Materiell ist der Wert überschaubar, in ideeller Hinsicht ist er jedoch sehr hoch anzusetzen: Die Württembergische Landesbibliothek
hat an diesem Dienstag 14 Bände aus ihrem Bestand an den Urenkel des
jüdischen Ehepaars Irma und Georg Baruch in Hamburg übergeben.
Das Kaufmanns-Ehepaar wurde am 8. September 1941 mit der Tochter
Marion nach Minsk deportiert, der Sohn wurde in Auschwitz ermordet,
lediglich die zweite Tochter konnte nach Israel emigrieren. Die Herkunft
der Bücher, die jetzt wieder nach Hamburg gingen, ist zweifelsfrei: In
allen befindet sich das Exlibris des Ehepaars, also eine Art Stempel.
Ein Förderprogramm vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste und des
Landesministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst macht es
möglich, dass seit drei Jahren knapp 100 000 Bände nach dem Aspekt
NS-Raubgut untersucht werden. Darunter wurden nun die 14 Bände des
Ehepaars Baruch entdeckt.
Dazu die Projektmitarbeiterin Maria Nüchter: „Es handelt sich um
klassische Bildungsliteratur des Bürgertums aus der ersten Hälfte des
20. Jahrhunderts, hauptsächlich Belletristik und Gedichte. Das sind hier
etwa die gesammelten Werke von Richard Dehmel und Detlev von
Liliencron, Bücher von Hugo von Hofmannsthal, von Johannes Schlaf über
den Schriftsteller Maurice Maeterlinck oder ein Essay über Aristoteles –
also Bücher, die etwa zwischen 1906 und 1911 neu erschienen sind.“ Das
Ehepaar Baruch hat diese Bücher nicht nur gesammelt, sondern auch
gelesen. Nüchter: „Wir finden da immer wieder Gebrauchsspuren, an
manchen ziemlich deutlich“. Das sind freilich alles Bücher, die in der
einen oder anderen Auflage dieser Zeit heute noch gut bei den Antiquaren
erhältlich sind. „Die gibt es heute dort für etwa 100 Euro“, schätzt
Nüchter.
In die Landesbibliothek gekommen sind diese Bücher erst nach dem
Zweiten Weltkrieg. „Im September 1944 wurde die Bibliothek samt Bestand
nahezu komplett zerstört“, so Nüchter, „danach war das Bestreben groß,
den alten Bestand wieder aufzubauen, etwa durch Ankäufe.“ Der
Stuttgarter Apotheker Paul Braun, in dieser Zeit der Landesbibliothek
verbunden, steuerte etwa die Baruch-Bücher bei. Generell tauschten sich
die Bibliotheken in den Nachkriegsjahren viel aus, da ja bei allen der
Bestand mehr oder weniger stark geschrumpft war.
Dieses
Restitutions-Projekt läuft jetzt im September aus. Drei Rückgabe-Termine
hat es nun gegeben, darunter gingen 100 Bände an eine Loge in
Ludwigsburg. Einige weitere werden noch folgen, doch bei diesen geht es
nur noch um einzelne Bücher.
Die Übergabe der Baruch-Bücher war
an diesem Dienstag in der Hamburger Galerie Morgenland. Und sie werden
nun wieder dafür genutzt, wofür sie einst erworben wurden: Für das
private Lese- und Bildungsvergnügen.
via https://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.ns-raubkunst-in-stuttgart-landesbibliothek-gibt-14-buecher-zurueck.0a8645a0-5fd0-4f37-bbf0-f8436ccac069.html
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