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Mittwoch, 31. Juli 2019

Kritische Betrachtungen zum Gesundheitssystem aus der Perspektive eines Neurochirurgen / Dag Moskopp. In: bpb 17.07.2019

Patienten jedweden Alters kommen zum Neurochirurgen (oder werden gebracht) mit der Frage, ob sich Erkrankungen oder Verletzungen des Nervensystems durch eine Operation heilen oder lindern lassen. Der folgende Beitrag argumentiert vor dem Hintergrund konkreter Erfahrungen: Seit über zwölf Jahren leitet der Autor ein 14-köpfiges Neurochirurgen-Team aus fünf Nationen an der ältesten Klinik Deutschlands in kommunaler Trägerschaft (eröffnet 1874) – in einem Krankenhaus mit derzeit 1.000 Betten für zwei Dutzend medizinischer Fachdisziplinen im Friedrichshain. In der Rettungsstelle dieses Klinikums werden täglich 150 bis 300 körperlich oder seelisch Erkrankte und Verletzte gesehen – nicht selten alte, vereinsamte Menschen, Obdachlose sowie Drogen- und Alkoholabhängige. Andererseits werden speziell in die Neurochirurgie geplant Patienten mit komplexen Tumoren oder Verschleißerscheinungen des Schädels und der Wirbelsäule sowie Patienten mit Hormonstörungen durch Erkrankungen der Hirnanhangdrüse zugewiesen. 
Häufig wird nach operativen Möglichkeiten der Verbesserung der Hirndurchblutung gefragt, etwa durch die mikro-neurochirurgische Anlage eines ,Bypass‘, bei dem die Schlagadern mit Fäden genäht werden, die halb so stark sind wie Frauenhaar. Der Autor nimmt aktiv am Bereitschaftsdienst teil. Im Jahr 2017 wurde er vom Chefarztkollegium zum ehrenamtlichen Ärztlichen Direktor des Klinikums gewählt.
Auf der Basis dieser Erfahrungen – und das bedeutet eben: aus einem persönlichen Standpunkt heraus – soll im Folgenden auf zwei latente Probleme des deutschen Gesundheitswesens aufmerksam gemacht werden: Es handelt sich dabei um ein (bio-)ethisches und um ein ökonomisches Problem. 


In der Neurochirurgie spielen Fragen der Medizinethik, besonders der Ärztlichen Ethik, der Klinischen Ethik und der Pflegeethik eine Rolle. Neben dem beruflichen "Know how" der praktizierenden Ärzte und Pflegekräfte geht es stets auch um Verantwortung und Anerkennung in der lebendigen Beziehung zum Patienten, der grundsätzlich seine Autonomie bewahrt und dessen Würde die Leitlinie der Neurochirurgie bildet. Im Weiteren sollen einige Problemfelder beschrieben werden, in denen die ethischen Leitlinien zugunsten situativer Entscheidungen vernachlässigt oder "gebeugt" werden müssen; dazu zählen: Paternalismus bspw. in Fällen von Drogenabhängigkeit etc. Darüber hinaus werden strukturelle Probleme des Gesundheitssystems markiert, die aufgrund eines Überhangs von ökonomischen und verwaltungstechnischen Paradigmen generiert werden.  
Das ethische Problem
Früher galt das Wohlergehen des Patienten als höchstes Gut in der Medizin (Salus aegroti suprema lex). Im Rahmen einer erstarkenden Patienten-Autonomie wird heutzutage dessen Selbstbestimmung primär favorisiert (Voluntas aegroti suprema lex). Beide Begriffe sollen zunächst umrissen werden, um anschließend ihr Verhältnis ethisch näher bestimmen zu können:

  • Unter Wohlergehen (salus) lassen sich körperliche und seelische Gesundheitsmomente fassen. Nach Ansicht des Autors gehört sicher nicht hierzu: verletzt, getreten, misshandelt, mit Drogen abhängig gemacht und in die Illegalität getrieben zu werden. In die Bestimmung des Wohlergehens im Sinne eines ethischen Maßstabs für Mediziner spielen sowohl Beobachtungen des Arztes als auch das Erleben und Empfinden des Patienten hinein; im besten Fall bringt ein Gespräch Aufschluss über die Gesamtsituation.
  • Würde, Autonomie und Freiheit sind die Grundlagen des zweiten Prinzips. Ein Recht auf Selbstbestimmung (voluntas) zählt zu den verfassungsmäßig geschützten Grundrechten einer jeden Person. Im konkreten Fall setzt ein autonomer Entschluss allerdings Bewusstsein und Geschäftsfähigkeit voraus. Auch hier müssen Umstände und die wechselseitige Beziehung Arzt-Patient berücksichtigt werden. ... [mehr] https://www.bpb.de/gesellschaft/umwelt/bioethik/292559/kritische-betrachtungen-zum-gesundheitssystem

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