Springer Nature und das Projekt DEAL der deutschen Wissenschaftsallianz
haben sich auf einen Vertragsrahmen geeinigt, der vor allem in
Deutschland die Transformation zu Open Access beschleunigen wird.
Börsenblatt Online hat mit Dagmar Laging, Vice President Institutional
Sales Europe bei Springer Nature, über die Verhandlungen und die
Ergebnisse gesprochen.
Der Verhandlungsprozess hat bis jetzt drei Jahre gedauert. War das
eine Zeit, in der Sie immer konstruktiv mit der Gegenseite verhandelt
haben, oder gab es auch mal Knackpunkte, an denen Sie überlegt haben
auszusteigen?
Aussteigen würde ich das nicht nennen. Natürlich
haben wir bei einem so komplexen Thema an manchen Punkten
unterschiedliche Vorstellungen gehabt, sonst hätten wir das Ganze auch
in ein oder anderthalb Jahren verhandeln können. Beide Seiten haben eine
Weile gebraucht, um sich einander anzunähern, um die Gegenseite zu
verstehen, Gegenargumente zu akzeptieren und dann auf den anderen
zuzugehen. Dieser Lernprozess war es, der letztlich viel Zeit erfordert
hat.
Hat sich der Fokus der Verhandlungen im Laufe der Zeit
immer mehr in Richtung Open Access verschoben – während es anfänglich um
eine Bundeslizenz für die Nutzung der E-Journals ging?
Nein, die
Open-Access-Publikation gehörte von Anfang an zu den strategischen
Zielsetzungen des DEAL-Projekts, es war daher auch das dominante Thema
der Verhandlungen. Es ging der Wissenschaftsallianz darum, die
Publikationsweise in Richtung Open Access zu bewegen. Das Ganze war mit
dem Anspruch verbunden, andere Preis-Level und -Konditionen zu
verhandeln.
Da Springer Nature schon einer der größten Open-Access-Anbieter in Deutschland ist – hat das die Einigung erleichtert?
Die
Tatsache, dass Springer Nature weltweit das größte
Open-Access-Portfolio hat, hat uns für DEAL sicher zu einem
interessanten Partner gemacht. Auf der anderen Seite haben wir immer
noch ein Portfolio von 1.900 Hybrid-Zeitschriften und knapp 500
Zeitschriften, auf die man nur im Subskriptions-Modus zugreifen kann.
Insgesamt ist unser Portfolio nach Elsevier das zweitgrößte weltweit.
Die Komplexität des Ganzen – auch im Open-Access-Bereich – erklärt,
weshalb wir so gründlich und lange diskutiert haben.
Das Memorandum of Understanding, der Vorvertrag, ist in drei Bereiche gegliedert. Welche sind das?
Zum
einen reine Open-Access-Publikationen, dann das Publish-and-Read-Modell
für Hybrid-Zeitschriften, das den größten Raum einnimmt, und
schließlich der reine Lesezugriff für Subskriptionszeitschriften. Alle
durch DEAL und die Wissenschaftsallianz vertretenen Forschungs- und
Wissenschaftseinrichtungen werden nach Inkrafttreten des Vertrags über
diese Publikations- und Zugriffsmöglichkeiten verfügen.
Soll der Anteil der Open-Access-Publikationen ausgeweitet werden – auch über die Laufzeit des Vertrags hinaus?
Perspektivisch
schon, aber innerhalb der Laufzeit des Vertrags wird dies kaum möglich
sein. Die hybriden Zeitschriften, bei denen Open Access nur einen Teil
ausmacht, sind internationale Journale, in denen Autoren aus aller Welt
veröffentlichen, beispielsweise aus Japan, Südamerika oder Europa. Diese
Autoren publizieren aber bei weitem nicht alle Open Access, weil dies
in vielen Ländern der Welt noch nicht das gewünschte Publikationsformat
ist.
Deutschland und Europa (mit der Initiative OA 2020) spielen ja bei Open Access den Treiber ...
