Für wissenschaftliche
Bibliotheken wurde in diesem Jahr auf dem Bibliothekartag in Berlin sehr viel
zum Thema „Open Access“ geboten – mit mindestens acht Sitzungen, Workshops
und weiteren Veranstaltungen. Zusätzlich wurde in Einzelvorträgen auf Open
Access Bezug genommen.
Open-Access-Strategie
Berlin.
Eine Podiumsdiskussion zur
Berliner Open-Access-Strategie fand gleich am Eröffnungstage statt (1). Es
debattierten Andreas Brandtner (FU Berlin), Ellen Euler (FH Potsdam), Martin
Grötschel (BBAW) und Beate Rusche (KOBV) unter der Moderation von Christina
Riesenweber vom Open-Access-Büro Berlin. Nach der Berliner Strategie sind bis
zum Jahr 2020 mindestens 60% der Publikationen von Berliner Hochschulen im
Open Access zu publizieren. Die Herausgabe von Büchern im Open Access soll
gestärkt werden. Forschungsdaten und der freie Zugang zum kulturellen Erbe
sind zu fördern – dies ein Punkt, der ein Novum in der Open-Access-Landschaft
ist. 2016 lag die Open-Access-Quote der Berliner Einrichtungen bei 31,2%.
Warum wurde die in der Strategie festgelegte Quote noch
nicht erreicht? Als Gründe wurden genannt:
- Rigidität der Wissenschaft:
Wissenschaftler interessieren sich nicht für diese Details des
Publikationssystems.
- Marktstruktur: Die Seite
der Nachfragenden, also die Wissenschaftler, bilden einen atomistischen
Markt, dem ein oligopolistischer Markt auf der Anbieterseite (Verlage)
gegenübersteht.
- Strukturen des
Wissenschaftssystems: Zwar werden die Herausgeber und Gutachter
nicht bezahlt, sie üben aber Macht aus. Ein System ist entstanden, das mit
dem Leitbild der „freien Wissenschaft“ wenig vereinbar ist.
- Unterschiede nach Disziplinen:
Die Wissenschaftsdisziplinen zeigen ein unterschiedliches
Publikationsverhalten, was eine flächendeckende Durchsetzung von Open Access
erschwert.
- Zu wenige Anreize, das System zu
wechseln: Ausreichende Anreizsysteme, mehr im Open Access zu publizieren,
sind noch zu schaffen.
Nach der Berliner Strategie werden der Goldene und Grüne
Weg des Open Access als gleichwertig angesehen. Die Teilnehmer der
Podiumsdiskussion zogen Gold Open Access vor, weil es dort weniger rechtliche
Probleme gibt und die Publikationen sofort frei abrufbar sind. Der Grüne Weg
des Open Access zieht hingegen einen größeren Beratungsbedarf nach sich.
Der Kooperative Bibliotheksverbund Berlin-Brandenburg
(KOBV) hat eine Leitlinie für Open Access als Referenzpunkt für das weitere
Handeln erstellt. Längst ist Open Access kein Thema für „Nerds“ mehr.
Vielmehr betrifft es alle Bibliotheken. Die Durchsetzung von Open Access und
die Beseitigung von Hürden wäre im Grunde sogar eine internationale
Angelegenheit. Die regionale Strategie schafft allerdings einen
„Gelegenheitsraum“, der hilft, die Dinge gemeinsam anzugehen. Nach wie vor
erweist es sich aber als schwierig, internationale Entwicklungen auf lokaler
Ebene durchzusetzen.
Zu den DEAL-Verträgen wurde kritisch angemerkt, dass dort
in erster Linie große Verlage adressiert werden. Mit dem Förderprogramm der
DFG zu „Transformationsverträgen“ wurden auch kleinere und mittelgroße
Verlage in den Blick genommen. Bislang sind nur wenige Anträge eingegangen.
Auch entstehen bei der Realisierung der Projekte hohe Kosten. Die regionalen
Verbände könnten sich um die lokal ansässigen Verlage kümmern, um deren
Situation zu verbessern.
