Karin Schmidt-Friderichs schwärmt für den Lese-Flow in Romanen.
Die künftige Vorsteherin im Börsenverein des Deutschen Buchhandels weiß,
dass Bücher immun machen können.
Mehr Selbstbewusstsein in der Buchbranche wünscht sich Karin
Schmidt-Friderichs. Die Mainzer Verlegerin übernimmt nach der
Frankfurter Buchmesse den Vorsitz im Börsenverein des Deutschen
Buchhandels und löst den bisherigen Vorsteher Heinrich Riethmüller ab.
„Ich wäre glücklich, wenn ich dazu beitragen könnte, den Reichtum und
die kulturelle Vielfalt unserer Branche stärker ins Bewusstsein zu
bringen“, sagte die 58-Jährige.
Dabei gehe es in erster Linie eigentlich nicht um die im Börsenverein
zusammengeschlossenen Verleger, Buchhändler und Zwischenhändler. „Viel
wichtiger sind Leserinnen und Leser.“ Ihnen sagt Schmidt-Friderichs: „Je
mehr Sie lesen, umso differenzierter und pluralistischer wird Ihr
Weltbild. Und jedes Sachbuch, das Sie lesen, macht Sie weniger
empfänglich für populistische Äußerungen.“
Zum Auftakt der Buchmesse steht zunächst der aktuelle Roman im
Blickpunkt, wenn der Deutsche Buchpreis vergeben wird. Der 2005
eingeführte Preis findet von Jahr zu Jahr mehr Beachtung. „Da das Lesen
etwas anstrengender ist als das Streamen von Netflix und Co., müssen wir
die Menschen motivieren, diese Hürde zu nehmen und das Tor für
Entdeckungen aufzustoßen“, sagt Schmidt-Friderichs.
Dabei fängt sie gleich zu schwärmen an für den Lektüre-Flow in
Romanen, die ihre Leser in eine andere Welt entführen, „sodass ich ganz
in diese eintauche und Zeit und Raum vergessen kann“. So sei es ihr etwa
im Urlaub mit dem Roman „Miroloi“ der Hamburger Autorin Karen Köhler
ergangen. Um schnell eine Vorstellung zu Stil und Inhalten der 20 für
den Buchpreis nominierten Romane zu erhalten, empfiehlt
Schmidt-Friderichs die vom „Börsenblatt“ herausgegebenen und kostenlos
in Buchhandlungen erhältlichen Leseproben.
Im nächsten Jahr, am
16. Juni, wird der Börsenverein dann zum ersten Mal auch den Deutschen
Sachbuchpreis vergeben. Im Fokus: Sachbücher, die Impulse für die
gesellschaftliche Auseinandersetzung geben. Ab 23. September können sich
Verlage aus Deutschland, Österreich und der Schweiz dafür bewerben, am
5. November wird die Jury bekanntgegeben. Die Zeit sei reif für einen
solchen Preis, sagt die künftige Branchensprecherin. In der Flut der
Neuerscheinungen sei es die Branche den Lesern schuldig, Impulse und
Orientierung zu geben, Lust zu wecken, sie mit Buchbegeisterung
anzustecken.
Für
den Börsenverein engagiert sich Schmidt-Friderichs seit 2003, zuerst in
der Nachwuchsarbeit, von 2011 bis 2016 dann in der zeitweise von
Schließung bedrohten Stiftung Buchkunst. Der Wahl zur
Börsenvereinsvorsteherin ging ein richtiger Wahlkampf mit dem
Zwischenbuchhändler Stefan Könemann voraus; bei der Abstimmung erhielt
sie 500 von 943 Stimmen. Jetzt ist sie auf einer „Tour der offenen
Ohren“ durch Deutschland unterwegs und spricht mit Händlern und
Verlegern über deren Perspektiven auf die Buchwelt. „Das ergibt ein
Puzzle“, sagt sie, erkennen könne sie noch nicht viel, „aber ich habe
jetzt langsam die Randteile.“
In der Arbeit für die Stiftung
Buchkunst prägte Schmidt-Friderichs den Satz „Die Zukunft des Buchs ist
schön“. Das könnte auch das Programm des Verlags Hermann Schmidt sein,
den sie zusammen mit ihrem Mann führt. Schwerpunkte sind Schriftkunst,
die Typografie, daneben auch Grafikdesign und Kommunikation. Sich selbst
ganz der Arbeit im Verlag zu widmen, habe sie bei einem Glas Wein
beschlossen, nach dem Studium der Architektur in Stuttgart.
Geboren
wurde Schmidt-Friderichs in Bad Kreuznach, lebte dann in Bingen, Bonn
und Mainz, ehe sie im Anschluss ans Abitur nach Hamburg ging, um
Fotografin zu werden - „das war und ist fast die Stadt meiner Träume“.
Die Architektur habe sie dann als Vernunftstudium gewählt, da gebe es
immerhin auch eine kreative Seite. Noch im Studium kamen ihre beiden
Töchter zur Welt. Für die Balance zu Lesen und Schreibtischarbeit
braucht sie die Bewegung: „Beim Wandern in der Natur, beim Gehen und
Joggen kann ich meinen Arbeitsspeicher leeren, der ist üblicherweise
sehr voll.“
„Ich mag Mainz sehr und bin gern hier zu Hause“, sagt
die 58-Jährige. „Ich freue mich aber auch darauf, jetzt öfter in
Frankfurt zu sein“, wo der Börsenverein seinen Sitz hat. „In Frankfurt
passiert dauernd etwas Neues, dieses Brodelnde von Frankfurt ist sehr
vitalisierend.“ Mit den Orten ist das nicht anders wie mit Büchern: „Ich
mag Diversität. Es ist ein echter Reichtum, wenn wir Vielfalt haben.“
via https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.neue-vorsteherin-im-boersenverein-des-buchhandels-lesen-impft-gegen-platte-parolen.910dfb18-48e4-401d-8df2-c3517c97bb8e.html
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