Nach dem Beschluss zur Einrichtung einer zentralen Anlaufstelle, um die Rückgabe von Kolonialobjekten zu vereinfachen, verlangen Ethnologen, Historiker, Postkolonialismus-Forscher und
Künstler aus Afrika und Europa in einem Appell an die Kulturminister von Bund und Ländern eine rasche Öffnung der Museumsinventare.
"Es ist ein Skandal", heißt es darin, "dass es trotz dieser nunmehr
zwei Jahre anhaltenden Debatte noch immer keinen freien Zugang zu den
Bestandslisten der Museen gibt." Die Kenntnis der Bestände sei aber die
Grundlage für jeden Dialog. "Viele in Afrika sagen, wir wissen gar
nicht, wo was ist. Wie sollen wir da etwas zurückfordern?", sagt etwa
der Hamburger Historiker Jürgen Zimmerer, einer der Unterzeichner. Um Transparenz zu schaffen, seien keine langwierige
Datenaufbereitung und abgeschlossene Digitalisierungsprojekte
erforderlich, wie oft behauptet werde: "Die Arbeit an den Inventaren
wird nie beendet sein!"
Neben Zimmerer haben rund 150 Wissenschaftler, Künstler und Aktivisten den Aufruf unterzeichnet, darunter die in Berlin lehrende Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy und der senegalesischen Ökonomen Felwine Sarr.
Beide hatten Ende 2018 in einem Aufsehen erregenden Gutachten für den
französischen Präsidenten Emmanuel Macron empfohlen, aus der
Kolonialzeit stammende Kunstwerke an die Herkunftsländer in Afrika
zurückzugeben. Zimmerer begründet den Appell mit eindringlichen Worten:
"Man muss jetzt endlich diese postkoloniale Debatte führen und dafür
Transparenz schaffen!" Es gelte, verlorengegangenes Vertrauen
zurückzugewinnen. "Und das geht nur, wenn man offen sagt, was da ist.
Und ohne dass die Museen oder politische Instanzen kontrollieren, was
man sehen kann und was nicht."
"Wir brauchen Transparenz", betont auch die Direktorin des Bremer
Übersee-Museums, Wiebke Ahrndt. Doch gehe die Kritik des Appells an den
Realtitäten in den Museen vorbei: "Wir tun im Moment mit den
Bordmitteln, die wir haben, das Beste, was wir können", sagte sie. "Wir wollen alle mehr tun. Es braucht aber die
finanzielle Ausstattung, damit wir das nötige Personal für diese Arbeit
haben." Die Aufarbeitung der Sammlungsbestände sein ein "mühseliges
Geschäft" und ihre Digitalisierung sei erst recht aufwendig. Für den
Deutschen Museumsbund, dessen Co-Vorsitzende sie bis vor kurzem war, hat
Ahrndt die Arbeit an einem Leitfaden zum Umgang mit Sammlungsgut aus
kolonialen Kontexten geleitet. Daran waren Wissenschaftler aus vielen
Ländern beteiligt, unter ihnen der Hamburger Historiker Jürgen Zimmerer.
Die Initiatoren des Appells sollen in die Arbeitsgemeinschaft von Bund
und Ländern eingeladen werden, die sich mit dem Umgang mit Sammlungsgut
aus kolonialen Kontexten befasse, kündigte der Vorsitzende der
Kulturministerkonferenz, Hamburgs Kultursenator Carsten Brosda, jetzt
an. "Dann kann im direkten Gespräch geklärt werden, wie wir möglichst
gut und schnell vorankommen."
via DW.com
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