Zum
einen handelt es sich um eine Initiative der Europäischen Union, und
innerhalb der Gemeinschaft unterstützen vor allem die Niederlande,
Großbritannien und Deutschland mit DEAL den Übergang in das
Open-Access-Modell. Damit sprechen wir auch über Länder, die ganz
erheblich zum Volumen von Forschungsergebnissen weltweit beitragen.
Deutschland nimmt Platz 4 im globalen Ranking der Länder ein, die die
meisten Wissenschaftspublikationen produzieren – nach den USA, China und
Großbritannien.
War es schwierig, dem DEAL-Projektteam klarzumachen, dass die Publikationsgewohnheiten weltweit sehr unterschiedlich sind?
Aus
deutscher Sicht sehen manche Dinge eben etwas anders aus, als wenn sie
sie mit etwas mehr Distanz global betrachten. Aber dieser
Perspektivwechsel war Teil des Lernprozesses, von dem ich sprach. In den
letzten Monaten konnten wir dafür zügige Fortschritte machen und jetzt
das Memorandum of Understanding unterzeichnen.
Die jetzt
getroffene Vereinbarung wird für die Wissenschaftsallianz mit hohen
Kosten verbunden sein. Gleichzeitig kommen Sie DEAL entgegen, in dem sie
für einen Teil des Portfolios Rabatte einräumen ...
Das betrifft
vor allem die Zeitschriften von BioMed Central in den Life Sciences. Da
kommen wir den teilnehmenden deutschen Institutionen entgegen.
Hat Ihr Chief Financial Officer die Kosten einmal durchgerechnet,
und ist er zu dem Ergebnis gekommen, dass Springer Nature am Ende
genauso viel einnimmt wie früher?
Sie können sicher sein, dass
wir genau gerechnet haben. Das war ja auch einer der Gründe für die
lange Verhandlungsdauer. Wir haben einen Weg gefunden, um weiterhin
profitabel zu sein und gleichzeitig DEAL einen stabilen, berechenbaren
Kostenrahmen für die nächsten Jahre anzubieten.
Hat sich durch die Einigung das Klima zwischen Wissenschaftsverlagen und Wissenschaftsallianz spürbar verbessert?
Das
war schon im Laufe der Verhandlungen spürbar. In dem Moment, in dem man
anfängt, wirklich miteinander zu reden und zu verstehen, weshalb der
andere bestimmte Punkte nicht erfüllen kann, nähert man sich schon
einander an. Dazu kommt, dass beide Seiten eine gemeinsame
Herausforderung haben: Open Access hat sich global noch nicht als
verlässliches Business-Modell bewährt. Es gibt die politische
Vorstellung, dass wissenschaftliche Ergebnisse weltweit frei zugänglich
sein sollen, was ethisch durchaus zu begrüßen ist. Aber wie das
praktisch, finanziell und operativ zu bewältigen ist, ist eben noch
nicht abschließend beantwortet. In der Frage, wie wir das gemeinsam
strategisch angehen, haben wir ein gutes Niveau erreicht. Wir werden
auch über weitere Projekte sprechen, die im Rahmen dieses Vertrags
abgeschlossen werden sollen. Dabei wird es unter anderem darum gehen,
Forschungsergebnisse besser aufbereiten und zur Verfügung stellen zu
können sowie für mehr Transparenz zu sorgen.
Wird der endgültige Vertrag bis zur Buchmesse unter Dach und Fach sein?
Ziel
ist es, den Vertrag so rechtzeitig zur Unterschrift zu bringen, dass
wir operativ in der Lage sind, ab dem 1. Januar 2020 Artikel im Open
Access-Modus zu veröffentlichen. Dazu benötigen wir einige Wochen
Vorlauf, deshalb sollte der Zeitpunkt der Unterzeichnung etwa Mitte
Oktober liegen, also um die Buchmesse herum.
Wird man den Vertrag im Netz einsehen können?
Ja, der finale Vertrag wird auf der Webseite von Projekt DEAL veröffentlicht werden.
via https://www.boersenblatt.net/2019-08-23-artikel-_es_war_ein_langer_lernprozess_-interview_mit_dagmar_laging__springer_nature__ueber_den_deal-vertrag.1711939.html
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