stiftsbibliothekarin Beate Martin wies mich auf zwei kleine handschriftliche Inkunabelkataloge hin: “Catalogus librorum Bibliothecae Stipendii theologici Tubing. ab anno 1470 […] ad 1499 impressorum Secundum annorum Seriem dispositus” und “Verzeichnis der auf der Bibliothek des Herzoglich-theologischen Stifts zu Tübingen befindlichen alten druke bis 1499”.
Zu den wichtigsten Provenienzen des Bestands zählen württembergische Klosterbibliotheken. Wie viele Inkunabeln aus katholischen Klöstern stammen, kann ohne stundenlanges Auszählen nicht gesagt werden, denn die S. 42 genannte Zahl von 4653 Exemplaren bezieht sich leider auf “kirchliche Einrichtungen beider Konfessionen”. Weltweit sind 306 Kloster- und Kirchennamen im Provenienzregister aufgeführt.
Von den Beständen der im 16. Jahrhundert durch die Reformation säkularisierten altwürttembergischen Klöster sind heute nur noch vergleichsweise wenige Bücher feststellbar. Vor allem die Bibliothek des Konsistoriums hat ihr Buchgut aufgenommen. Eine Tabelle zu diesen Provenienzen gibt es auf S. 90f. Es wäre bequemer, wenn Inkunabelkataloge bei größeren Provenienzbeständen das Durchzählen der Registereinträge nicht dem Benutzer überließen. Am umfangreichsten sind Inkunabeln aus Blaubeuren überliefert. In der Tabelle zähle ich 150 Inkunabeln, während es nach dem Provenienzregister 145 sein müssten.
Zum Kloster Lorch wird auf den verdienstvollen Aufsatz von Heribert Hummel 1981 hingewiesen, der aber für die Inkunabeln längst nicht mehr maßgeblich ist. Da die Verantwortlichen der Mailingliste INCUNABULA-L seit kurzem leider nur noch Abonnenten Zugang gewähren, kann ich auf die Beiträge vom Mai 2003 nicht mehr verlinken. Unbegreiflich ist mir, wieso die Bearbeiter des Stuttgarter Katalogs Paul Needhams Index Possessorum Incunabulorum (IPI, ipi.cerl.org) nicht herangezogen haben, der die aus Lorch stammenden Stücke nachweist.
In die Königliche Öffentliche Bibliothek gelangten 609 Inkunabeln (in 496 Bänden) aus neuwürttembergischen Klöstern, in die im 19. Jahrhundert als separate Einrichtung geführte Königliche Hofbibliothek aber 2816 (in 2039 Bänden). Die größte Klosterprovenienz ist das Benediktinerkloster Weingarten mit 758 Bänden (S. 43). Die riesigen Büchermassen aus neuwürttembergischen Klöstern (vgl. die Tabelle S. 92-96) sind nach diversen Verschiebungen heute auf mehrere württembergische Bibliotheken verteilt. Die Inkunabeln dürften inzwischen ziemlich vollständig in INKA recherchierbar sein. Außer der WLB sind zu nennen: die Universitätsbibliothek Tübingen, die im Inkunabelkatalog der Diözese Rottenburg erfassten Bibliotheken in Rottenburg und Tübingen (Wilhelmsstift), erschlossen durch Heribert Hummel/Thomas Wilhelmi: Katalog der Inkunabeln der Diözese Rottenburg (1993) mit Einleitung S. 14-18, und der kleine Bestand der Bibliothek des Evangelischen Stifts. Württembergisches Säkularisationsgut gelangte über Tübinger Dubletten 1863 in die Hofbibliothek Sigmaringen, die unter den zehn 2014 bei Sotheby’s verkauften Inkunabeln mindestens einen Band mit einer Klosterprovenienz versteigern ließ (mehr dazu in meiner Besprechung des Tübinger Katalogs). Zum Umgang mit den Klosterbibliotheken in der Säkularisation vgl. jüngst Volker Rödel: Das Schicksal südwestdeutscher Klosterbibliotheken. In: Imprimatur NF 25 (2017), S. 311-334, der sich auf aber Baden beschränkt.
Eine wichtige Zwischenstation war Ellwangen, ab 1806 Standort einer neuwürttembergischen Zentralbibliothek und dann der 1818 aufgehobenen Universität (katholische Fakultät). Es trifft nicht zu, was man bei Brinkhus et al. (S. 18) liest, dass die fast nur aus Säkularisationsgut bestehende Ellwanger Universitätsbibliothek auf das Rottenburger Priesterseminar, das Wilhelmstift und die UB Tübingen aufgeteilt wurde, denn es verblieben auch nennenswerte Bestände in der Gymnasialbibliothek Ellwangen. Außerdem durfte die Gymnasialbibliothek sich Restbestände aus Wiblingen und dem Ulmer Wengenstift per zirkulierender Auswahlliste sichern. Bei Kollisionen galt folgende Reihenfolge: UB Tübingen, katholisches Konvikt Tübingen (heute Wilhelmstift), evangelisches Seminar Tübingen, Gymnasium Stuttgart, die übrigen Gymnasien, die niederen evangelischen Seminarien, Gerichtshof Ulm, Kreisregierung Ulm und Finanzkammer Ulm (Heribert Hummel in: Festschrift zum 325jährigen Jubiläum, 1983, S. 70). Von einem ähnlichen Zirkular (1822) bezüglich anderer klösterlicher Restbestände berichtet der Eintrag zum Rottweiler Albertus-Magnus-Gymnasium im Handbuch der historischen Buchbestände (zu dieser “Resterampe” an Klosterbüchern um 1820 vgl. auch Magda Fischer, in: Alte Klöster. Neue Herren, 2003, S. 1289, insbesondere nach Joseph Giefel: Die letzte Verteilung der Stifts- und Kloster-Bibliotheken in Württemberg 1818-1824. In: Literarische Beilage des Staats-Anzeigers für Württemberg 1903, S. 244-247, Internet Archive). 78 Inkunabeln aus dem Wengenstift kamen auf “verschlungenen Wegen” in die Stadtbibliothek Ulm (Bernd Breitenbruch: Die Inkunabeln der Stadtbibliothek Ulm, 1987, S. 26). Zur Aufteilung der Wengen-Bibliothek ist die gründliche Studie von Hans Radspieler in: Aus Archiv und Bibliothek (1969), S. 208-239 heranzuziehen (hier S. 238 zur Verteilung und Rangliste 1822). Bücherabgaben 1821 registriert nach den Bibliotheksakten des Wilhelmsstifts Gerhard-Peter Handschuh: Zur Geschichte der Bibliothek des Wilhelmsstifts in Tübingen. In: Zeitschrift für württembergische Landesgeschichte 27 (1968), S. 152-162, hier S. 154.
1939 erhielt die WLB nicht den gesamten Bestand der Ellwanger Schulbibliothek (dies suggeriert S. 42), sondern 2769 Bände (Horst Hilger, in: Bibliotheksdienst 1993, S. 46, online), darunter alle Inkunabeln (11 Exemplare im Katalog). Die einzige Inkunabel im Bestand der Bibliothek des Peutinger-Gymnasiums Ellwangen, Hain 13019, wurde antiquarisch erworben (Heribert Hummel, in: Ellwanger Jahrbuch 26, 1975/76, S. 66). Sie wird nach Auskunft des Stadtarchivs Ellwangen ebenso wie die einzige mittelalterliche Handschrift (aus Wiblingen) vermisst. Da ein Datenträger der 1992 beendeten Katalogisierung des Altbestands der Gymnasialbibliothek, finanziert mit Landesmitteln, nicht mehr aufzufinden war, hat die WLB auf meine Bitte hin den von Beatriz Wagner-Hertel verfassten, 1994 in Kleinstauflage erschienenen Katalog der Lehrerbibliothek online gestellt: http://digital.wlb-stuttgart.de/purl/bsz495675636. In ihm sind, wenn auch sehr knapp, die Provenienzen aufgeführt.
Zu der an den Grafen von Sternberg gekommenen Büchersammlung der Prämonstratenser von Schussenried wird angemerkt (S. 31), es sei weder im Stuttgarter Bestand noch in INKA (Abfrage Januar 2018) eine einzige Inkunabel zu finden gewesen. Einmal mehr rächt sich die Ignoranz gegenüber IPI. Dort sind sieben weltweit verstreute Exemplare aufgeführt und ein Hinweis auf den in INKA (ohne Provenienzen) vorhandenen Münchner Inkunabelkatalog, in dessen Provenienzregister ein Eintrag zu Schussenried (mit einer Inkunabel) existiert. Durch Dublettenverkäufe hat die WLB mindestens eine Schussenrieder Inkunabel verloren (heute in Harvard).
