Kann man die Kunst vom Künstler trennen? Es ist eine eigenartige Frage,
weil alles an ihr unklar ist. Wer ist "man", und was genau soll getrennt
werden? Der arbeitende Mensch vom privaten Menschen, der geschriebene
Text vom sprechenden Autor, der Film von den Umständen, unter denen er
gedreht wurde?
Dennoch ist die Frage nach der Trennung zwischen Künstlern und ihren
Werken eine, die immer wieder gestellt wird. Wie soll man mit Filmen
umgehen, deren Produzent Frauen vergewaltigt hat? Oder mit Filmen, deren
Hauptdarsteller seine Partnerin geschlagen hat? Oder mit Musik, bei der
man davon ausgehen kann, dass der Sänger Kinder missbraucht hat? Oder:
Sollte jemand, der mit Kriegsverbrechern sympathisiert, einen Nobelpreis
bekommen?
Oft werden diese Fragen mit einem "darf"
formuliert: Darf man noch Filme von Roman Polanski, Harvey Weinstein
oder Woody Allen sehen? Darf man zu Michael Jackson tanzen, R. Kelly
hören, über Louis C.K.s Witze lachen? Darf man Peter Handke
einfach nur für einen großen Literaten halten? Natürlich darf man, rein
juristisch. Die Frage ist, ob es etwas gibt, was den Konsum der Kunst,
ihre Rezeption, ihre Würdigung nachhaltig beeinflusst, wenn man
bestimmte Dinge über die Menschen weiß, die sie geschaffen haben.
Bei manchen Künstlern - Künstlerinnen nicht mitgemeint - hat man
das Gefühl, sie haben irgendwann eine magische Grenze überschritten,
jenseits derer ihre Bewunderer ihnen jeden erdenklichen Fehler
verzeihen: Witze auf Kosten von Minderheiten? Freiheit der Kunst, er
kennt keine Tabus! Eklige Sprüche über Frauen? Herrlich verschroben, so
kauzig! Übergriffe gegen Journalisten? Ein Enfant Terrible! Ehefrau
verprügelt? Hach, Genie und Wahnsinn! Mit Diktatoren gekuschelt? Ein
widerständiger Charakter, ein Lebemann, der polarisiert, ein ewiger
Provokateur, der sich von niemandem etwas sagen lässt. ... [mehr] https://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/peter-handke-und-der-nobelpreis-perfide-muelltrennung-a-1291617.html
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