Ein besonderer Coup gelang vor kurzem der Österreichischen
Nationalbibliothek durch den Ankauf des persönlichen fotografischen
Nachlasses von Yoichi R. Okamoto. Der unter Präsident Lyndon B. Johnson
zum offiziellen Fotografen des Weißen Hauses aufgestiegene
Japano-Amerikaner war von 1948 bis 1954 Leiter des amerikanischen
Bilddienstes in Österreich und hatte dadurch wie kaum ein anderer die
Möglichkeit, das Österreich der Nachkriegszeit mit der Kamera
unmittelbar festzuhalten. Der Nachlass mit über 15.000 historischen
Negativen und 900 fotografischen Originalprints ist in seiner Gesamtheit
ein einzigartiges Dokument aus den Anfängen der 2. Republik:
Gesellschaft und Politik sind hier ebenso vertreten wie Kunst und
Kultur. Dieser wichtige Neuzugang wird derzeit umfassend dokumentiert
und digitalisiert, damit die Originale und die digitalen Reproduktionen
für die Forschung und für Ausstellungen zur Verfügung stehen.
Yoichi R. Okamoto wurde 1915 in Yonkers, New York als Sohn einer
japanischen Einwandererfamilie geboren. Während seiner Studienzeit in
den 1930er-Jahren entdeckte er die Liebe zur Fotografie und begann bald,
damit seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Nach dem Überfall auf Pearl
Harbor 1941 trat er als einer der ersten Amerikaner mit japanischer
Abstammung der US-Armee bei. 1944 kam er nach Europa und avancierte zum
persönlichen Fotografen von General Marc Clark, dem ersten
Oberkommandierenden der US-Armee in Österreich. Er begleitete General
Clark auf seinen Reisen und dokumentierte das Leben und den Alltag der
Menschen im kriegszerstörten Österreich, den Wiederaufbau und die Freude
am Leben trotz aller Entbehrungen.
Im September 1948 übernahm Okamoto die Leitung der Fotosektion des
amerikanischen Informationsdienstes in Österreich (USIS), die er zu
einer hochprofessionellen Organisationseinheit ausbaute. Von 1948 bis
1954 dokumentierte die USIS den Marshallplan und die Aktivitäten der
Amerikaner in Österreich. Gleichzeitig bildete Okamoto eine ganze
Generation von jungen österreichischen Fotografen aus, indem er sie bei
der USIS anstellte.
In Österreich fand er auch die Liebe seines Lebens, seine Frau Paula.
Gemeinsam mit ihr und den Kindern Philip und Karin kehrte Okamoto 1954
in die USA zurück, wo er die „Visual Materials“-Abteilung der United
States Information Agency (USIA) leitete. 1963 wurde Okamoto von Lyndon
B. Johnson zum offiziellen Fotografen des Weißen Hauses ernannt.
Okamotos unnachahmlicher fotografischer Stil und seine lebendigen und
persönlichen Aufnahmen des Präsidenten machten die White House Years
Johnsons zur bis dahin bestdokumentierten Regierungszeit eines
US-Präsidenten und den Fotografen zu einem internationalen Star: Seine
fotografischen Kunstwerke wurden in mehreren Ausstellungen in den USA,
u. a. im Museum of Modern Art in New York gezeigt und gewürdigt.
In Österreich organisierte der „Art Club“ 1954 eine Ausstellung in
der berühmten Galerie Würthle. Okamotos eindrucksvolle Porträtstudien
von österreichischen KünstlerInnen wie Raoul Aslan, Gottfried von Einem
oder Wilhelm Furthwängler wurden in der Plakatkampagne „Schöpferisches
Österreich“ veröffentlicht. Sie schufen ein eindrucksvolles Bild des
intellektuellen Lebens im Österreich der Nachkriegszeit und sind
ebenfalls Teil des Nachlasses.
Immer wieder kehrten Yoichi und Paula Okamoto nach Österreich zurück,
in den 1970er-Jahren fotografierte er in Farbe alte
Handwerkstraditionen in Tirol, Salzburg und der Steiermark, das
veränderte Bild der Städte und die modernen Zeiten in Wien und
Österreich. Okamoto starb 1985 im Alter von 69 Jahren, zwei Jahre später
verewigte seine Frau ihre gemeinsamen Erinnerungen an Wien und
Österreich in der Publikation „Okamoto sieht Wien“.
Bildarchiv und Grafiksammlung der Österreichischen Nationalbibliothek
Mit einem Bestand von über drei Millionen Objekten
unterschiedlichster historischer Mediengattungen ist die Sammlung
„Bildarchiv und Grafiksammlung“ die größte Bilddokumentationsstelle
Österreichs. Sie ist Archiv, Bibliothek, wissenschaftliche Bildagentur
und Reproduktionsservicestelle für Bildbestellungen aus allen Sammlungen
der Österreichischen Nationalbibliothek. Der Nachlass von Yoichi R.
Okamoto, der in dieser Sammlung dokumentiert und digitalisiert wird,
reiht sich ein in eine lange Liste von Vor- und Nachlässen berühmter
FotografInnen wie Lucca Chmel, Joe Heydecker, Erich Lessing, Harry Weber
und Margret Wenzel-Jelinek.
via https://www.univie.ac.at/voeb/blog/?p=50251
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