Es gibt keine Inkunabeldubletten. Trotzdem haben seriöse Bibliotheken in großem Umfang angebliche Doppelstücke verkauft oder vertauscht. In Stuttgart fanden Tauschaktionen noch 1966/67 statt (S. 34), und die Ulmer Stadtbibliothek erhielt noch 1976 (laut Renner et al. S. 34 Anm. 111: 1977) ein Tauschexemplar (Breitenbruch: Ulm Nr. 22). Woher die Informationen über die Abgaben stammen, wird nicht gesagt. Welche Akten und früheren Kataloge es zu dem Bestand gibt, erfährt man ebenfalls nicht. Ich erinnere mich, dass Peter Amelung, der langjährige Betreuer der Stuttgarter Sammlung, der diese gern als seinen wissenschaftlichen Privatbesitz betrachtete, mir eigentlich keinen Zugang zu den beiden mächtigen handschriftlichen Bandkatalogen gewähren wollte. Der damalige Bibliotheksdirektor Dr. Hans-Peter Geh beschied mich auf meine Beschwerde hin am 8. Mai 1985, der Inkunabelkatalog sei schon vor Jahrzehnten abgebrochen worden und diene nur dienstlichen Zwecken. “Herr Dr. Amelung ist aber bereit, Ihnen im begründeten Einzelfall Zugang zu diesem Katalog zu verschaffen”. Was die Autoren über die Dublettenabgaben schreiben, befriedigt nicht. Das habe ich in einem aus dieser Besprechung ausgelagerten eigenen Beitrag dargestellt: Über die Abgabe angeblicher Inkunabeldubletten durch Bibliotheken. Wenn allein von einem illustrierten Ulmer Druck Hain 10117 (Lirer-Chronik, siehe unten), dessen im Handel äußerst seltene Exemplare heute hohe Preise erzielen, fünf vermeintliche Dubletten abgestoßen wurden, demonstriert dies das aus den Ausführungen von Renner et al. nicht ablesbare Ausmaß der Veräußerungen.
Corrigenda und Addenda zu den Provenienzen
Die Qualität der Angaben zu den Provenienzen kann im Vergleich zu den bereits genannten, in den letzten Jahren erschienenen Katalogen nicht anders als schlecht genannt werden. Es offenbart sich teilweise eine so schauderhafte Unbildung, dass der Katalog bei mir in dieser Hinsicht jeglichen Kredit verspielt hat. Wer ein Benediktinerkloster Brenzenhausen erfindet (statt zu bemerken, dass es sich um Anhausen an der Brenz handelt, Nr. 713) oder ein Kartäuserkloster in Brixen (weil er Buxheim nicht lesen kann, Nr. 3190); wer auf die Idee kommt, “kirchen prope teck” als Kirchen im Alb-Donau-Kreis zu identifizieren (Nr. 1224) und “Cellae DEI Super: prope Herbipolim” (Oberzell bei Würzburg) als das Dominikanerinnenkloster Gotteszell bei Schwäbisch Gmünd (Nr. 4741); wer ein Gymnasium apud Vangiones (Worms) in Wangen verortet (Nr. 6865), das fürstenbergische Kollegiatstift Betenbrunn bei dem bayerischen Kösching (Nr. 3154) und mit Araeflaviensis (Rottweiler) nichts anfangen kann (Nr. 6861), der sollte keinen wissenschaftlichen Inkunabelkatalog bearbeiten!
Blamabel ist auch: der statt das Autograph (Nr. 1637) und Wenzeslaus Brack als “dt. Literaturwissenschaftler” (S. 2444). Brack starb übrigens nicht ca. 1496, sondern am 31. Oktober 1495, vgl. Nina Pleuger: Der ‘Vocabularius rerum’ von Wenzeslaus Brack (2005), S. 16, eine Arbeit, in der auch Bracks Bibliothek behandelt wir, aus der etliche Stücke nach Stuttgart gelangt sind.
Es ist inakzeptabel, dass (anders als etwa bei dem Tübinger Katalog) die Besitzvermerke nicht datiert werden, zumal das miserable Provenienzregister meist auch keine Hilfe ist. Einige Lesefehler, die mir auffielen, sind nicht geeignet, den Verdacht paläographischer Unzuverlässigkeit zu zerstreuen. Durch die Verwendung eckiger Klammern bei der Auflösung von Abkürzungen in den handschriftlichen Einträgen entsteht kein Erkenntnisgewinn, die Texte sind nur sehr viel mühsamer zu lesen. Anders als in Tübingen war man bedauerlicherweise viel zu knausrig, was die wörtliche Mitteilung von Besitzvermerken angeht. Beispielsweise wüsste ich gern, wie das Eigentum des Stifts St. Peter im Einsiedel in den Büchern gekennzeichnet wurde (nichts über die Bücher im Sammelband: Der Einsiedel im Schönbuch, 2018).
Es ist mir klar, dass wirklich akribische Provenienzrecherchen (vor allem zu Sammlerpersönlichkeiten) nicht möglich sind, will man ein solchen Verzeichnis in vernünftiger Zeit abschließen. Gute Kataloge verzichten auf das Aufspüren entlegenster Spezialliteratur und arbeiten statt dessen Standardquellen wie Universitätsmatrikeln systematisch durch. In Stuttgart hat man sich aber so gar keine Mühe gegeben. Immer dann, wenn Näheres mit Literaturangaben mitgeteilt wird, dürfte das vorzugsweise aus der INKA-Provenienzdatei abgeschrieben worden sein – bis hin zum Eintrag zur Kartause Buxheim, wo es bei 19 Bänden heißt: “Der Band kam durch Hiltprant Brandenburg (s.o.) an die Buxheimer Anna-Bruderschaft”, Copy & Paste aus dem unredigierten Eintrag der Provenienzdatei zu Buxheim. Manchmal werden nicht auf der Hand liegende Identifizierungen angeboten, dann aber meist ohne jegliche Quellenangabe nach dem Motto “Google doch selber”.
Bei dem aus Überlingen stammenden Priester Sebastian Baumeister bietet die INKA-Provenienzdatei zwei Einträge, einen knappen älteren, der als einzigen Nachweis die Freiburger Matrikel angibt, und einen gut recherchierten, mit einigen hilfreichen Literaturangaben versehenen aus dem Heidelberger Katalog von 2009. Es spricht für sich, dass der Stuttgarter den veralteten wiedergibt und dem Leser den Wissenszuwachs zu diesem eher unbekannten Buchbesitzer vorenthält. Erklärlich ist das durch das Ende der Erschließungsmaßnahme 2005. Eine systematische Aktualisierung der Angaben ist unterblieben.
2009 erschien der von Bettina Wagner recht sorgfältig bearbeitete Band 7 des Inkunabelkatalogs der Bayerischen Staatsbibliothek (BSB-Ink), in dem man – mit gewissenhaften Literaturnachweisen – einige der Personen findet, über die der Stuttgarter Katalog nichts oder zu wenig weiß. Um nur drei Namen zu nennen: Georg Knöringer, Ludwig Perzl und Johannes Pluemel. Bei vielen Institutionen hätte man einfach die Einträge in BSB-Ink Bd. 7 anführen können. Ebenfalls nicht herangezogen wurde das Bod-Inc-Provenienzregister der Bodleiana, in dem man beispielsweise über James Lyell oder Cuthbert Turner biographische Informationen gefunden hätte.
Die Angaben im Provenienzregister sind höchst uneinheitlich. Bei manchen Personen gibt es Lebensdaten, bei den meisten nicht. Das Amt eines Abts wird mal genannt, mal nicht, desgleichen seine Amtszeit. Meistens werden biographisch verwendbare Angaben aus den Beschreibungen übernommen, aber nicht immer. Die Liste der Inkonsequenzen ließe sich fortsetzen.
Im Abschnitt der Einleitung, der einzelne prominente Vorbesitzer vorstellt, sieht es nicht besser aus. Nur gelegentlich ist dort eine Literaturangabe zu finden. Wie lieblos und ohne Engagement das Provenienzregister bearbeitet wurde, zeigt sich auch an anderen Details. Dass es zwei Benediktinerklöster Schönau gab (die aufgrund des Einbands zugewiesene Nr. 4594 gehört nach Rheinland Pfalz) und in Trier nicht nur ein einziges Benediktinerkloster (Nr. 2196 und 5324 stammen beide aus St. Matthias), ist dem Katalog gleichgültig. Mehrfach muss der Benutzer bei Ortsnamen erst einmal herausfinden, welche heutigen Orte gemeint sind.
Was wert ist gedruckt zu werden, ist auch wert, verbessert zu werden. Die WLB hat, schrieb mir Christian Herrmann, “vielleicht” vor, den INKA-Datenbestand 2020 zu aktualisieren. Angesichts des großen Umfangs der Fehler und Lücken dürfte das ein frommer Wunsch bleiben. Ich lege trotzdem eine Reihe von überwiegend provenienzgeschichtlichen Ergänzungen und Korrekturen vor, wobei nicht alle als Vorwurf an die Bearbeiter des Katalogs zu verstehen sind. Es war mir aufgrund des enormen Zeitdrucks bei der Erstellung des Manuskripts der Druckfassung der Rezension nicht möglich, Inkunabeln in Stuttgart einzusehen und in Bibliotheken zu recherchieren. In einigen Fällen half die WLB mit Auskünften, wofür gedankt sei. Ich musste mich also im März 2019 auf das – wie immer mit reicher Informationsfülle aufwartende – Internet und meine häuslichen Bücher und Unterlagen verlassen. Die Digitalisate der WLB waren nur in einem Fall von Nutzen. Der Einfachheit halber reihe ich nach den Katalognummern.
Nr. 34 “Hans Werner Hiller zu Hailisshagen” ist Unsinn. Im Digitalisat liest man, wie zu vermuten, “Amlisshagen” (Amlishagen im Besitz der von Wollmershausen, diese Familie im Eintrag genannt): http://digital.wlb-stuttgart.de/purl/bsz347447112/page/267. Bibliographische Notizen um 1800 auf einem Vorsatzblatt werden von Renner et al. übergangen.
Nr. 54 Ob das Kapuzinerkloster “En.” Engen ist? IPI hat “Loci Capucinorum Ingae / Engae”.
Nr. 84 Bei Jakob Hochrüttiner könnte es sich um den Alpirsbacher Abt (vgl. https://archivalia.hypotheses.org/6754) handeln.
