Die Debatte um geraubte Kulturgüter aus der Kolonialzeit nimmt weiter
an Fahrt auf. Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) regte in
einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur an, offensiver über
Rückgaben an die Herkunftsvölker nachzudenken.
„Einfach nur passiv
abzuwarten, bis jemand etwas zurückhaben möchte, ist nicht der richtige
Weg, um unsere koloniale Vergangenheit aufzuarbeiten“, sagte Grütters.
„Wir sollten von uns aktiv auf die Nachfahren zugehen.“
Bei
menschlichen Gebeinen gilt es schon lange als selbstverständlich, dass
die Nachfahren ohne Wenn und Aber Anspruch darauf haben. Das könnte nach
Meinung von Grütters künftig auch bei Kunst- und Kultobjekten sein, die
für das kulturelle Selbstverständnis afrikanischer Völker wesentlich
sind.
„Wir haben in Deutschland ein Kulturgutschutzgesetz
beschlossen, um Objekte zu bewahren, die für uns identitätsstiftend
sind“, sagte die CDU-Politikerin. „Das muss man dann aber auch für Objekte etwa aus Afrika, Asien oder Ozeanien anerkennen, die
unrechtmäßig entwendet wurden und für die Menschen dort grundlegende
Bedeutung haben. Hier sollten wir mit Experten bedenken, wie wir
proaktiv mit möglichen Rückgaben umgehen.“Das Deutsche Reich war -
verglichen mit der fast 500 Jahre währenden Kolonialgeschichte anderer
europäischer Staaten - nur kurz Kolonialmacht. Dennoch gelangten
zwischen 1884 und 1918 zahllose Kulturgüter aus den beherrschten
Regionen unrechtmäßig in deutsche Museen und Sammlungen.
Grütters
hatte sich schon kürzlich in einem gemeinsamen Zeitungsbeitrag mit
Außenamts-Staatsministerin Michelle Müntefering (SPD) dafür
ausgesprochen, im Umgang mit dem kolonialen Erbe über „markante
Schritte“ nachzudenken.
Auslöser war ein Bericht der
Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy und des senegalesischen Ökonomen
Felwine Sarr für den französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Die
beiden Experten schlagen vor, praktisch alle aus der Kolonialzeit
stammenden Kunstwerke an die Herkunftsländer in Afrika zurückzugeben.
Voraussetzung
dafür wären nach Ansicht von Grütters klar definierte Regeln.
„Ansprechpartner müsste die staatliche Seite sein, um nicht Konflikte
auszulösen. Man muss genau wissen, wohin und an wen man zurückgibt“,
sagte sie. In Zweifelsfällen könnte eine unabhängige, international
besetzte Kommission bei der Klärung helfen.
Dennoch bleibt es der
Staatsministerin zufolge unverzichtbar, die Herkunftsgeschichte der
Objekte gründlich aufzuklären. So müssten die Museen fragliche Bestände
umfassend digitalisieren und in eine allgemein zugängliche Datenbank
einstellen. „Die Menschen in Afrika, Asien und Ozeanien müssen ohne
große Mühe sehen können, was sich in unseren Beständen befindet und
worüber wir eigentlich reden. Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass
wir Wissen für uns behalten.“Erneut sprach sich Grütters auch für
breite Stipendienprogramme aus, mit denen Museumsexperten aus
Deutschland nach Afrika gehen können und umgekehrt. Nur durch Austausch
und die Anschauung vor Ort lasse sich ein Dialog auf Augenhöhe
erreichen, sagte sie. „Das wird auch die Ausstellung der Objekte bei uns
grundlegend verändern. Wir müssen ihre Geschichte umfassend erzählen
und endlich aus der Falle des eurozentrischen Blickwinkels
herauskommen.“
Gastbeitrag Grütters und Müntefering in der FAZ
Arbeitsgruppe zum kolonialen Erbe
Bericht Savoy/Sarr (englisch)
dpa 02.01.2019
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