Am 23. November, werden – wie jedes Jahr seit 1962 – die Golden Horse Awards in Taipeh verteilt. Das Goldene Pferd mag hierzulande weniger bekannt sein als der Goldene Bär, aber für Chinesen ist es der wichtigste Filmpreis neben den Oscars. Ein Anlass, bei dem sich der in drei Länder gespaltene chinesische Film für einen Abend vereint.
Oder auch nicht. Vor Kurzem hat die Filmbehörde in Peking eine Teilnahme untersagt, sowohl für Filme als auch für Einzelpersonen. Wer gegen diese Anweisung verstoße, dessen Film werde keine Aufführungsgenehmigung für die Volksrepublik erhalten. Stein des Anstoßes waren ein paar Bemerkungen von Fu Yue, Gewinnerin des Dokumentar-Goldpferdes, in ihrer Dankesrede voriges Jahr: Sie hoffe auf eine Zukunft von Taiwan als unabhängiger Staat. Dies war genug für einige Filmemacher vom Festland, die Annahme ihrer Preise zu verweigern und das Dinner nach der Gala zu boykottieren, denn dass Taiwan der Volksrepublik gehöre, ist ein Dogma wie das in der frühen Bundesrepublik, wonach die DDR nicht existierte.
Was wird also Johnnie To tun, Gott von Hongkongs Autorenfilmern, der der Golden-Horse-Jury vorstehen soll? Wie verhält sich Ang Lee, Ehrenpräsident der Veranstaltung, in dessen neuestem Film „Gemini Man“ viel chinesisches Geld steckt? Wie sich Universe Films verhalten wird, die Hongkonger Firma, deren „The White Storm 2“ gerade 200Millionen Dollar in Festlandkinos verdient hat, ist klar: Sie wird ihren Film nicht einreichen. Golden Scene hingegen, ebenfalls aus Hongkong, wird sich weiter an den Goldenen Pferden beteiligen. Alles andere wäre inkonsequent von der Firma, die „Ten Years“ produziert hat. „Ten Years“ ist der tiefste Stachel in der Seite der chinesischen Zensoren, die sich – ein Vierteljahrhundert, bevor Hongkong seinen Sonderstatus verlieren und Teil der Volksrepublik werden wird – bereits so benehmen, als gehöre ihnen die Sieben-Millionen-Stadt. „Ten Years“ entstand 2015 und versucht in fünf Kurzfilmen vorauszusehen, wie Hongkong im Jahr 2025 aussehen könnte.
In einer weiteren Episode, „Eier aus der Region“, patrouillieren Schüler mit roten Schals und olivgrünen Armeestiefeln durch das Hongkong des Jahres 2025, wie eine moderne Version der Roten Garden aus der Kulturrevolution, und gebrauchen verbotene Worte. Am Ende von „Ten Years“ erscheint der Satz „Es ist schon zu spät“ auf der Leinwand, der aber von den Worten „Es ist nicht zu spät“ überblendet wird. Fast alle großen Kinos in Hongkong – unter Druck von lokalen Triaden, die wiederum unter Druck von Peking stehen – weigerten sich, „Ten Years“ zu spielen. Dafür war er wochenlang in Kunstkinos ausverkauft, wo er sogar „Star Wars“ schlug. Zwei Jahre später – nicht zehn – schilderte die Dokumentation „Lost in the Fumes“ das Schicksal des Aktivisten Edward Leung, der für die Unabhängigkeit Hongkongs kämpfte und wegen Teilnahme an einem Protestmarsch, der später in Gewalt ausartete, ins Gefängnis wanderte.
Selbstverständlich wurde auch „Lost in the Fumes“ von keiner großen Kinokette gezeigt – so wenig wie „Joshua: Teenager vs. Superpower“ über eine Jugendbewegung, die die Einführung einer „patriotischen Erziehung“ in den Schulen bekämpfte (erfolgreich) oder „The Crossing“, worin eine 16-Jährige aus dem an Hongkong grenzenden Shenzhen auf beiden Seiten der Grenze Ausbeutung erfährt und sich einer Bande anschließt, die iPhones schmuggelt.
via https://www.welt.de/kultur/kino/article199304980/Kino-in-China-Hollywood-gegen-Hongkong.html
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