Nr. 95 Mit dem Exlibris “Ericus Comes Dom. in Rockelstad” (20. Jh.) kann der Katalog nichts anfangen. Google findet rasch eine Abbildung des historisierend in Form eines mittelalterlichen Siegels gestalteten Eignerzeichens (mit Hakenkreuz) des schwedischen Aristokraten Graf Eric von Rosen (1879-1948), Herr zu Rockelstad, den sogar die deutschsprachige Wikipedia kennt.

Nr. 145 Josef Rest, in: Jahrbuch der Einbandkunst 2 (1928), S. 56 Anm. 1 erhielt aus Kleinheubach, wo sich der von Johannes Richenbach gebundene Band (Husby R39, siehe Abbildung oben) damals in der Schlossbibliothek befand, die Auskunft, er stamme aus dem Benediktinerkloster Neustadt am Main. Nicht genannt wird auch der Versteigerungskatalog von Joseph Baer & Co. 6. Oktober 1930, Nr. 31 (UB Heidelberg).

Nr. 194 Der Jurist Johannes Lupfdich schenkte den Band den Heiligen Martin und Oswald. Wer den Band intensiver benutzt, weiß: das ist Weingarten. Aber anders als bei Brinkhus et al. wird nicht konsequent die moderne Provenienzbezeichnung zur Wiedergabe des historischen Besitzvermerks hinzugesetzt. Wenn Lupfdich nicht mit seiner Schenkung an Weingarten im Register stünde, wie könnte man herausbekommen, welche Kirche er bedachte?
Nr. 204 Eine harte Nuss ist der Vorbesitzer von nicht weniger als 33 juristischen Inkunabeln, Balthasar von Herlinberg (Ende 16. Jahrhundert), der mehrfach einen Jurastudenten Peter Deuring beschenkte. Auch Roswitha Lambertz von der Überlinger Leopold-Sophien-Bibliothek hat ihn in ihre Provenienzdatei aufgenommen (PDF). Sobald man ein r ergänzt und Googles Vorschlag folgt, das n wegzulassen, wird man unter Balthasar von Herrliberg fündig (24 Treffer in der Datenbank des Landesarchivs Baden-Württemberg, auch mit biographisch verwertbaren Angaben). Ludwig Welti, Graf Kaspar von Hohenems 1573—1640 (1963), S. 333 nennt das Todesdatum 1623.
Nr. 243 Zu dem Braunschweiger Stadtschreiber Gerwin von Hameln gibt es eine eigene Monographie von Anette Haucap-Naß und einen Wikipedia-Artikel. Aus dem Besitz Gerwins kamen über Hermann von der Hardt auch die Handschriften Cod. theol. et phil. 2° 84-86 nach Stuttgart (Wolfgang Metzger in ManuMed).
Nr. 289 In der beigebundenen Sammelhandschrift wird zweimal unerklärt Undensdorf genannt. Ein Eintrag zu Indersdorf im Provenienzregister fehlt, obwohl man diese Herkunft mit Fragezeichen vermuten könnte. Der Band mit Ulmer Einband dürfte über das Wengenstift nach Stuttgart gekommen sein.
Nr. 349 Obwohl der Kaufvermerk die Heidelberger Universität ausdrücklich nennt, ist das Stück nicht im Haupt- oder Provenienzregister unter diesem Ortsnamen recherchierbar, und sogar der Verweis bei Heidelberg zum Vorbesitzer Felix Huber fehlt.
Nr. 358 Der Weingartener Eintrag “Ex libris Erleholzianis” ist dem Katalog ein Rätsel. 1673 erhielt das Kloster von dem damals verstorbenen Konstanzer Domherrn Dr. Johann Konrad Erleholz (Wikipedia) ein Büchervermächtnis, so Magda Fischer, in: Schwabenspiegel […] 1000-1800 Bd. 2 (2003), S. 276.
Nr. 742 Meinen Verdacht, dass es sich bei der Jahreszahl 1777 (damals gab es keinen Abt Heinrich von Blaubeuren) um einen Druckfehler handelt und 1477 zu lesen ist, bestätigte die WLB.
Nr. 814 Aus einer undatierten Notiz “Ex libris Nicolai Medici” zu schließen, damit sei der Leibarzt Eberhards im Bart, Nikolaus Bältz († 1502), gemeint, geht zu weit. Über Bältz: Miriam Zitter: Die Leibärzte der württembergischen Grafen im 15. Jahrhundert (1397-1496) (2000), S. 87-100.
Nr. 828 “Dasß Ist gehörig dem Huß Zu Fryburg”. Über Google findet man einen Zürcher Nachweis. Dem OPAC der Zentralbibliothek entnimmt man bei der Signatur 2.27: a (GW 4287), dass die Vermutung des Stuttgarter Katalogs, es handle sich um die Deutschordenskommende, zutrifft: “Dass ist zugeherig dem huss zu Fryburg Tutschs ordens”.
Nr. 879 Der Band enthält ein handschriftliches Gedicht von Ottmar Luscinius/Nachtigall (Wikipedia) “Ottomarus N. Argentinus ad lectorem Endecasyllabus”. Der Autor erscheint nicht im Register. Hier wie auch sonst wäre zu fordern, dass bei Gedichten immer auch der erste Vers des eigentlichen Textes komplett mitgeteilt wird. Die Textanfänge müssten in einem Incipit-Verzeichnis gesammelt und in eine übergreifende Datenbank eingebracht werden.
Nr. 907 Auf den bekannten Tübinger Humanisten Heinrich Bebel folgte als Besitzer ein Coccinius, der es aber nicht ins Provenienzregister geschafft hat. Das dürfte Bebels Freund Michael Köchlin sein, über den Dieter Mertens unter anderem in: Verfasserlexikon. Deutscher Humanismus 1480–1520 Bd. 1 (künftig: VL Humanismus) gehandelt hat.
Nr. 1083 Über den ehemaligen Besitzer, Notar Johannes Coentzinger aus “Naislen” (belegt 1481/87), habe ich 2017 einen kleinen Beitrag veröffentlicht: https://archivalia.hypotheses.org/68256. Mein Vorschlag, an Naislach bei Calw zu denken, findet sich auch im Provenienzregister.
Nr. 1138 Der Besitzeintrag “Ad monasterium Alyspach” (16. Jh.) ist im Register vergessen worden. Er dürfte sich auf das ehemalige Hirsauer Priorat Alspach im Elsass, das im 13. Jahrhundert von Klarissen übernommen wurde, beziehen, vgl. Sönke Lorenz, in: Hirsau St. Peter und Paul 1091-1991 Bd. 2 (1991), S. 371-378. Die Namensformen in: Topographisches Wörterbuch des Ober-Elsasses. 2. Auflage (1876), S. 5 (MDZ) passen: 1371 Alisbach, 1609 Allenspach. Einen Druck von 1535 aus Alspach weist nach: Louis Schlaefli: Catalogue des livres du seizième siècle (1531-1599) de la bibliothèque du Grand Séminaire de Strasbourg (1995), Nr. 2946.
Nr. 1227 Der Besitzer von 1601, Jakob Körner, ist im Provenienzregister vergessen worden. Ähnliche Verse gegen Bücherdiebe unter anderem bei Brinkhus et al.: Tübingen Nr. 13 mit Abbildung S. 49.
Nr. 1277 Der Zusammenhang mit Nr. 1326 und 4132 wurde übersehen, wie die WLB eingestand. Es handelt sich um Bücher aus dem Mergentheimer Dominikanerkonvent, die einem Andreas Hofen gehörten, der zunächst im Wimpfener Konvent lebte. In Nr. 4132 wird zutreffend scilicet aufgelöst, im gleichlautenden Eintrag Nr. 1277 falsch sanctis. Es wurde davon ausgehend irrtümlich ein institutioneller Vorbesitzer Pfarrkirche St. Andreas in Hofen erzeugt.
Nr. 1281 Wenn im ersten Besitzvermerk (Dominikanerkloster Schwäbisch Gmünd, 1509) steht, der Band sei in Frankfurt gebunden wurden, und die Einbandbestimmung die Werkstatt mit Fragezeichen in Baden-Württemberg lokalisiert, dann müsste der Widerspruch thematisiert werden.
Nr. 1300 Dr. med. Heinrich Staffelstein gab den Band an Lambach OSB. Google hilft: Die Grabdenkmäler von St. Peter und Nonnberg zu Salzburg 1 (1867), S. 465 sagt, dass er schon 1469 starb. Er dürfte also einer der frühesten Vorbesitzer des Stuttgarter Bestands sein. Notiert sei, dass Herzog Ludwig der Reiche Meister Heinrich Staffelsteiner 1462 in Salzburg zu seinem Arzt aufnahm: Anton Mößmer: Ärzte, Bürger, Herzöge (2004), S. 70 (Ergänzungen zu diesem Band in Archivalia); Oberbayerisches Archiv 9 (1847), S. 387 (GBS).
Nr. 1339 Der Besitzeintrag “M. Samuel Gerlachius” stammt nicht, wie angegeben, aus dem Jahr 1486. Christian Herrmann schrieb mir: “die Jahresangabe und der Namenseintrag stammen von derselben Hand. Allerdings steht die Jahresangabe auf derselben Seite oben und meint wohl das Druckjahr der Bibel, das ja nicht auf einem Titelblatt steht. Bei Samuel Gerlach dürfte es sich um den württembergischen Pfarrer
dieses Namens handeln (1582-1639) (GND PPN 122879325). Dementsprechend stammt der Eintrag wohl aus dem frühen 17. Jh.”

