Natürlich war eine Unternehmung wie das „Literaturblatt“
immer schon ein Wagnis. Doch wenn etwas mehr als ein
Vierteljahrhundert lang widrigen Existenzbedingungen wacker getrotzt
und so manche Krise unverdrossen überlebt hat, kann man es sich
irgendwann nicht mehr wegdenken. In mittlerweile 156 Ausgaben ist das
„Literaturblatt“ so etwas wie das offizielle Organ des Buchlandes Baden-Württemberg
geworden – von einem kurzen Zeitraum abgesehen weitgehend ohne
öffentliche Förderung. Zu verdanken ist das der unermüdlichen
Leidenschaft, mit der die Gründerin und Herausgeberin Irene Ferchl mit
ihrem Magazin zwischen Tageszeitung und Spezialgazetten einen Raum
behauptet hat, in dem das reiche literarische Leben des Landes Platz
findet, immer auch mit Blick über den baden-württembergischen Tellerrand
hinaus.
In Rezensionen, Porträts, ausführlichen Feuilletons haben sich die im
Zweimonatstakt erscheinenden, liebevoll gestalteten Ausgaben zu einer
Chronik der laufenden literarischen Ereignisse gefügt. Nun bricht sie
ab. In einem Schreiben an die Abonnenten bestätigt Irene Ferchl zu
Jahresbeginn, was sie bereits im Editorial des Dezember-Heftes
angekündigt hat: Das „Literaturblatt“ für Baden-Württemberg wird
eingestellt. Nach vierzehn Jahren endet die bewährte Zusammenarbeit mit
dem Hirzel Verlag. Die Auflage ist auf zuletzt etwa 4000 Exemplare
gesunken, die Anzeigenerlöse gingen zurück. Schon im Sommer hat der
Stuttgarter Verleger Christian Rotta seinen Rückzug angekündigt. Ohne
diese Infrastruktur im Rücken lassen sich Produktion und Vertrieb der
Zeitschrift nicht stemmen.
Das „Literaturblatt“ liegt nicht an Kiosken aus, sondern an
Verteilstellen wie Bibliotheken oder Buchhandlungen. Diese kaufen
jeweils eine bestimmte Zahl an Exemplaren und geben sie in der Regel
umsonst an ihre Kunden weiter. Die Krise im Buchhandelsgewerbe,
Sparmaßnahmen im Kulturbereich
entziehen diesem Vertriebsmodell den Boden, sagt Irene Ferchl. „Früher
hat die Stadt 1000 Exemplare bezogen und Bibliotheken und anderen
öffentlichen Einrichtungen zur Verfügung gestellt. Das ist alles
weggefallen.“ Immer wieder ist es der umtriebigen Literaturvernetzerin
mit Feuereifer gelungen, mutige Verleger für ihr Projekt zu entflammen.
Der Tübinger Verlag Klöpfer und Meyer machte den Anfang, von 2006 an
gewährte der Hirzel Verlag Obdach.
Auch wenn sie die Hoffnung noch nicht aufgegeben hat, räumt Irene
Ferchl ein, dass es so wie bisher nicht weitergehen konnte. Fieberhaft
hat sie in den zurückliegenden Monaten versucht, eine andere
Trägerschaft zu finden. In unzähligen Gesprächen wurden Alternativen
diskutiert, ein Stiftungsmodell, Fundraising. Außer viel Zuspruch und
der immer wieder geäußerten Überzeugung, das „Literaturblatt“ müsse
unbedingt erhalten werden, ist bisher noch nichts herausgekommen.
Das
Herzstück eines jeden Heftes war über die Jahre hinweg der
Terminkalender, der minutiös auflistet, was Literaturfreunden in
Baden-Württemberg geboten wird. Mit der Zeit ist ihr Mitarbeiterstamm in
etwa mit der literarischen Intelligenz des Landes identisch geworden.
In
der vorerst letzten Ausgabe hat sich Irene Ferchl auf den Weg zur
Schrift und zur Poesie gemacht und zwei Ausstellungen über das Schreiben
von Hand in Marbach und Friedrichshafen besucht. Ihr Bericht beginnt
mit einem Satz Hans Magnus Enzensbergers: „Für das Schreiben mit der
Hand läutet das Totenglöckchen.“ So manches Totgesagte hat sich am Ende
als überlebensfähiger erwiesen als augenblicksverhaftete Unkenrufe.
Bisher hat das „Literaturblatt“ dazugezählt. Die Zuversicht, mit der
sich seine Herausgeberin von Anbeginn über das Krisengerede vom
Untergang des Buches stets hinweggesetzt hat, erleidet nun einen
Dämpfer. Doch Totenglöckchen sind Irene Ferchls Sache nicht: „Wer weiß,
was kommt.“
via https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.literaturblatt-wird-eingestellt-gute-seiten-schlechte-zeiten.468489f3-1764-4bb4-be36-588b83bef071.html
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