Kanada ist Ehrengast, ist »Guest of Honour«, ist »Invité d‘Honneur«
der Frankfurter Buchmesse 2020. Am letzten Messetag 2019 hat Norwegen
die Rolle an das nordamerikanische Land übergeben. Anwesend war keine
geringere als die bekannteste kanadische Autorin: Margaret Atwood.
Das Motto des kommenden kanadischen Gastlandauftritts lautet »Singular Plurality«,
was mit »einzigartige Pluralität« vielleicht etwas zu unpoetisch
übersetzt sein mag. Tatsächlich ist Kanada die Darstellung seiner
kulturellen Vielfältigkeit sehr wichtig. Englisch und Französisch sind
gleichberechtigte Nationalsprachen, allerdings sind bei weitem nicht
alle Kanadier zweisprachig, wie man es vielleicht denken könnte. Gerade
die kleineren frankophonen Regionen müssen sich immer wieder gegen die
englischsprachigen behaupten, hinzu kommen die vielen Sprachen und
Dialekte der indigenen Volksgruppen, um deren Gleichstellung das Land
ebenfalls bemüht ist.
Doch selbst Margaret Atwood, Kanadas berühmteste Autorin, muss zugeben,
dass ihr Französisch nicht das beste sei. Atwood, die in einem Monat
ihren 80. Geburtstag feiern kann, war das letzte Mal 2017 nach Frankfurt
gekommen, um den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels in Empfang zu
nehmen. Als die prominenteste literarische Vertreterin ihres Landes
kehrte sie nun zurück.
Es ist eine Freude, Margaret Atwood in Frankfurt zu erleben. Zudem ist
gerade ihr neuestes Buch »Die Zeuginnen« erschienen, eine Art
Fortsetzung von »Der Report der Magd«. Die Zeiten machten es
erforderlich, so erzählt sie es auf der Literaturgala am Samstag. Nie
hätte sie das damals im Jahre 1984 geglaubt, als »Der Report der Magd«
erschienen ist. Dass das Buch mittlerweile als Netflix-Serie zu sehen
ist, hat Erfolg und Aktualität des Themas verstärkt. Erst vor einer
Woche erhielt »Die Zeuginnen« den Booker Prize
Margaret Atwood, die mit der Maddaddam-Trilogie im Jahre 2003 eine
dystopische Post-Klimawandel-Geschichte geschrieben hatte, bekundet auf
der Buchmesse wiederholt ihre Sympathie mit der
Extinction-Rebellion-Protestbewegung. Wäre sie noch jünger, so Atwood
bei der Zeremonie zum Gastlandwechsel, würde sie sich an den Blockaden
der Bewegung beteiligen.
Hierzulande ist die literarisch-kanadische Dichte ein Jahr vor der
nächsten Buchmesse noch nicht sehr hoch. Welche kanadische Autorin,
welcher Autor fällt einem noch ein? 200 weitere Werke sollen daher
spätestens bis zur Buchmesse 2020 ins Deutsche übertragen sein, sagt
Caroline Fortin, Verlegerin aus Montreal und Präsidentin von
#CanadaFBM2020 bei einem Pressetermin am Messe-Donnerstag. Gereicht
werden Blueberry-Muffins und Ahornsirup.
Auf der Bühne sitzen die hierzulande weniger bis nicht bekannten Autoren
J. D. Kurtness, Lisa Moore und Christian Guay-Poliquin und beantworten
harmlose Fragen (Was bedeutet Schreiben für Sie?) mit Allgemeinplätzen,
aber abwechselnd auf Englisch und Französisch. Lisa Moore hat bereits
drei Bücher auf Deutsch beim Hanser Verlag veröffentlicht, und die
Presseverantwortliche des Verlags nutzt den Termin für ein persönliches
Kennenlernen. »In Kanada läuft das nicht so, dass man einen
kanadischen Autor zum Essen einlädt, wenn man etwas über die dortige
Literaturlandschaft erfahren möchte«, berichtet Messe-Direktor Juergen
Boos. »Es müssen mindestens drei sein: ein Vertreter der
englischen, der französischen und der indigenen Sprachen.« Bei 10
Provinzen habe Kanada zudem 14 Autorenverbände, so Caroline Fortin. Man
wolle jede Kanadierin und jeden Kanadier in das Projekt miteinbeziehen.
Die ersten Gespräche über Kanada als Ehrengast der Frankfurter Buchmesse
wurden schon vor 30 Jahren noch unter seinem Vorgänger begonnen, sagt
Boos.
Künstlerisches Highlight des Kanada-Termins am Donnerstag ist die
indigene Cellistin Cris Derksen, die mit Loops arbeitet und die zu ihrer
Musik gesprochene Ausschnitte aus Büchern kanadischer Autorinnen und
Autoren einspielt, in Englisch, Französisch und indigenen Sprachen. Man darf also auf die Vielfältigkeit Kanadas und seiner Literatur auf
der Frankfurter Buchmesse 2020 gespannt sein. »Wir werden Sie
überraschen«, versprach Caroline Fortin als sie buchstäblich die
GastRolle in den Händen hält, ein eigens dafür geschaffene Kunstobjekt
der Frankfurter Buchmesse, das in jedem Jahr um einen literarischen
Beitrag des nachfolgenden Gastlandes erweitert wird.
via https://www.literaturcafe.de/margaret-atwood-war-da-kanada-ist-buchmesse-gastland-2020/
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