Nr. 1370 Zum Stuttgarter Kanoniker Konrad Blenderer († 1517), Schenker an die Dominikanerinnen von Reutin, hätte Oliver Auge: Stiftsbiographien (2002), S. 317-319 zitiert werden müssen.
Nr. 1396 Der Sammelband, zu dem auch Nr. 6786 gehört, wurde von Hieronymus Münzer (Wikipedia) 1483 in Rom erworben. Wie bereits in meinen Bemerkungen zu Zwickauer Inkunabel-Provenienzen ausgesprochen, ist es unumgänglich, in Katalogen mit Münzer-Büchern die Nummer im Census von Ernst Philip Goldschmidt: Hieronymus Münzer und seine Bibliothek (1938) anzugeben. Dieser Sammelband ist Goldschmidt Nr. 119, 158f. Nr. 1853+1906 ist Goldschmidt Nr. 112f. Nr. 2159 ist Goldschmidt Nr. 120. Nr. 5861+2469 ist Goldschmidt Nr. 55, 72. Nr. 2604 ist Goldschmidt Nr. 95. Dass die Verse auf einen 1483 verstorbenen Arzt Richard sich auf Richard Mülich (ein Richardus Mulich war 1480 Dr. med. in Krakau, laut Google-Schnipsel) beziehen, weiß Goldschmidt, aber nicht der Stuttgarter Katalog. Diese Bände enthalten teilweise Glossen Münzers, auf deren Existenz Goldschmidt, nicht aber der Stuttgarter Katalog hinweist. Nur Nr. 1396 weist einen Stempel des Wiener Bundesdenkmalamts auf. Einen anderen Münzer-Band mit diesem Stempel (datiert 1927), angeboten in Goldschmidts Katalog 14 von 1928 (Datierung), erwarb die Morgan-Library. Im gleichen Katalog 14 erscheint auch Renner et al. Nr. 1396 (Google-Schnipsel). In Katalog 15 von 1928 (HathhiTrust) bot er als Nr. 66 den Solinus (1939, Nr. 61) an. Goldschmidt, der Münzers Bibliothek akribisch rekonstruierte, hat also aktiv an ihrer Zerstörung als Ensemble mitgewirkt.
Nr. 1401 Die Wiedergabe des Besitzeintrags mit “Dis Buch ist Wolfgang Grauff zu Fürstenberg vnd Gräfin Elisabet zu Solms” ist ungenau, wie die WLB bestätigte. Zutreffend: “mit Ergänzung von anderer Hand: und der w[ohlge]bornen frauen elisabeth grauin von solms”, so MRFH. Das Buch wurde 1994 aus der damals aufgelösten Inkunabelsammlung der Fürstlich Fürstenbergischen Hofbibliothek erworben. Insgesamt erhielt Stuttgart 53 Bände Donaueschinger Provenienz, zu denen bis 2018 noch fünf antiquarisch angekaufte Bände kamen (S. 41). Peter Amelung hat damals ausschließlich nach druckgeschichtlichen Kriterien und Kostbarkeit der Einbände ausgewählt, die Provenienzen spielten keine Rolle. Das Provenienzregister unter Donaueschingen behauptet, die 86 Voraberwerbungen des Landes seien an die WLB und die “Hofbibliothek” in Karlsruhe gegangen, obwohl es damals längst keine Karlsruher Hofbibliothek mehr gab! Zu dieser äußerst bedauernswerten Zerstückelung eines erhaltenswerten Ensembles: Klaus Graf, in: Badische Heimat 1995, S. 319-331 (UB Heidelberg). Weder im Provenienzregister noch in der Einleitung (S. 45) erfährt man, dass Christoph Mackert über die Bücher Wolfgangs einen eigenen Aufsatz in Bibliothek und Wissenschaft 32 (1999), S. 1-31 geschrieben hat.
Nr. 1504 Der Hauger Kanoniker Marcus Hirsvogel hat unter Hirschvogel einen eigenen Eintrag im Nürnberger Künstlerlexikon (2001), S. 665 (Auszug GBS).
Nr. 1551 Laut Brigitte Funke: Cronecken der sassen (2001), S. 29 gehörte der Band dem Augsburger Humanisten Matthäus Marschalk von Pappenheim († 1541), über den ich den Artikel im VL Humanismus verfasst habe. Diese Provenienz fehlt bei Renner et al., die nur das Augsburger Jesuitenkolleg als Vorbesitzer nennen und einen früheren gestrichenen Besitzeintrag nicht entziffern konnten. Christian Herrmann hat sich das Stück daraufhin nochmals angeschaut: “vom durchgestrichenen Besitzeintrag kann man mit diesem Hinweis die Elemente “Marschalk” sowie “Augustani” einigermaßen entziffern; ansonsten würde ich noch “… Mat…” vor “Marschalk” sowie “comm …” vor “Augustani” lesen; der Rest ist beim besten Willen nicht zu entziffern”.
Nr. 1568. Dr. utriusque juris Johann Sebastian von Hürnheim († 1555) hat einen eigenen Wikipedia-Artikel (unter Hirnheim). Das Provenienzregister setzt ihn, wenig glücklich, unter Hurnheim an. Dass er seit 20. November 1521 Assessor des Reichskammergerichts in Nürnberg war, müsste ergänzt werden durch: und wenig später in Speyer, denn dort wirkte er über 30 Jahre.
Nr. 1891 “Ex dono Venerabilis domini Magistri Maurini Plebani Columnaugiensis Anno 1539. – 2. (Bl. 1a) Me possidet Joannes Bitzenhofer forumpagiensis.” Das Provenienzregister identifizierte Columnaugiensis zutreffend mit Saulgau (mit unnötigem Fragezeichen), konnte aber mit forumpagiensis nichts anfangen. Das ist Markdorf. Mehr zu dem Columnaugiensis und den beiden Personen in meiner Miszelle https://archivalia.hypotheses.org/98709.
Nr. 2001 Die durch die Buchschenkung dokumentierte Existenz einer Bibliothek der brandenburgischen Stadt Crailsheim bereits 1495 ist höchst bemerkenswert.
Nr. 2142 Ein lateinischer Eintrag weist auf ein früher in dem Buch befindliches Haar hin. In der Einleitung S. 89 hätte erwähnt werden müssen, dass es sich um ein von Oswald von Eck (Besitzeintrag und Wappen: Abb. 50) eingebrachtes Andenken an den berühmten bayerischen Historiker Johannes Aventin handelt, aus dessen Bart es stammt. Das ist nicht nur ein Kuriosum, sondern ein bedeutsames Zeugnis der Erinnerungskultur des Renaissance-Humanismus, als man auch in Deutschland begann, Haar-Reliquien berühmter Persönlichkeiten aufzubewahren (am bekanntesten ist Dürers Locke). Es soll schneeweiß gewesen sein, so Theodor Wiedemann: Johann Turmair, genannt Aventinus (1858), S. 280 (MDZ) nach Friedrich David Gräters Merkwürdigkeiten der Comburger Bibliothek – mit falscher Bandangabe 4, der nicht online ist, in Wirklichkeit Bd. 1, 1805, S. 7 (MDZ). Als sich Paul Lehmann 1939 danach erkundigte, war es schon verschwunden (Mitteilungen aus Handschriften VI, 1939, S. 24, badw).
Nr. 2236 “Ex Biblio. Wisensteigensi 1626″. Dass sich diese Provenienz in einer Inkunabel aus Donaueschingen nicht auf das Chorherrenstift Wiesensteig bezieht, wie der Stuttgarter Katalog will, sondern auf die helfensteinische Bibliothek dort, die an die Grafen von Fürstenberg fiel, ist seit längerem bekannt. Man findet sogar schon einen Hinweis von Johann Georg Herzog zu Sachsen in der Zeitschrift für Bücherfreunde NF 13 (1921), S. 75 (Internet Archive). Dieses Provenienz-Faktum ist gesichert, das “wohl” bei Hardo Hilg: Lateinische mittelalterliche Handschriften in Folio der Universitätsbibliothek Augsburg Cod. II.1.2 ̊91 – 226 (1999), S. 295f. (ManuMed) ist zu streichen. Vgl. Felix Heinzer, in: “Unberechenbare Zinsen” (1993), S. 8f., 94; Susanne Langner-Drescher: Die Fürstlich Fürstenbergische Hofbibliothek (von 1465-1871). Magisterarbeit Erlangen-Nürnberg 1990, S. 21 u.ö. (Kopie in meinem Besitz; einsehbare Exemplare in Freiburg und Leipzig, jeweils UB).
Nr. 2279 Das Stück aus dem Besitz des Johann Hermann Ochsenbach enthält die vielfach abgebildete Zeichnung Eberhards im Bart (auch im Tafelteil, Abb. 48b), ohne dass man zu dieser Nachweise erhält. Im Bereich der Illustrationen ist es nicht einsehbar, dass Inkunabelkataloge nicht wie gute Museumskataloge oder -datenbanken verfahren, die alle Ausstellungen eines Stücks (mit Fundstellen der Katalogeinträge) dokumentieren.
Nr. 2429 Der Eintrag des Caspar Schmuol, Schüler zu Ulm, 1487 ist ein Mosaiksteinchen zur damals berühmten Ulmer Lateinschule, über die zu vergleichen ist: Ulrike Bodemann und Christoph Dabrowski: Handschriften der Ulmer Lateinschule. In: Schulliteratur im späten Mittelalter (2000), S. 11-47 (MDZ).
Nr. 2516 Das Buch kaufte ein Adam Weiß aus Crailsheim 1520 in Mainz. Das ist der spätere Reformator († 1540), über den es einen eigenen Wikipedia-Artikel gibt.
