Es
ist erst ein paar Tage her, da wunderten sich stoische Bücherleser, wie
eine Diskussion über tippende Eltern im Freibad entbrannte. Das
Smartphone, so die Erkenntnis, sei die Wurzel aller Fahrlässigkeit.
Manch einer erinnerte sich an die eigenen Eltern und wie sie im
Schwimmbad tunlichst Abstand hielten, um sich schnell zu Anna Karenina
und ihrem Grafen flüchten zu können und erst kurz vor Badeschluss wieder
hinter dem Buchrücken aufzutauchen. Als hätte es diese Art von
Alltagsflucht nie gegeben.
Ähnlich apodiktisch geht jetzt der schwedische Möbelhaus Ikea
vor. Aus der lebensnah unaufgeräumten Wohnkultur wurden die Bücher
verbannt. Das Fachmagazin Buchreport äußerte sich in seiner neuen
Ausgabe alarmiert darüber, dass im gerade neu erschienenen Ikea-Katalog
Bücher nur noch eine im besten Wortsinn marginale Rolle spielen – als
schwarze oder weiße, in Ecken drapierte, titellose Design-Einzelstücke.
„Zahlreiche der abgebildeten und explizit als ,Bücherregal‘ bezeichneten
Möbel enthalten Wollknäuel, Geschirr und andere Haushaltsgegenstände,
aber kein einziges Buch“, hieß es entrüstet.
Sicher, jeder hat schon einmal einen
Bücherschrank zweckentfremdet. Man denke nur an die regalfüllenden
DVD-Sammlungen lesefauler Lebenspartner, die jede nach Autoren und
Stilformen geordnete Buchkollektion durcheinander brachten. Oder an die
Hauskatzenangewohnheit, tote Mäuse in ungenutzt gelassenen Fächern zu
verstauen. Aber ein Blick in alte, akribisch im Buchregal gesammelte
Ikea-Kataloge zeigt, dass „Billy“ früher immer voller Bücher stand,
sogar im Kaufhaus selbst, was ja einer von vielen Gründen war, warum man
beim Gang durch die Möbelabteilung immer so lange brauchte. Und wenn
das erstandene Regal noch so langweilig war und auch beim spießigen
Nachbarn stand – zumindest die Auswahl der Titel darin konnte man selbst
bestimmen.
Im neuen
Katalog findet sich lediglich eine Szene, in der ein Fotomodel umgeben
von Bücherstapeln auf dem Sofa liegt: „erschlagen“, wie der Buchreport
moniert. Was will uns Ikea damit sagen? War die Angst zu groß, im Jahr
Eins nach MeToo und inmitten von Diskussionen über kulturelle Aneignung
die falschen Buchtitel zu wählen? „Madame Bovary“ und „Faust“, im
vorbildlichen Schweden unerwünscht? Oder wird da symbolisch der Wunsch
nach mehr Sein als Haben in Szene gesetzt? Ist das die Lehre aus dem
Vormarsch des Digitalen – verpackt in einen millionenfach gedruckten
Katalog? ... [mehr] http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/themen/neuer-ikea-katalog-ohne-buecher-klassiker-fuer-katzen-15763568.html
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