Der Berg Athos – eine Halbinsel im Norden Griechenlands, seit über 1000
Jahren nur von Mönchen besiedelt, UNESCO-Welterbestätte und seit alters
her Schmelztiegel der Völker des östlichen Mittelmeerraums und
Russlands: Diese Mönchsrepublik war im Mittelalter einerseits ein
Rückzugsort für orthodoxe Gläubige, andererseits aber auch auf
vielfältige Weise mit der mittelalterlichen Welt außerhalb der
Klostermauern verbunden. Enge Beziehungen pflegten die Mönche zum
Byzantinischen Reich, zu Herrschern auf dem Balkan, im Kaukasus sowie in
Süditalien und später ebenso zum Osmanischen Reich. Ein neues
Forschungsprojekt geht diesen Verbindungen und Verflechtungen der
Bewohner und Besucher des Athos auf den Grund und wird die Art und
Weise, wie der Heilige Berg gesehen wird, verändern. Dr. Zachary
Chitwood, Wissenschaftler am Arbeitsbereich Byzantinistik der Johannes
Gutenberg-Universität Mainz (JGU), erhält für dieses Projekt einen
Starting Grant des Europäischen Forschungsrats in Höhe von 1,5 Millionen
Euro. Er und sein Team werden zunächst eine Datensammlung für den Zeitraum von
etwa 850 bis 1550 erstellen, also von der Zeit der ersten Dokumente an,
die in den Archiven des Athos überlebt haben, bis zur Gründung des
letzten großen Athos-Klosters, Stavronikita. Für diese Spanne von 700
Jahren werden alle Mönche, die auf dem Heiligen Berg gelebt haben, jeder
Wohltäter und jeder Besucher in einer Datenbank erfasst.
Als Quellen für die Erhebungen dienen Akten und Urkunden der
Klosterarchive, die zu einem großen Teil schon veröffentlicht sind.
Besonders innovativ ist, dass außerdem Kommemorationslisten genutzt
werden, die bis jetzt kaum Beachtung fanden. Diese Aufstellungen
umfassen die Namen von Mönchen, kirchlichen Oberhäuptern und Stiftern,
die nach ihrem Tod regelmäßig in Andachten erwähnt wurden. Die Datenbank
wird später auch anderen Wissenschaftlern zur Verfügung stehen, sodass
in den gesamten Geisteswissenschaften damit gearbeitet werden kann.
Zweiter zentraler Punkt ist die Ethnizität der Gemeinschaft. Fast jede
orthodoxe Kirche war auf dem Berg Athos mit einem Kloster vertreten –
und auch heute noch findet man eine große ethnische Vielfalt. „Aber
bisher verfügen wir über kein Mittel, um dies statistisch möglichst
präzise zu erfassen und für bestimmte Zeitabschnitte zu dokumentieren“,
so Chitwood mit einem Hinweis darauf, dass die Datenbank später
Grundlagen liefern wird, um vertieft über Ethnizität in Byzanz
diskutieren zu können. Schließlich wird sich das Team um Chitwood dem Thema „Abwesenheit von
Frauen“ auf dem Athos widmen. Bislang ist nicht genau bekannt, in
welchem Kontext und warum das Verbot entstanden ist, dass weibliche
Lebewesen generell das Gebiet nicht betreten dürfen. Im Rahmen der Gender-Frage wird auch die für Byzanz zeitweise sehr
wichtige politische Rolle von Eunuchen analysiert, die ab einem
bestimmten Zeitpunkt den Athos ebenfalls nicht mehr betreten konnten.
via https://idw-online.de/de/news723673
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