Nr. 2723 Der Druck enthält ein Urkundenfragment mit Notariatssignet des Theodericus Rybisen aus Bruchsal vom 22. September 1471, der es wie alle vergleichbaren Notare in den Beschreibungen, soweit sie nicht Vorbesitzer waren, nicht ins Register geschafft hat. Von ihm kennt Peter-Johannes Schuler: Notare Südwestdeutschlands. Textband (1987), S. 356 Nr. 1048 nur zwei weitere Notariatsinstrumente.
Nr. 2740 Magister Johannes Alwich, Kaplan des Maria-Magdalena-Altars in der Schwäbisch Gmünder Pfarrkirche (im Provenienzregister wenig hilfreich als Sacellanus bezeichnet), schenkte das 1486 in Basel gedruckte Decretum Gratiani den Gmünder Augustiner-Eremiten. Alwich gehörte einer vornehmen Gmünder Familie an (Geschichte der Stadt Schwäbisch Gmünd, 1984, S. 127f.) und war der Enkel des Bürgermeisters Jordan Alwich. 1501 stifteten er und seine Schwester Walpurg für sich und ihre Familie einen Jahrtag bei den Augustinern (Alfons Nitsch: Das Spitalarchiv zum Heiligen Geist in Schwäbisch Gmünd, 1965, Nr. 695; vgl. auch Nr. 698). Im gleichen Jahr war er auch Pfarrer der zweiten augsburgischen Pfründe in Lorch, die er aber noch im gleichen Jahr aufgab (Heimatbuch der Stadt Lorch Bd. 1, 1990, S. 91). Er erscheint nochmals 1503 als Gmünder Kaplan und Pfleger der Priesterbruderschaft (Nitsch Nr. 704). 1518 gehörte der Band dem Augustinereremiten und Prior Gregor Lupold. Das Fragezeichen bei “de Aulen?” im Register ist überflüssig, es ist Aalen gemeint, und dass die gleiche Person als “Luipolt” im Provenienzregister des Tübinger Katalogs vorkommt (mit zutreffender Identifizierung von Aalen), hätte man durchaus bemerken können.
Nr. 2868-2870 Die medizinischen Inkunabeln gehörten dem Dr. med. Thomas Finck. Er bezeichnet sich als Schüler des Tübinger Medizinprofessors Johannes May (nicht: Mayr, so das Provenienzregister). 1483 begegnet er in “Kirchen” (wohl Kirchheim unter Teck), so Nr. 4159. Zur Biographie des bedeutenden Verfassers und Übersetzers geistlicher Literatur in der Volkssprache um 1500 nach wie vor gültig sind meine Ergebnisse in: Thomas Finck. Arzt, Benediktiner in Blaubeuren und Kartäuser in Güterstein. In: Tübingen in Lehre und Forschung um 1500 (2008), S. 159-175 (Freidok). Ich teilte dort S. 163 Anm. 24 eine Transkription von Felix Heinzer mit, die die Lesefehler des Stuttgarter Katalogs in Nr. 4159 vermeidet. Nr. 5290 nennt seinen Namen zwar nicht, aber ich konnte dank INKA den Nachruf auf seine zwei gestorbenen Frauen in dieser Blaubeurer Inkunabel Finck zuweisen. Mein Name steht zwar in Nr. 5290, aber mein Aufsatz wird nicht zitiert, und der Eintrag zu Finck im Provenienzregister könnte kaum enttäuschender sein, da er meine Resultate komplett ignoriert. Im Dezember 2018 schrieb ich in einem Beitrag mit neuen Handschriftenfunden folgende Zusammenfassung seiner ungewöhnlichen Biographie: “Wohl um 1455 geboren, erscheint er 1471 mit der Herkunftsangabe Heilbronn in der Basler Matrikel. 1477/78 in Tübingen eingeschrieben, praktizierte er als promovierter Arzt möglicherweise in Kirchheim unter Teck. Nach dem Tod zweier Frauen – der zweiten, Ursula Mangold aus Schwäbisch Gmünd, die 1484 der Pest zum Opfer fiel, konnte er als Arzt offenbar nicht helfen – trat er 1484/85 in das Benediktinerkloster Blaubeuren ein, wo er wohl die meisten seiner Schriften verfasste. Zwischen 1506 und 1515 wechselte Thomas Finck in das strengere Kartäuserkloster Güterstein, in dem er am 9. Juli 1523, vermutlich knapp 70 Jahre alt, verstarb”.
Nr. 2930 Das Fragment eines Blaubeurer Rechnungsbuchs wurde aus dem Band gelöst und 1925 dem Württembergischen Staatsarchiv übergeben. Ob es heute noch vorhanden ist, hätte man ohne weiteres im Nachbargebäude erfragen können. Nach Mitteilung des Hauptstaatsarchivs Stuttgart ist es nicht auffindbar.
Nr. 3190 Zu Wilhelm von Zell, Wohltäter der Kartause Buxheim (nicht: Brixen!), und seinen Bücherzeichen gibt es eigene Literatur: Max Joseph Husung: Die beiden v. Zellschen Exlibris. In: Gutenberg-Jahrbuch 1930, S. 158-162 (Internet Archive).
Nr. 3369 Bei Johann von Karpfen (im Register: Carpffen) liegt es nahe, an den unehelichen Sohn Eberhards im Bart zu denken. Eberhard von Karpfen, im Register unsinnig von Johann getrennt und bei Karpffen eingeordnet, gehörte wohl ebenfalls zu dieser Familie. Hinweise zu den illegitimen Kindern Eberhards gibt Gerhard Raff: Hie gut Wirtemberg allewege [Bd. 1] (1988), S. 361. Über Hans und Eberhard von Karpfen vgl. Werner Kuhn: Die Studenten der Universität Tübingen zwischen 1477 und 1534. Ihr Studium und ihre spätere Lebensstellung 1-2 (1971), Nr. 579f.; Siegfried Frey: Das württembergische Hofgericht (1460-1618) (1989), S. 184f.
Nr. 3448 Der Sammelband aus vier Drucken stammt ebenfalls aus Donaueschingen. Needham las im Appendix zum Auktionskatalog von Sotheby’s (S. 264) bei Inc. 305: Johannes Pynncke. Der Stuttgarter Katalog entscheidet sich für “Johannes Treijber Beijchtiger zu Butzkoff[en]” und hat vorsichtshalber im Register den Vorschlag Butzkow mit einem Fragezeichen versehen (in der INKA-Provenienzdatei fehlt dieses noch). Inzigkofer Besitzeinträge sind zugegebenermaßen schwer zu lesen, aber wenn einem das bedeutende Chorfrauenstift und seine historische Namensformen vertraut sind, kann man bei Butzkoffen durchaus an eine Fehllesung von Inzigkofen denken. In Needhams IPI fand ich dann: “Schreiber, / Schreyber, Johannes, †1596, confessor of Inzigkofen OSA nuns 1582 sqq.: Freib/Br 2743, 2891; Rott/Tüb 429 (Johannes Schreyber Beyhtiger zu untzkoffen)”. Die WLB bestätigte, dass es sich um diese Person handeln dürfte. Wenige weitere bislang unbekannte Inkunabeln aus Inzigkofen stellte ich zusammen in: https://archivalia.hypotheses.org/3529.
Nr. 3512 war im Besitz von Graf Heinrich von Württemberg († 1519). Zu seinen Büchern vgl. zuletzt Felix Heinzer, in: Der württembergische Hof im 15. Jahrhundert, 2006, S. 149-163, Freidok). Abbildung 47 des Stuttgarter Inkunabelkatalogs zeigt den aufwändig geschmückten Textbeginn des Iustinianus Nr. 3512, der erst bei der Inkunabelerschließung entdeckt wurde. In meiner 1987 gedruckten Dissertation (Exemplarische Geschichten, S. 36 Anm. 40, HathiTrust) und meinem Lebensbild Heinrichs (in: Württemberg und Mömpelgard 600 Jahre Begegnung, 1999, S. 107-120, hier S. 117, online) hatte ich nur Nr. 332 nennen können. Ich hatte zunächst vergeblich, einer Notiz von Christoph Friedrich Stälin: Zur Geschichte und Beschreibung alter und neuer Büchersammlungen im Königreich Würtemberg (Separatausgabe 1838), S. 35 (MDZ) folgend, nach einem Ovid-Druck gesucht und ohne Erfolg Amelung um Auskunft gebeten. Der kannte, wie sich später herausstellte, den Band sehr gut, da er für sich die Erforschung der Bücher der württembergischen Herrscher reserviert hatte. Ich hätte gezielt nach Andreas Capellanus fragen müssen! Heute gibt man buch ovidii liebe in Google ein und kommt damit sofort auf Hinweise, die einen binnen kurzem zum Capellanus leiten.


Nr. 3512 (Provenienz Heinrich von Württemberg)
Nr. 3655 Der in einer Urkunde, die aus dem früher den Esslinger Dominikanern gehörenden Band gelöst wurde, genannte Notar Otto de Specke aus der Diözese Halberstadt (nicht im Register) war an der Kurie in Rom tätig, vgl. das PDF von Thomas Frenz.
Nr. 3744 Der Regensburger Kanoniker Johannes Peck soll “um 1502″ gelebt haben. Eine Quelle wird nicht angegeben. Nach seinem Grabstein im inschriften.net (DI 74, Nr. 316) starb er bereits 1498. “Die Jahreszahl 1502 stammt aus dem GND-Satz zu Johannes Peck”, teilte die WLB mit. Es liegt auf der Hand, dass die beiden Personen nichts miteinander zu tun haben.
