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Dienstag, 24. Juli 2018

Der Weg Katars in die Wissensgesellschaft

Von Julia Gremm, Julia Barth, Kaja J. Fietkiewicz und Wolfgang G. Stock 
Um der Abhängigkeit von Öl und Gas langfristig zu entgehen, setzt der Staat Katar – eines der reichsten Länder der Welt – auf den Aufbau einer Wissensgesellschaft. Da man von Wissen alleine selbstverständlich nicht leben kann, plant man den Auf- und Ausbau wissensintensiver Branchen und Unternehmen mit dem Ziel, den Wohlstand in Katar zu halten. Bevorzugte Branchen der Diversifikation von Katars Wirtschaft sind IKT, erneuerbare Energien, MICE, Tourismus und Auslandsinvestitionen. Die letzten drei Branchen arbeiten bereits erfolgreich, insbesondere die langfristigen Investitionen in ausländische Unternehmen sind ausgesprochen vielversprechend.

Für alle wissensintensiven Branchen sind Experten nötig. In einer Planung, die ca. Mitte der 90er Jahre einsetzt, sind staatlicherseits Bemühungen sichtbar, Wissens- und Wissenschaftsmanagement auf höchster Ebene zu betreiben. Neben Institutionen zur Ausbildung von Technikern sind sowohl die staatliche Qatar University ausgebaut als auch ein völlig neuer Campus, die Education City, aufgebaut worden. In Education City siedelten sich international renommierte Universitäten mit Zweigstellen an, die passgenau die Studiengänge offerieren, die Katars gegenwärtige Wirtschaft wie auch die Diversifikationsstrategien unterstützen. Zusätzlich wurde erreicht, dass auch Mädchen (denen nicht erlaubt war und ist, das Land alleine zu verlassen) studieren und den Abschluss einer internationalen Universität erhalten können. Die Resultate dieses Aus- und Aufbaus sind ein durchschlagender Erfolg, das staatliche Wissens- und Wissenschaftsmanagement hat für sich gesehen perfekt gearbeitet.

Trotzdem klappt der Übergang der gut ausgebildeten Absolventen auf den Arbeitsmarkt der wissensintensiven Branchen und Unternehmen nicht optimal. Durch die Rentnermentalität der Katari sind insbesondere die Männer wenig geneigt, hart zu arbeiten. Frauen dagegen sehen durch Studium und Beruf Chancen, sich den traditionellen Schranken der katarischen Familie (etwas) zu entziehen. Allerdings arbeiten die meisten Absolventen, Männer wie Frauen, vor allem im sehr gut bezahlten öffentlichen Dienst, wo sie ihr erworbenes Wissen nicht anwenden können. Bei den Expats unter den Absolventen ist problematisch, dass sie zur Arbeitsaufnahme einen Sponsor benötigen und dass sie kaum die Chance bekommen werden, in Führungspositionen aufzusteigen, da diese soweit wie möglich mit Einheimischen besetzt werden. So kommt es letztendlich dazu, dass die Arbeitsplätze in den wissensintensiven Unternehmen und Institutionen (etwa in den Hochschulen selbst) von im Ausland ausgebildeten Experten ausgeführt werden, die nur kurz- oder mittelfristig im Lande bleiben. Zugespitzt ausgedrückt heißt dies, dass man sich das kostspielige Wissensmanagement hätte ersparen können, wenn man wegen sozialer und kultureller Gewohnheiten nicht in der Lage ist, das Potential der (ja völlig erfolgreichen) Bemühungen adäquat abzuschöpfen. Dies kann (ja: muss) sich in Zukunft ändern, sonst wird die Lage in Katar nämlich prekär. Sollten die hochgebildeten Ausländer Katar verlassen, ist kaum noch jemand (außer der katarischen Führungselite) da, der das erarbeitete Wissen weiterführen und anwenden kann. Mit den ausländischen Experten verlässt auch deren Wissen Katar; das derzeit vorhandene Wissen versickert wie Wasser im Wüstensand.

Was können Informationswissenschaft und -praxis aus dieser katarischen Lektion lernen? Man kann erstklassige Arbeit im Wissensmanagement abliefern, aber trotzdem im gesamten Plan scheitern, wenn man Kultur und Gesellschaft nicht berücksichtigt hat. Änderungen in Wissensproduktion, Informationsübermittlung, Wissenskonsum sowie die Kreation smarter Dienste, Produkte und Branchen gehen notwendig mit Änderungen in Gesellschaft und Kultur einher.

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