Nach wie vor fühlen sich Wissenschaftler und
Bibliothekare unzureichend über Open Access informiert. Das Thema „Open
Access“ müsste daher in die Ausbildungsgänge einbezogen werden. Konzepte dazu
wurden unter anderem an der FH Potsdam und der TH Köln erarbeitet. Allerdings
wird es wohl noch einige Zeit dauern, bis Absolventen mit entsprechender
Qualifikation auf den Arbeitsmarkt gelangen. Bibliotheken sollten das Thema
selbst aufgreifen und beispielsweise in die Ausbildung von Referendaren
integrieren.
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Open-Access-Monitor. Zahlen zu Open Access liegen derzeit nur punktuell vor.
Flächendeckende Daten darüber würden eine wertvolle Informationsquelle für
Forschungsförderer und Bibliotheken darstellen und Autoren als Grundlage für
ihre Publikationsstrategie dienen. Informationswissenschaftlern würden
Forschungsdaten für Studien zum wissenschaftlichen Publikationswesen verfügbar
gemacht.
Das von Bernhard Mittermaier vorgestellte Projekt
„Open-Access-Monitor“ (2) hat zum Ziel, eine umfassende Datenbasis zu
Subskriptions- und Open-Access-Publikationen aufzubauen. Bei der Sammlung der
Daten wird auf bestehende Systeme und Datensammlungen zurückgegriffen (z.B.
OpenAPC, Kompetenzzentrum Bibliometrie, BASE, Dimensions, Unpaywall, COUNTER,
LAS:eR, Nationaler Statistikserver, DOAJ). Ziel ist es, künftig Fragen wie
„Wer gibt wie viel für die Open-Access-Publikation aus?“ oder „Wie ist das
Verhältnis von Open-Access-Ausgaben zu Subskriptionsausgaben?“ auf Knopfdruck
zu beantworten. Um aussagefähige Datenmengen zu erhalten, müssten sich
möglichst viele Bibliotheken und andere Einrichtungen an Projekten wie
LAS:eR, OpenAPC, Statistik-Server und BASE beteiligen. Im Idealfall würden
sich auch die Verlage an CrossRef beteiligen und möglichst umfangreiche
Metadaten dort abliefern.
Nationaler
OA-Kontaktpunkt. Alexandra Jobmann
stellte den Nationalen OA-Kontaktpunkt vor, der die Einrichtungen bei der
Transformation zu Open Access unterstützen soll, unter anderem durch die
Bereitstellung von Publikations- und Kostenanalysen, Herstellung
internationaler Vernetzungen und Entwicklung von Geschäftsmodellen. Sie
stellte zwei Pilotprojekte zu Geschäftsmodellen vor (3):
1) Open-Access-eBooks, ein
Projekt, das gemeinsam mit dem transcript-Verlag und der UB Bielefeld
realisiert wird. Das zu entwickelnde Modell soll auf mittelgroße und kleine
Verlage im deutschsprachigen Raum anwendbar sein. Dabei wird die Frontlist
2019 des transcript-Verlages im Bereich Politikwissenschaft Open Access
gestellt und durch Crowdfunding finanziert. FIDs und Bibliotheken beteiligen
sich daran. Je mehr Einrichtungen dazukommen, desto günstiger wird es für
jede einzelne. Für die mittelgebenden Einrichtungen ergibt sich der Vorteil,
dass keine Lizenzkosten mehr zu entrichten sind. So könnten Gelder für
weitere Projekte der Open-Access-Transformation freiwerden. Dank der
Lizenzierung mittels Creative Commons gibt es keine Einschränkung für die
Nutzung der Inhalte.
2) Open-Access-Journals:
Hier geht es um die Bildung eines APC-Konsortiums und die Entwicklung von
Mechanismen zur Begrenzung von APC-Kosten. Kooperationspartner ist der Verlag
Copernicus. Eine zentrale Abrechnung soll die aufwendige individuelle
Rechnungsstellung ablösen.