Nr. 4359 Zur Provenienz der Brixener Klarissen vgl. Carsten Scholz: Spuren und Konturen zweier Klosterbibliotheken. Inkunabelfunde aus dem Besitz der Brixener und Klarissen und Franziskaner. In: Gutenberg-Jahrbuch 2015, S. 203-215, hier S. 208f. zu den Stuttgarter Exemplaren.
Nr. 4377-4381 Ich habe die Stuttgarter Exemplare von Thomas Lirers Schwäbischer Chronik für meine Dissertation “Exemplarische Geschichten” (1987) eingesehen und meine damaligen Notizen (einschließlich aller Fehler) jetzt auf Wikimedia Commons zugänglich gemacht: Commons. Thomas Lirer ist ein Pseudonym, der Name des angeblichen Ich-Erzählers, der sich am Ende der fiktiven Chronik zum Datum 1133 nennt. Die Titelansetzung von INKA bzw. Renner et al. “Chronik von allen Königen und Kaisern” halte ich für verfehlt, da sie sich nur auf den zweiten Teil bezieht, den ich, anders als das Verfasserlexikon, “Gmünder Kaiserchronik” nenne, da es mehr als eine “Gmünder Chronik” gibt. Der GW hat “Chronik. Gmünder Chronik”, ISTC: “Schwäbische Chronik. Add: Gmünder Chronik bis 1462″, BSB-Ink: “Schwäbische Chronik”. Man sollte die eingeführte und zutreffende Bezeichnung “Schwäbische Chronik” beibehalten: “Pseudo-Thomas Lirer: Schwäbische Chronik. Anhang: Gmünder Kaiserchronik”. Die erste Ausgabe erschien (nach der überzeugenden Argumentation Peter Amelungs) undatiert bei Konrad Dinckmut in Ulm schon im Herbst 1485 (Nr. 4377-4378), gefolgt von der weitverbreiteten Ausgabe vom 12. Januar 1486 (Nr. 4379-4380). Vergleichsweise wenige Exemplare existieren von dem Druck vom 17. August 1486, keines in Stuttgart. Wieder vertreten ist Bartholomäus Kistlers Straßburger Druck (nicht vor 22. Juli 1499, Nr. 4381).
Nr. 4377 weist viele handschriftliche Anmerkungen aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts auf. Hervorzuheben ist das “Jahreszahlrätsel” auf die Eroberung des Hohenzollern 1423, vgl. Johannes Bolte, in: Zeitschrift des Vereins für Volkskunde 10 (1900), S. 190 (Internet Archive). Nr. 4378 ist angebunden an Nr. 3243. Die durchgehenden handschriftlichen Stichworte in der Lirer-Chronik werden im Katalog nicht vermerkt. Den Vorbesitzer von Nr. 3243 las ich “Schweyll”. In Nr. 4379 wurde eine Reihe fehlender Blätter im 16. Jahrhundert ergänzt, offenbar nach dem Exemplar eines Stadtschreibers. Am Schluss stehen historische Notizen, Straßburger Ereignisse 1480-1495 betreffend, von einer Hand des 18. Jahrhunderts. Die handschriftlichen Anmerkungen von Nr. 4381 hatte ich versucht, vollständig zu erfassen.
Die interessanteste Mitüberlieferung der Lirer-Drucke bietet Nr. 4380 – Inc.fol.10117 (HB) – aus dem Besitz des Tübinger Schlosshauptmanns Nikolaus Ochsenbach († 1626). Als “Schwäbische Chronic” erscheint sie im Bücherverzeichnis Ochsenbachs von 1625 (Beschreibung der Rüstkammer, WLB Cod. misc. fol. 34, Bl. 55r). Die kolorierte Federzeichnung aus einer deutschen Heiligenleben-Handschrift des 15. Jahrhunderts ist Abbildung 49. Zur Sammlung Ochsenbach ist grundlegend: Magda Fischer: Die Handschriften der ehemaligen Hofbibliothek Stuttgart Bd. 5 (1975), S. 89-108 (vorliegendes Stück wird kurz erwähnt S. 92, ManuMed). Ein handschriftlicher Beiband (bis Bl. 145) wird eröffnet mit einem Eintrag unter dem Kolophon des Drucks (Bl. 69) mit der Ankündigung eines unvollständig abbrechenden Texts zur römischen Geschichte, gedruckt im goldenen Jahr 1500 in Rom am Campo Flore, “von mir Valentino Salomon beschriben” am 29. Mai 1600. Dieser Name hätte im Katalog nicht fehlen dürfen. Über den Maler und Dichter Valentin Salomon von Fulda, der sich vor 1569 in der Gegend von Horb niederließ und mit der Erstellung adeliger Genealogien Einnahmen generierte, ist jetzt heranzuziehen Jan Ilas Bartusch: Die Inschriften des Landkreises Freudenstadt (2016), S. 37f. Aus dem handschriftlichen Inhalt hebe ich hervor: Bl. 71v-72v ein Quaternionentext (im Katalog unpräzise: “über die Reichsstände”). Bl. 73r-v mit der Schand-Liste der Tübinger Adeligen, die bei der Belagerung des Tübinger Schlosses durch den Schwäbischen Bund 1519 anwesend waren (Abbildung der Schandtafel), hat eine Parallelüberlieferung in der von Fischer 1975 S. 60f. beschriebenen Sammelhandschrift des Johann Hermann Ochsenbach WLB Cod. HB XV 103. Das gilt auch für die Tübinger Rektorenliste Bl. 93r-97v, die Gründe, wieso die Universität Tübingen nicht das Landrecht annehmen solle Bl. 143, und “Was fahrende Habe sei” Bl. 145. Bereits Fischer hat angegeben, welche Texte von HB XV 103 mit dem Inkunabelanhang übereinstimmen. Zu dem im Katalog als Aufzählung der Respondenten an der Tübinger Universität 1540-1592 bezeichneten Aufstellung notierte ich mir, es handle sich um Tübinger juristische Doktorpromotionen. Die Sterbe- und Hochzeitseinträge auf dem hinteren Spiegel betreffen die Truchsessen von Höfingen und andere Adelsfamilien 1499-1507. Ob alles stimmt, was ich vor über 30 Jahren exzerpierte?
Nr. 4622 Einen Ort Dirmetingen gibt es nicht. Der Vorbesitzer Michael Viselius war aber der um 1632 tätige Seelenhirte Michael Visel von Dürmentingen, Landkreis Biberach, wie man auf der Website der Gemeinde lesen kann.
Nr. 4844 Zum Schwäbisch Gmünder Buchbesitzer Christoph Gösswein hätte der (weitgehend unbelegte) Eintrag im Provenienzregister des Tübinger Katalogs nicht entgehen dürfen.
Nr. 4864 Die Suche nach vorstensis anradij führt bei Google sofort zu dem Biogramm des Johannes Anrath von Kempen bei Joachim Vennebusch, in: Quellen und Beiträge aus dem Propsteiarchiv Kempen 2 (1994), S. 162f. (Auszug GBS). Aber auch ohne die Segnungen des weltweiten Netzes hätte man ganz traditionell ohne stundenlanges Mühen herausbekommen können, dass der Pastor Vorstensis in Vorst, Stadtteil von Tönisvorst, wirkte.
Nr. 4920 Der Ulmer Dr. legum Johannes “Meschpach”, Wohltäter von Buxheim, hieß richtig Weschpach (Wespach), und man könnte zu ihm den Inkunabelkatalog von Oxford (Weschbach) oder auch IPI (Wessbach) zitieren. Das RAG hat ihn unter Weschbach.
Nr. 5097 In der beigebundenen Sammelhandschrift könnte sich “Nicolaus Wagner Knebellio suo s. [Stammbäume de Burgow]” auf den Kaisheimer Zisterzienser und Chronisten Johannes Knebel († 1532) beziehen. Anders als ich dachte, ist “Burgow” nicht Burgau, denn die WLB teilte mit: “Die Stammbäume beziehen sich auf die Grafen von Burgos, die durch Heirat auch mit deutschen Adelsgeschlechtern verwandt waren. Das späteste hier genannte Jahr ist 1497 als Todesjahr einer Gräfin von Burgos. So kann man davon ausgehen, dass diese Handschrift um 1500 herum entstanden ist”. Das ist natürlich noch spannender, denn Handschriften zur genealogischen Kultur aus dieser Zeit sind rar, und jedes weitere Zeugnis ist willkommen.
Nr. 5138 Die beigebundene Sammelhandschrift, deren Umfang nicht angegeben ist, wurde von einem Hirsauer Mönch Johannes Zelter (der Name fehlt in Klaus Schreiners “Untersuchungen” 1964) 1448 geschrieben und vermehrt in erfreulicher Weise die kleine Zahl Hirsauer Handschriften (vgl. Felix Heinzer in der oben genannten Hirsau-Festschrift 1991 und dann in seiner Aufsatzsammlung: Klosterreform und mittelalterliche Buchkultur im deutschen Südwesten, 2008, S. 85-167). Leider findet man sie nicht im Register unter Hirsau.
Nr. 5158 Der Welser Priester “Bisengerinus” hieß in Wirklichkeit Eysengeringer. Ich habe, anknüpfend an ältere Artikel von Kurt Holter, 2012 einige Angaben zu ihm und seiner Schenkung an die Lambacher Benediktiner zusammengestellt: https://archivalia.hypotheses.org/9079.
