Wir schreiben das Jahr 2030. Vom Schock, als vor zehn Jahren die
Preisbindung für Bücher aufgehoben wurde, hat sich der Buchmarkt
mittlerweile wieder erholt. Die verbliebenen Verlage, der Geschenke-,
Schreib- und Buchwarenhandel, sowie die Vereinigung der Bahnhofskioske
melden erstmals wieder steigende Umsätze. Branchenexperten sprechen
bereits von einer Renaissance des Buches und bezeichnen den
Beinahe-Zusammenbruch des Marktes in 2020 als ein längst überfälliges
und reinigendes Gewitter, als einen dringend notwendigen Aderlass für
einen ballastfreien Neuanfang.
Die Pleitewelle, der knapp 50 Prozent der Verlage und zwei Drittel
des stationären Buchhandels zum Opfer gefallen sind, hat auch den
Bildungsdünkel und die überfrachteten Kulturdebatten, die dem Medium
Buch seit jeher anhafteten, mit ausgelöscht. Befreit vom antiquierten
Bildungsballast konnte das Lesen von Büchern in den letzten Jahren einen
enormen Imagewandel verzeichnen und erreicht neuerdings wieder
Zielgruppen, die seit Generationen keine einzige Seite mehr gelesen
haben.
In Bussen und Bahnen sieht man mittlerweile immer mehr Menschen, die
tatsächlich ein Buch in den Händen halten und darin lesen, statt mit
verklärtem Bick auf Handhelds und durch Smart-Glasses zu starren. Das
liegt zum einen daran, dass billige Unterhaltungsliteratur, die nach wie
vor über 80 Prozent des Buchmarktes ausmacht, endlich auch das kostet,
was sie wert ist und somit wieder für alle Bevölkerungsschichten
erschwinglich ist. Romane sind statt für 20 Euro jetzt für
durchschnittlich 99 Cent oder alternativ zehn Payback-Punkte zu haben.
Um der gestiegenen Nachfrage zu begegnen, hat die
Thalia-Douglas-Bahnhofskiosk AG ihre Verkaufsflächen in den letzten zwei
Jahren um über 200.000 qm erweitert. In den Hauptbahnhöfen von
Metropolen wie Berlin, Frankfurt, Hamburg und München sind die modernen
24/7-Filialen mittlerweile rund um die Uhr geöffnet.
Generell hat die Aufhebung der Buchpreisbindung dem Buch völlig neue
Absatzkanäle eröffnet. Für viel Aufmerksamkeit hat zum Beispiel die
Entscheidung der Edeka-Gruppe gesorgt, die begehrten Treuepunkte durch
Treuebücher zu ersetzen. Ab einem Einkauf von 10 Euro gibt es an der
Lebensmittelkasse einen Fitzek-Backlisttitel und ab 20 Euro einen
Elfen-Roman von Bernhard Hennen dazu. Ganz neu und nur so lange der
Vorrat reicht: Von August bis Oktober wird es ab 50 Euro Einkaufswert
sogar einen Longlist-Titel des Deutschen Buchpreises zu jedem Einkauf
mit dazu geben. Bereits jetzt gilt die Edeka-Treuebücher-Aktion als die
erfolgreichste Zugabe-Aktion in der Firmengeschichte des
Lebensmittelhandels. Im Netz werden einzelne Edeka-Treuebücher bereits
zu Spitzenpreisen gehandelt. Für Edeka Marketing-Vorstand Joachim Ländle
ist dies ein untrügliches Zeichen dafür, dass das Buch quer durch alle
Bevölkerungsschichten immer noch eine hohe Attraktivität besitzt. „Die
Treuebücher sind um ein Vielfaches begehrter, als zum Beispiel
Bratpfannen oder Kugelgrills“, so Ländle. Durch den Erfolg der Aktion
beflügelt, plant die Edeka-Gruppe bereits die Gründung eines eigenen
Verlages. Erste Gespräche mit einer Münchener Literaturagentur, die
ihren gesamten Autorenstamm bei Edeka einbringen will, haben bereits
stattgefunden. ... [mehr] https://buchrevier.com/2018/08/18/bibliotopia/
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