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Samstag, 7. September 2019

Als Paul Fleming in Persien beinahe zerstückelt wurde / Matthias Heine. In: WELT 26.08.2019

Fast 5000 Kilometer von zu Hause in Todesgefahr. 1637 wird die holsteinische Gesandtschaft in der persischen Hauptstadt von Indern überfallen. Mittendrin: einer der bedeutendsten deutschen Barockpoeten. 

Der Entfernung von Schloss Gottorf in Holstein nach Isfahan in Persien beträgt 4736 Kilometer. Würde man zügig und ohne Pause durchmarschieren, wäre man laut Google Maps in 857 Stunden da. Knapp vier Jahre brauchte die Gesandtschaft, die der Herzog von Schleswig-Holstein-Gottorf, Friedrich III., im 17. Jahrhundert ausschickte, für den Hin- und Rückweg.
Aus dem Bericht, den der Gottorfer Hofmathematikus Adam Olearius verfasste, wissen wir, wie sehr natürliche Hindernisse und extremes Wetter, aber auch Willkür lokaler Kleinherrscher und nicht zuletzt Überfälle durch wilde Völkerschaften die Expedition zum beschwerlichen Abenteuer machten.
Unter den Teilnehmern des Unternehmens, mit dem der Herzog eine kleine Seidenstraße zwischen Norddeutschland und dem Iran eröffnen wollte, befand sich auch Olearius’ Studienfreund und Sekretär, der Poet Paul Fleming. Um ein Haar hätten beide im August 1637 in Isfahan den Kopf verloren.
Wie es dazu kam, erzählt Olearius in seinem Buch „Moskowitische und Persische Reise“: Das Quartier der Holsteiner liegt gegenüber der Unterkunft einer indischen Gesandtschaft. Ein Deutscher fordert einen Diener der Inder auf, beim Gepäcktragen zu helfen. Als dieser sich weigert, entwickelt sich ein Scharmützel, in dessen Verlauf die holsteinischen Begleitsoldaten einige Inder töten und einen Schmuckdolch sowie einen Säbel, an dem ein Säckchen Geld hing, erbeuten.
Doch die Inder sinnen auf Rache. Vier Tage später greifen sie einen holsteinischen Diener an, strecken ihn mit Pfeil und Kugeln nieder und reißen ihm den Kopf ab und schwingen ihn an den Haaren herum. Olearius schreibt: „So musste also der gute Peter Wolter, der sonst ein frommer undstiller Mensch war, durch den Mord der Inder enden. Er ist ohne Zweifel von den Hunden gefressen worden.“
Die Situation eskaliert. Auch Olearius und Fleming geraten in Lebensgefahr. Die verstreut untergebrachten Holsteiner wollen sich im Haus des Gesandten sammeln. In der engen Gasse werden sie von den Indern beschossen und einige getötet. Olearius hat Glück: „Indem auch ich zur Tür sprang, flog ein Pfeil dicht an meinem Gesicht vorbei und blieb in der Wand stecken, ich habe ihn als Andenken mitgenommen.“
Es kommt zu einem regelrechten Gefecht zwischen den holsteinischen Soldaten, die die Tür verteidigen (sogar mit einem kleinen Steingeschütz) und den Indern, die auch mit langen persischen Musketen schießen und – so Olearius - „verstanden, genau zu zielen“: „Der Sergeant Morrhoi am tapfersten. Indem er weiter anlegen will, trifft ihn ein Pfeil in der Brust, den er rasch rausreisst und wegwirft, noch einmal Feuer gibt, um dann hinter der Muskete niederzusinken.“ Die Inder dringen ins Nebenhaus ein, nachdem sie dessen widerstrebendem Besitzer die Hand abgehackt haben. Die Holsteiner brechen ein Loch in die Wand, durch das sie in den Garten einer armenischen Kirche auf der anderen Seite fliehen. Doch dort sitzen sie in der Falle.Fleming und Olearius sehen sich schon als zerstückelter Hundefraß auf den Straßen Isfahans liegen.
Da treffen Truppen des Schahs ein, und schaffen Ruhe. Die Holsteiner bleiben zwei Jahre in Isfahan, haben aber keinen Erfolg. Fleming stirbt 1640, ein Jahr nach der Rückkehr. Ihm verdanken wir Gedichte wie „Wie er wolle geküsst sein“, die uns heute noch durch ihren persönlichen Ton ansprechen. Olearius hat sie veröffentlicht. Das war nur möglich, weil beide nicht bei dem Inderüberfall vor die Hunde gingen.

via https://www.welt.de/kultur/literarischewelt/article199136877/Actionszenen-der-Weltliteratur-24-Als-Paul-Fleming-in-Persien-beinahe-zerstueckelt-wurde.html

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