Seit
geraumer Zeit ist schmerzhaft die mangelnde Selbstverständlichkeit und
hohe Fragilität liberaler Demokratien wahrnehmbar. Diese Krise ruft das
Diktum von Ernst-Wolfgang Böckenförde ins Gedächtnis, wonach der
freiheitliche, säkularisierte Staat von Voraussetzungen lebt, die „er
selbst nicht garantieren kann“. Der moderne Staat und jedes demokratisch
konzipierte Gemeinwesen – auch das der Europäischen Union
– sind keine Gegebenheiten, sondern Errungenschaften und fortdauernde
Projekte, deren Behauptung, Vitalität und Gestaltung in der
unveräußerlichen Verantwortung ihrer Bürger liegen.
Bei tiefer gehender
Betrachtung lassen sich drei Faktoren identifizieren, die zwar weder
einzeln noch zusammengenommen hinreichend, aber doch jeweils notwendig
sind, um den freiheitlich-demokratischen Staat zu erhalten: Gemeinsinn,
theoretisch wie praktisch vernünftige und zur Mitteilung fähige und
bereite Bürger sowie eine freie, unabhängige Presse und
Berichterstattung. Es handelt sich dabei nicht um isoliert
nebeneinanderstehende, sondern um interdependente, miteinander vertäute
Pfeiler einer jeden Demokratie.
Der Gemeinsinn
ist das Bindemittel, das die Gesellschaft eines Staates in guten wie in
schlechten Zeiten im Innersten zusammenhält. Er bildet die Grundlage
dafür, dass die Menschen dauerhaft im Diskurs bleiben und gegebenenfalls
pragmatische Kompromisse schließen können. Speziell in Deutschland
stehen sich seit den siebziger Jahren in der Debatte über Gemeinsinn das
Konzept des Verfassungspatriotismus (Sternberger/Habermas) und die
Betonung kultureller Nähe beziehungsweise Identität gegenüber.
Tatsächlich ist Kultur notwendig, um dem eher rationalen Konstrukt eines
Verfassungspatriotismus menschlich-irrationalen Halt zu verleihen. In
der EU ist Kultur einer der wichtigsten Integrationsfaktoren. Sie schafft
Gemeinsinn. Kultur ihrerseits wird durch Kreative, das heißt Urheber,
geschaffen. Deren Schöpfungen machen in vielen Fällen wiederum erst
Unternehmer möglich, die investieren und Produktion sowie Distribution
organisieren. ... [mehr] http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/abstimmung-im-eu-parlament-demokratie-braucht-urheberrecht-15781003.html
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