Nr. 5319 Der Band aus dem Besitz des Dr. med. Johann Sebastian Storr “Gamundianus” kam aus der Ellwanger Gymnasialbibliothek nach Stuttgart. Nach dem Handbuch der historischen Buchbestände erwarben die Ellwanger Jesuiten vom Gmünder Stadtarzt Johann Sebastian Storr 1682 seine Bibliothek (ebenso Hummel 1983, S. 67, ohne Quellenangabe). Ich habe ihm einen kurzen Beitrag gewidmet: https://archivalia.hypotheses.org/98519
Nr. 5725 Es wird nicht begründet, wieso Maria Jacoba Welserin dem Kloster Geisenfeld zuzuweisen ist.
Nr. 5827 Der Besitzer des Bandes kaufte ihn 1479 in Rom. Seine vielen handschriftlichen Einträge verdienen nähere Prüfung. Erwähnt wird ein lateinisches Epigramm (statt “Epigramina” ist “Epigramma” zu lesen) “Engelhardi Funck” über eine Tiberüberschwemmung angeblich im Januar 1496. Das ist – unerkannt und auch nicht in das Register aufgenommen – der auch als Scintilla bekannte Humanist Engelhard Funck († 1513). Klaus Arnold nennt den Stuttgarter Überlieferungszeugen in seinem Artikel im VL Humanismus Bd. 1 nicht. Sechs Verse Funcks über die gewaltige Tiberüberschwemmung im Dezember 1495 sind in den beiden berühmten Wimpfeling-Sammelhandschriften in Uppsala und Chicago überliefert (nach Kristellers Iter Italicum) und wurden gedruckt von Hugo Holstein in der Zeitschrift für vergleichende Litteraturgeschichte NF 4 (1891), S. 456 (Internet Archive) nach Uppsala Bl. 48r. Das Datum Januar 1496 dürfte sich wohl auf etwas anderes beziehen.
Nr. 5866 In der beigebundenen astronomisch-astrologischen Sammelhandschrift (56 Bl., angeblich 15. Jahrhundert) erregt Teil 4 die Aufmerksamkeit: “Jacobus ad Johannem Haffurt: Prognostikon auf das Jahr 1500, Antwort des Johannes Haffurt”. Spitze Klammern legen den Verdacht nahe, das sei ein identifizierender Zusatz, und es müsse Jakob Wimpfeling († 1528) gemeint sein. Von einem solchen Text und einem Kontakt zu Johannes Virdung aus Haßfurt (so ist statt Haffurt zu lesen) berichten Joseph Knepper (1902) und Dieter Mertens (im VL Humanismus Bd. 2) nichts, auch nichts von einer astrologischen Schrift Wimpfelings. Doch hat es diese Verbindung gegeben, wie aus Oliver Duntze: Ein Verleger sucht sein Publikum (2007), S. 97f. hervorgeht. Der von ihm zugrunde gelegte Hupfuff-Druck der deutschen Practica Virdungs auf das Jahr 1500 liegt nur in einem Exemplar in Tschechien vor (GW M5075110), und das ist, soweit bekannt, nicht online verfügbar. Doch beginnt auch der Heidelberger Druck (GW M50749), einsehbar in Berlin (Digitalisat der SB) mit einer Anrede an “Jacoben Wimpfling von Sletstat”. Der Text ist nicht einfach zu verstehen, doch ist von “ewer bit” die Rede, also einer Bitte Wimpfelings um astrologische Belehrung, der Virdung trotz seiner begrenzten Fähigkeiten aus Dankbarkeit nachkommen will. Die Formulierung “von vch vffgelegt” verstehe ich nicht und bin geneigt, “vssgelegt” (ausgelegt) zu emendieren. Dann hätte Wimpfeling also eine astrologische Auslegung an Virdung übersandt und dieser geantwortet. Inc.qt.13393 (HB) enthielte dann die (sicher ursprüngliche) lateinische Fassung dieser Korrespondenz und einen bisher unbekannten Wimpfeling-Text!
Nr. 5889 In beiden Bänden, die vom Domkapitel Konstanz nach Weingarten kamen, findet sich ein Sterbevermerk des Schenkers, des Apothekers Johannes Mancz, der im Kreuzgang des (Konstanzer?) Klosters oder Stifts, dem er die Bücher zugeeignet hatte, begraben lag: Dienstag nach “Sant Clarren tag” 1480. Das Wenige, was ich über den Konstanzer Apotheker Hans Manz herausfand, habe ich in Archivalia dokumentiert: https://archivalia.hypotheses.org/98702
Nr. 5912 Über Gregor Raminger genannt Engelhard, der nicht nur dieses Buch der Nördlinger Ratsbibliothek schenkte, und seine Bücher hat gehandelt: Otto Glauning: Der Holzdeckelkatalog in der Stadtbibliothek zu Nördlingen. Das Bücherverzeichnis eines Geistlichen aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. In: Jahrbuch des Historischen Vereins für Nördlingen und Umgebung 6 (1917), S. 19-72 (PDF).
Nr. 5918 Es ist decanus statt “dacanus” zu lesen, wie die WLB bestätigte.
Nr. 6377 Im Register erscheint Dunnersdorf ohne jegliche Identifizierung, leider kein Einzelfall. Es gibt heute keinen solchen Ort, aber über die Nennung von Astheim in der provenienzverwandten Nr. 6732 wird rasch klar, dass Donnersdorf (Landkreis Schweinfurt) gemeint ist.
Nr. 6471 Kurz googeln und man hat den Vornamen des Wasserburger Pfarrers Gegenbauer: Max Joseph.
Nr. 6520 Das handschriftliche Epitaphium Heinrich Bebels auf Konrad Summenhart ist nicht in dem Überlieferungskatalog des Bebel-Projekts von Dieter Mertens zu finden (PDF im Internet Archive).
Nr. 6546 Handschriften und Inkunabeln aus dem Franziskanerinnenkonvent Oggelsbeuren stellte ich 2012 zusammen: https://archivalia.hypotheses.org/9109. Die Randbemerkungen in diesem Druck untersuchte Henrik Otto: Vor- und frühreformatorische Tauler-Rezeption (2003), S. 293 u.ö.
Nr. 6817 Der 1513 datierte Eintrag über die Schenkung des geistlichen Kompendiums der Bursfelder Reform von Kloster Hirsau an Kloster Lorch stammt von der Hand des Lorcher Benediktiners Augustin Seitz, was ich 1995 publizierte (in: Von Schwaben bis Jerusalem, S. 214 Anm. 28, Freidok, mit falscher Richtung der Schenkung). Zuvor hatte Heinzer das Stück in seiner Hirsauer Bibliotheksgeschichte (1991, S. 295) erwähnt.
Nr. 6949 “Ballenstad, Jo… (Ballenstadius), Rektor in Helmstedt, M. 18. Jh.” Auch wenn 1766 ein Buchtausch in Helmstedt stattfand, war Johann Arnold Ballenstedt mitnichten dort Rektor, sondern in Schöningen, weiß Wikidata.
Nr. 6984 Der Gmünder “thoma kellin” ist der Theologe Thomas Köllin († 1524), über den die Wikipedia die nötigen Aufschlüsse gibt. Um ihn zu finden, hätte man einfach nur nach thomas kellin gmünd googeln müssen!
Zeitgemäße Inkunabelkataloge müssen unbedingt bei jeder einzelnen Provenienzangabe genaue Nachweise vorhalten, seien es Literaturtitel oder Internetquellen. Die Grenze zwischen Schludrigkeit und dem Nichtauffinden versteckter Belege ist fließend. Wissen über Provenienzen wurde im Laufe der letzten Jahrzehnte in den unterschiedlichsten Kontexten erarbeitet und ist viel zu häufig nicht trivial zu finden. Gleiches gilt übrigens auch für die oben angesprochenen inhaltlichen Aspekte (Verfasserschaft und Textinformationen). Diese weit voneinander getrennten Informationen im Internet und Open Access zusammenzuführen, ist aus meiner Sicht eine weit wichtigere Aufgabe, als Unsummen für die Erstellung eines Katalogs in klassischem Buchdruck aufzutreiben. Es ist absurd, Material über Material anzuhäufen, ohne für eine angemessene Erschließung Sorge zu tragen.
Die INKA-Provenienzdatei ist in einem jämmerlichen Zustand, obwohl sie im Verbund mit anderen Ressourcen ein wichtiges Werkzeug sein könnte. Es gibt ein deutsches Provenienz-Wiki, eine Provenienz-Mailingliste, Angebote von CERL (nicht nur IPI, sondern auch MEI), Erfassung von Provenienzen für die Gemeinsame Normdatei GND. Es gibt diverse nicht miteinander vernetzte Bücherzeichen-Bilddatenbanken, viele OPACs mit Provenienzangaben, von den unzähligen historischen und aktuellen gedruckten Katalogen mit Provenienzinformationen (in unterschiedlicher Dichte) ganz abgesehen. Nicht zu vergessen die Provenienzangaben in den Verkaufs- und Auktionskatalogen der Händler. Needhams IPI ist ein grandioses, viel zu wenig bekanntes Hilfsmittel, aber längst nicht erschöpfend. Niemand kann alle diesen Quellen im Blick haben. Die Fehlleistungen des Stuttgarter Katalogs zeigen, dass selbst naheliegende Quellen wie BSB-Ink oder Bod-Inc nicht ausgewertet werden. International verstreutes Provenienz-Wissen muss unbedingt besser zusammengeführt werden, denn Mehrfacharbeit frisst Ressourcen, die anderweitig besser investiert wären.