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„Ist Open Access
zukunftsfähig?“ In dieser Sitzung
ging es teilweise kontrovers zu. Rafael Ball vertrat in seinem Beitrag „Open
Access - Und was wir übersehen haben“ (4) unter anderem diese Thesen:
-
Die Autoren müssen bei Open Access ein Kostenbewusstsein entwickeln. Wenn sie
sich „ökonomisieren“, kann ein Konflikt mit den Werten einer freien
Wissenschaft entstehen.
-
Für die Sozial- und Geisteswissenschaften eignet sich das APC-System nur
bedingt.
-
Big Deals wie DEAL schlucken zu große Summen. Es besteht die Gefahr, dass
kleine Verlage, von denen einzigartige Leistungen erbracht werden, leer
ausgehen.
-
Bibliotheken verlieren in den bisherigen Konstellationen an Einfluss.
-
Länder der Dritten Welt können sich Publikationsgebühren in vierstelliger
Höhe nicht leisten.
-
Pharmaunternehmen (und eventuell weitere Trittbrettfahrer) profitieren in
hohem Maße von Open Access, beteiligen sich aber nicht an den Kosten, weil
sie selbst kaum publizieren.
R. Ball sprach sich für eine Vielfalt der Wege, Modelle
und Publikationsformate bei Open Access aus. In der anschließenden Diskussion
zeigte sich, dass die Bibliotheken um die meisten Probleme wissen, die R.
Ball genannt hatte, und für sich durchaus Gestaltungsmöglichkeiten sehen.
DEAL bewerten sie als nur einen Baustein unter anderen auf dem Weg zu mehr
Open Access.
Ulrich Herb benannte Erfolge, Misserfolge und
nicht-intendierte Wirkungen von Open Access (5). Mit Open Access sei einst
die Hoffnung verknüpft gewesen, man könne zur Selbstverwaltung der
Wissenschaft zurückkehren. Dies gehe mit der Demokratisierung von Wissen und
der Beschleunigung von Forschung einher. Während sich der letzte Punkt
erfüllt habe, konnten die weiteren Ziele kaum realisiert werden. Vielmehr
sehe man Konzentrationsprozesse ähnlich wie im Subskriptionswesen. Zudem
sorgten steigende Publikationsgebühren dafür, dass sich bald nur noch
bestimmte Einrichtungen diese leisten können; sie würden zum
„Exzellenzmerkmal“. Als Gründe dafür wurden ausgemacht: Der Open-Access-Markt
wachse nur noch langsam. Die Angebote der kommerziellen Anbieter seien
weiterhin hochattraktiv, weil sie etablierte Markenprodukte anbieten. Zudem
setze sich bei Open Access immer mehr ein ökonomisches Kalkül durch.
Verweise:
(1) Christina Riesenweber: Open Access als
regionale Strategie: https://opus4.kobv.de/opus4-bib-info/frontdoor/index/index/docId/15732
(2) Bernhard Mittermaier: Auf dem Weg zu
einem Open-Access-Monitor: https://opus4.kobv.de/opus4-bib-info/frontdoor/index/index/start/0/rows/20/sortfield/score/sortorder/desc/searchtype/simple/query/Open-Access-Monitor/docId/3593
(3) Alexandra Jobmann, Dirk Pieper: Der
Nationale Open Access Kontaktpunkt OA2020-DE - Aufgaben und Ziele: https://opus4.kobv.de/opus4-bib-info/frontdoor/index/index/start/2/rows/20/sortfield/score/sortorder/desc/searchtype/simple/query/jobmann/docId/3604
(4) Rafael Ball: Open Access - Und was wir
übersehen haben: https://opus4.kobv.de/opus4-bib-info/frontdoor/index/index/start/0/rows/20/sortfield/score/sortorder/desc/searchtype/simple/query/rafael+ball/yearfq/2018/docId/3600
(5) Ulrich Herb: Open Access Erfolge und
nicht-intendierte (?) Folgen: https://opus4.kobv.de/opus4-bib-info/frontdoor/index/index/start/0/rows/20/sortfield/score/sortorder/desc/searchtype/simple/query/Open+Access+Erfolge+/docId/3601
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