Gemeinsame Pressemitteilung von Gesellschaft für wissenschaftliche Datenverarbeitung Göttingen (GWDV), Höchstleistungsrechenzentrum Stuttgart (HLRS), Universität Hohenheim, Landwirtschaftliches Technologiezentrum Augustenberg (LTZ) und Landesamt für Geoinformation und Landentwicklung Baden-Württemberg (LGL)
ANWENDUNG 1: Stuttgart dient als Modell bei der Simulation von Luftschadstoffen
Stickoxide und Feinstaub: Die Luftqualität ist in vielen Großstädten ein
heiß diskutiertes Thema. Die Gesundheit der Bevölkerung auf der einen
Seite, wirtschaftliche Faktoren auf der anderen – dies in Einklang zu
bringen, ist eine große Herausforderung. Für Planungen wäre es nützlich,
die Feinstaubbelastung und die Stickoxid-Verteilung verlässlich
vorherzusagen.
In Stuttgart mit seiner Lage im Talkessel spielt das eine besondere
Rolle, denn mit Feinstaubalarmen und Diesel-Fahrverboten ist die Stadt
bundesweit zum Synonym für dicke Luft geworden. Für die Projektpartner
von Open Forecast also ein ideales Testobjekt ihrer Methoden.
Um die Verteilung von Feinstaubpartikeln und Stickoxiden zu simulieren,
verwenden die Forscher ein komplexes dreidimensionales Modell, ein
sogenanntes Wettervorhersage-Chemie-Modell. „Damit verknüpfen wir
chemische Reaktionen in der Atmosphäre mit den Wettervorgängen und
beziehen so deren Wechselwirkungen mit in die Vorhersagen ein“, erklärt
Prof. Dr. Volker Wulfmeyer von der Universität Hohenheim.
Höchstleistungsrechner ermöglichen hochaufgelöste Simulationen der Luftbelastung
Das Modell kann Prognosen mit einer Auflösung von 50 Meter durchführen.
Damit kann es sowohl größere Gebäude als auch das Verkehrsaufkommen
einbeziehen. „Eine derart hochaufgelöste Simulation, die eine Vielzahl
an Rahmenbedingungen berücksichtigt, ist nur durch den Einsatz von
Höchstleistungsrechnern zu erreichen“, betont Dr.-Ing. Thomas Bönisch
vom Höchstleistungsrechenzentrum Stuttgart (HLRS). Diese
leistungsstarken Rechner können komplizierte Rechnungen parallel auf
Tausenden Prozessoren vornehmen. Darum wird das Modell auf der Hazel Hen
gerechnet, dem schnellsten Rechnersystem des HLRS und einem der zehn
schnellsten Rechner Europas.
Erste Ergebnisse zeigen eine realistische und komplexe
zeitlich-räumliche Verteilung der Schadstoffe. Ziel der Wissenschaftler
ist es, dass künftig mit dem Einsatz von Supercomputern solche
Vorhersagen routinemäßig erzeugt werden können. Sie stünden dann zum
Beispiel für die Verkehrsplanung zur Verfügung.
Schließlich vergleichen die Forscher die Simulationsdaten mit den
Sensordaten aus dem Projekt Luftdaten.info. Dieses in Stuttgart
gestartete Citizen-Science-Projekt regt Bürger dazu an, mit einem
selbstgebauten Feinstaub-Sensor eigene Daten zu erheben und diese einer
breiten Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Mit diesem Vergleich
kann man beobachten, wie gut die Simulationen mit den Messdaten
übereinstimmen. Diese Wechselseitigkeit kann helfen, Messfehler, etwa
durch defekte Sensorik, oder Fehler bei der Simulation zu finden.
ANWENDUNG 2: Satellitendaten für das Smart Farming von morgen
Frei verfügbar sind auch viele Satellitenbilder – die
Sentinel-2-Satelliten der europäischen Copernicus-Mission liefern
regelmäßig wiederkehrend hochauflösende Bilddaten. Sie könnten als ein
Baustein dafür dienen, dass sich die Landwirtschaft von morgen für die
Herausforderungen variabler Anbaubedingungen wappnet. Das Problem: Die
Satellitendaten liegen in einer Form vor, die die Landwirtschaft nicht
direkt nutzen kann.
Das Projektteam speist diese Satellitendaten deshalb in
Hochleistungsrechner ein. „Die Daten müssen aufbereitet werden“,
erläutert Dr. Franziska Wild-Pfeiffer vom Landesamt für Geoinformation
und Landentwicklung Baden-Württemberg (LGL). „Beispielsweise müssen die
Wolken auf den Bildern herausgerechnet werden. Am Ende können wir
sogenannte Vegetationsindizes rechnen – ein Maß für den Anteil und den
Gesundheitszustand der grünen Pflanzen auf der Erdoberfläche.“
Open Data fördern Digitalisierung in der Landwirtschaft
Der Landwirt kann mit Hilfe solcher Karten Unterschiede im Schlag
feststellen – was ihn bei seinen Entscheidungen in Düngungsfragen
unterstützt oder auch Aufschluss über manche Krankheiten im Bestand
gibt. Diese Informationen sollen in Farm-Management-Systeme der
Landwirte integriert und auf modernen Schleppern für die Steuerung der
Düngemenge verwendet werden.
Letztendlich entwickelt das Projekt „Open Forecast“ Open-Data-Dienste,
mit denen die Nutzer die aufbereiteten Satellitendaten über
standardisierte Schnittstellen recherchieren und nachnutzen können.
HINTERGRUND: Projekt Open Forecast
Open Forecast startete im September 2018 und endet im August 2020. Das
Projekt wird durch die EU innerhalb der Connecting Europe Facility (CEF)
Initiative gefördert (Action number 2017-DE-IA-0170).
Die Gesellschaft für wissenschaftliche Datenverarbeitung mbH Göttingen
GWDG (Dr. Sven Bingert) hat die Projektleitung und arbeitet mit an der
Entwicklung der Dienste und der Bereitstellung der Daten für die
Öffentlichkeit über Datenportale.
Die Universität Hohenheim (Prof. Dr. Volker Wulfmeyer) ist federführend
in der Durchführung der numerischen Wettervorhersage-Chemie-Simulationen
und den Vergleichen mit Sensordaten.
Das Höchstleistungsrechenzentrum Stuttgart HLRS (Dr.-Ing. Thomas
Bönisch) ist eine zentrale Einrichtung für Forschung und Dienstleistung
der Universität Stuttgart und gleichzeitig als
Bundeshöchstleistungsrechenzentrum ein Mitglied des Gauss Centre for
Supercomputing. Das HLRS stellt die Rechenkapazitäten für Simulation und
Prozessierung der Daten zu Verfügung und arbeitet zudem mit bei der
Entwicklung der Architektur. Ferner ist das HLRS verantwortlich für die
Visualisierung der Ergebnisdaten.
Das Landwirtschaftliche Technologiezentrum Augustenberg LTZ (Dr. Martin
Weis) entwickelt zusammen mit dem Landesamt für Geoinformation und
Landentwicklung Baden-Württemberg LGL (Dr. Franziska Wild-Pfeiffer) den
landwirtschaftlichen Anwendungsfall und implementiert ihn mit der GWDG
und dem HLRS in der Praxis.
Weitere Informationen
Projekt Open Forecast: http://open-forecast.eu/
Citizen-Science-Projekt Luftdaten.info: https://luftdaten.info/
via https://idw-online.de/de/news723269
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