Forschungsförderer sind für solche biedere Grundlagenarbeit kaum zu begeistern. Angesagt sind innovative und in flottem Jargon formulierte Projekte. Von daher scheint kolloboratives Arbeiten an Provenienz-Wissensbeständen, scheint Crowdsourcing, gern auch als Citizen Science, alternativlos. Seit Jahren träume ich von einem internationalen, mehrsprachigen Wiki zu Provenienzinformationen, das sich an positiven Features der Wikipedia orientieren könnte: einfache Bedienung, offener Zugang und flache Hierarchien, Multimedia-Einbindung, Querverweise und jede Menge Hyperlinks, etwa zu Digitalisaten. Bilder von Provenienzmerkmalen gibt es in INKA (und sogar im jüngeren MEI von CERL) bislang unverständlicherweise nicht, obwohl das Erstellen solcher Scans kaum noch Kosten verursacht. Der Tafelanhang im Stuttgarter Katalog ist zu sehr auf ästhetische Stücke fixiert, wenngleich auch etliche provenienzgeschichtlich relevante Abbildungen vertreten sind.
Die Zeit wäre an sich reif für eine entschiedenere Kultur der Zusammenarbeit bei dem digitalen Zusammenführen von Provenienz-Wissen!
Register
Jeder gute Inkunabelkatalog braucht ausgezeichnete Register. Thomas Carlyle wird der Ausspruch zugeschrieben: “Ein Register ohne Buch hat mir manchmal genützt, ein Buch ohne Register nie”. Leider sind in den Stuttgarter Bänden sowohl gravierende konzeptionelle Schwächen als auch vermeidbare Schlampigkeiten im Detail zu konstatieren.
Neben einem umfassenden Hauptregister gibt es Register der Provenienzen (siehe oben), der Drucker und Verleger und der Buchbinder und Einbandgruppen. Das in der Reihe übliche Hauptregister, das Verfasser (und andere Beteiligte) und anonyme Titel, aber auch die Lemmata aus den folgenden Registern aufnimmt, ist eigentlich eine gute Idee, da man bei einem Ort sofort sieht, ob neben einer Provenienz auch eine Einbandwerkstatt existiert. Dieses Prinzip wird natürlich verfehlt, wenn im Stuttgarter Katalog die Einbände der Kartause Güterstein unter B (Bad Urach) und die Provenienzen unter G (Güterstein) verzeichnet werden. Der Tübinger Inkunabelkatalog hatte das Kloster, ebenso wenig überzeugend, im Hauptregister unter U (Urach) einsortiert und zwar ohne Querverweis bei G.
Es leuchtet allerdings nicht ein, wieso die seitenlangen Listen zu den Vorgängerinstitutionen der WLB doppelt abgedruckt werden müssen (Hauptregister S. 2411-2421 und Provenienzregister S. 2486-2496). Konsequenz ist in diesem Fall einfach nur unsinnig, ein Verweis hätte genügt.
Angeblich ist das Hauptregister auch ein Register der Sachen. Unter anderem, heißt es S. 2321, “Provenienzen, Exlibris, Einbände und Handschriften”. Das stimmt nur für Provenienzen und Einbände, weder Exlibris noch Handschriften werden verzeichnet. Es gibt allerdings ein Lemma Einband, Makulatur (Drucke und Handschriften werden nicht unterschieden). Es gibt Verweise von den Ordensgemeinschaften zu den Orten, und man findet alle Antiquariate mit Verweisen zu ihren Orten auch unter Antiquariat. Das ist es aber auch schon im wesentlichen in Sachen Sachen, und das ist eigentlich skandalös. Gute Kataloge der letzten Jahre haben sich selbstverständlich bemüht, Buchschmuck, Handschriftliches, Kaufvermerke usw. in Registereinträgen zu erschließen. Zwar bin ich mit dem Tübinger Katalog in dieser Hinsicht nicht sonderlich zufrieden, aber er hat doch wenigstens die handschriftlichen Fragmente übersichtlich aufgelistet. Jürgen Geiß bemängelte am Tübinger Katalog, dass “Registereinträge zu so wichtigen Merkmalen wie Probedrucken, Postinkunabeln, handschriftlichem Buchschmuck, Blattweisern, Kettenbänden, Einbandbeschlägen, Kauf- und Preisvermerken fehlen” (IFB). Schmitz hat in seiner Besprechung des vorliegenden Werks (wie oben) eine ganze Reihe interessanter druckgeschichtlicher Details zusammengestellt, die eigentlich in das Register gehört hätten. Dass in der Einleitung auf einige Beispiele von manuell eingefügten Illustrationen (S. 84f.) oder Wappen (S. 84 Anm. 288) aufmerksam gemacht wird, ist kein Ersatz für entsprechende Register-Lemmata.
Für die Familienaufzeichnungen, im Katalog uneinheitlich als Familienchronik oder Familiennachrichten bezeichnet, sollte es ein eigenes Lemma geben: Nr. 126, 586, 1283 (Bibel), 1325 (Bibel), 1339 (Bibel), 1877, 3482, 4380 (siehe oben), 5142, 5270 (ohne Garantie, dass die Liste vollständig ist).
Aufschlussreich wäre es zu wissen, welche Buchbesitzerinnen es gab. Da stößt selbst die Volltextsuche an ihre Grenzen. “Maria M.”, die einige der Herrlisberg-Bücher ihr eigen nannte, könnte eine Frau gewesen sein. Die meisten im Provenienzregister genannten Frauen werden Nonnen sein.
Eine Volltextsuche kann zwar ein gutes Register ergänzen, aber nicht ersetzen. Allein bei den Formulierungen der Kaufvermerke (comparavi, comparavit, emtus, emptus, empt. usw.) wird der Forscher sicher nicht alle parat haben. Und im Stuttgarter Datenbestand von INKA verhindern die ärgerlichen eckigen Klammern das Finden von empt[us].
Es muss sichergestellt sein, dass ausnahmslos alle Namen, die in exemplarspezifischen Beschreibungen erscheinen, im Register aufgenommen werden. So werden Autoren handschriftlicher Beigaben allenfalls durch Zufall gefunden, weil niemand über 2100 Seiten Beschreibungen daraufhin durchliest. Jakob Wimpfeling erscheint zwar als Verfasser im Hauptregister, aber nicht als Autor des in Nr. 2858 handschriftlich eingetragenen Distichons und auch nicht als Gegenstand einer Eintragsfälschung in Nr. 3668, von der höchst spannenden Nr. 5866 (siehe oben) ganz abgesehen. Es fehlen die in der Urkundenmakulatur genannten Namen, es fehlen die Namen der Notare usw. Eingang gefunden haben lediglich die Vorbesitzer, was sehr ärgerlich ist.
In Registern sollte man nie mit Querverweisen geizen. Nr. 3268 stammt aus dem Dominikanerinnenkonvent Maria Medingen in Mödingen (bei Dillingen), aber man findet ihn nur unter Mödingen, nicht unter Maria und nicht unter Medingen, obwohl das Kloster unter anderem in in der germanistischen Forschung, die gern Stücke aus dem benachbarten Dominikanerinnenkonvent Medlingen in Obermedlingen irrtümlich Medingen zuweist, fast nur unter Medingen bekannt ist. Wer die Angehörigen des Hauses Württemberg sucht, muss das ganze Provenienzregister durchgehen, denn sie wurden nur unter den Vornamen verzeichnet, nicht unter Württemberg. Dagegen findet man Graf Wolfgang von Fürstenberg nur unter F, nicht unter W.
Eine systematische Kontrolle der Register ist selbstverständlich im Rahmen dieser Besprechung nicht möglich, aber was mir bei der Durchsicht auffiel, lässt doch auf auch hier mangelnde Sorgfalt schließen. Eher zur Schlampigkeit als zu den konzeptionellen Mängeln möchte ich rechnen, dass im Provenienzregister bei Stuttgarter und Ulmer Institutionen die Verweise zu namentlich bekannten Angehörigen fehlen. Bei Weißenau werden also der Abt Bonaventura Brem und andere Konventualen mit “siehe” angeschlossen, aber es wird unter dem Lemma Ulm im Unterpunkt “Augustiner-Chorherrenstift zu den Wengen” nicht auf den Namen des Propstes Ambrosius Kautt oder anderer Chorherren verwiesen. Man kommt natürlich nicht auf die Idee, dass es ein eigenes Lemma Wengen gibt, das nur die einschlägigen Seitenzahlen der Einleitung und die vermissten Verweise enthält.
Zu den im Provenienzregister vergessenen Lemmata Alyspach, Coccinius und Körner, die oben bereits angemerkt wurden, kommt noch hinzu: Der Vorbesitzer von Nr. 5527, der Kanoniker Johann Anton Gavoni, wurde ebenfalls übergangen. Bei Blaubeuren ist nicht nachvollziehbar, wieso auf die S. 49-50 verwiesen wurde. Gar nicht hilfreich ist die Ansetzung von Wilhelm Werner von Zimmern unter Zymmern.
Niemand ist unfehlbar. Je umfangreicher ein Werk ist, umso mehr Fehler werden sich unbemerkt einschleichen. Man mag imaginieren, dass der Inkunabelspezialist Peter Amelung aus einem solchen Werk ein bibliographisches Fest gemacht hätte. Aber auch bei entsprechend reduzierten Ansprüchen und dem Zugeständnis, dass der vorliegende Katalog längst nicht alles falsch gemacht hat, bleibt bei mir doch ein großes Unbehagen. Die Aufgabe war zu groß, und die verfügbaren Kräfte zu gering. Die so stolze Stuttgarter Inkunabelsammlung hätte einen besseren Katalog verdient.

Klaus Graf

via https://archivalia.hypotheses.org/98966

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