Einst trug die digitale Technologie zur Befähigung von Bürgerinnen
und Bürgern und zum Sturz von Diktatoren bei. Heute wird sie als
Instrument der Unterdrückung und des Unfriedens genutzt. Aus dieser
Entwicklung lassen sich mehrere wichtige Lehren ziehen.
Erstens hat die Schwächung der Informations-Gatekeeper des alten
Stils wie Medien, Nichtregierungsorganisationen, Regierungen und
wissenschaftliche Einrichtungen die Außenseiter zwar gestärkt, sie auf
eine andere Weise aber auch nachhaltig entmachtet. Für Dissidenten ist
es nun einerseits einfacher, die Zensur zu umgehen. Aber die
Öffentlichkeit, die sie jetzt erreichen, ist häufig so laut und
verwirrend, dass sie kaum noch eine Wirkung erzielen. Wer einen
positiven gesellschaftlichen Wandel anzustoßen hofft, muss die Menschen
davon überzeugen, dass in der Welt etwas verändert werden muss und dass
es einen konstruktiven, vernünftigen Weg gibt, dies zu tun. Dagegen
müssen autoritär und extremistisch Eingestellte oft nur für zusätzliche
Verwirrung sorgen und ganz allgemein das Vertrauen schwächen.
Zersplitterung und Lähmung halten dann alle davon ab zu agieren. Die
alten Gatekeeper ließen einen Teil der Wahrheit und abweichenden
Meinungen nicht an die Öffentlichkeit dringen. Sie verhinderten aber
auch viele Formen von Falschinformationen.
Zweitens sind die neuen algorithmischen Gatekeeper nicht einfach (wie
sie gern glauben) neutrale Kanäle zur Weitergabe von Wahrheit und
Unwahrheit. Sie verdienen ihr Geld damit, die Leute auf ihren Websites
und Apps zu halten. Damit gleichen ihre Motive immer mehr derer, die
Empörung schüren, Falschinformationen verbreiten und die bestehenden
Vorurteile und Vorlieben bedienen. Die alten Gatekeeper haben in
vielerlei Hinsicht versagt und dieses Versagen hat sicherlich dazu
beigetragen, Misstrauen und Zweifel anzufachen. Aber die neuen
Gatekeeper haben Erfolg damit, Misstrauen und Zweifel zu befeuern,
solange sie angeklickt werden.
Drittens ist der Schwund der Gatekeeper vor allem im
Lokaljournalismus folgenschwer. Während einige große US-Medienbetriebe
den vom Internet verursachten Umbruch (bis jetzt) überlebt haben, hat
diese Umwälzung das lokale Zeitungswesen fast komplett zerschlagen und
dieser Branche auch in vielen anderen Ländern geschadet. Das hat den
Nährboden für Falschinformationen geschaffen. Es bedeutet auch, dass
insbesondere diejenigen, die auf lokaler Ebene die Macht ausüben,
weniger hinterfragt werden. Damit sind sie weniger
rechenschaftspflichtig. Die russischen Agenten, die überall in den USA
gefälschte Medienorganisationen schufen, verstanden entweder den Hunger
nach Lokalnachrichten oder diese Strategie war ein reiner Glücksgriff.
Ohne eine gegenseitige Kontrolle auf lokaler Ebene nehmen Verfälschungen
zu und setzen sich nach oben fort. Sie leisten schließlich einer
globalen Welle der Verfälschung und Desinformation Vorschub, die bei
vielen der aktuellen politischen Krisen eine wichtige Rolle spielt. ... [mehr] https://www.ipg-journal.de/schwerpunkt-des-monats/demokratie-und-digitalisierung/artikel/detail/vom-tahrir-platz-zu-donald-trump-3212/
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