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Donnerstag, 23. April 2020

filmfriend.de - eine Alternative zu Netflix & Co.

Die Film- und Serienangebote kommerzieller, global agierender Streamingdienste wie Netflix, Amazon Prime, Disney+ oder Sky sind schier unerschöpflich, wenn auch unübersichtlich. Daneben können Filminteressierte auch noch auf die Angebote einheimischer Video-on-Demand-Portale sowie die wachsenden Bestände der Mediatheken der Fernsehsender zugreifen.
Wer kostenfrei oder für kleines Geld eine solide und überschaubare Auswahl hochwertiger Filme und Serien nutzen will, findet in dem neuartigen Portal filmfriend.de jetzt eine attraktive Alternative. Es ist das erste Video-on-Demand-Portal für öffentliche Bibliotheken. Sein ambitioniertes filmkulturelles Programm ist allerdings nur für registrierte Nutzer der Bibliotheken zugänglich. Der Filmabruf selbst ist kostenfrei; Voraussetzung ist lediglich ein Bibliotheksausweis. Die User müssen sich nur auf filmfriend.de, der Homepage der teilnehmenden Bibliothek oder über die App mit Ausweisnummer und Passwort anmelden.
Das Angebot reicht von deutschen Filmklassikern über erfolgreiche internationale Arthouse-Filme, TV- und Kinodokumentationen, Kurzfilme und Serien bis zu Kinder- und Jugendfilmen. Die Filme stehen überwiegend in Full-HD-Auflösung zur Verfügung. Bisher werden rund 1600 Filme und 400 Serienfolgen angeboten, etwa zehn Prozent sind sorgfältig ausgewählte Kinder- und Jugendfilme. Jede Woche kommen rund vier neue Titel dazu, im Jahr also etwa 200 Stück.
Entwickelt wurde das Portal von dem Potsdamer Unternehmen Filmwerte GmbH, das sich seit der Gründung 2010 auf Portalmanagement, Filmvertrieb und Filmrechteverwaltung spezialisiert hat. Seit 2013 hat es in Kooperation mit der „Schätze des deutschen Films GFT“ GmbH das VoD-Portal alleskino.de aufgebaut, das sich auf deutsche Kinofilme konzentriert.
Filmfriend.de ging im Juli 2017 in Berlin mit dem Verbund der Öffentlichen Bibliotheken Berlins an den Start. Im Dezember 2017 wurde das Portal im Rahmen des Innovationspreises Berlin Brandenburg mit dem Sonderpreis für Soziale Innovationen ausgezeichnet. Seitdem hat es sich erfreulich entwickelt, wie filmwerte-Geschäftsführer Andreas Vogel erklärt. „Inzwischen bieten rund 150 Büchereien in Deutschland und zehn in der Schweiz das Portal ihren Nutzerinnen und Nutzern an – Tendenz steigend. Zum 1. Juni soll mit der Stadtbibliothek Linz die erste Bibliothek in Österreich dazustoßen.“
Das Portal ist werbefrei, erhebt keine personenbezogenen Daten und ist vielseitig nutzbar, wie die Kantonsbibliothek Thurgau auf ihrer Homepage hervorhebt: „Die Filme sind rund um die Uhr verfügbar und lassen sich im Zug oder Café auf diversen mobilen Geräten streamen. Zu Hause können sie auf dem PC oder Mac oder noch bequemer auf dem Fernseher angeschaut werden. Für letzteres braucht es lediglich ein kleines Zusatzgerät wie Chromecast oder Apple TV. Oder man verbindet den Laptop einfach via HDMI-Kabel mit dem Fernseher.“
Großen Wert legt das Portal auf eine strenge Qualitätsauswahl, eine glaubwürdige Vermittlung und hilfreiche Einordnung. „Wir wollen nicht zuletzt eine Heimstatt für gute Filme sein, die man sonst nirgendwo öffentlich sehen kann“, sagt Horst Peter Koll, der die Kinder-, Jugend- und Familienfilme kuratiert. Orientierungshilfe im Filmdschungel geben die drei Kuratoren unter anderem durch regelmäßige Filmtipps und Kollektionen. Aktuell stellt zum Beispiel eine Kollektion zum deutschen Filmregisseur Peter Lilienthal, der im November 2019 90 Jahre alt wurde, unter dem Motto „Kino der Würde und der kleinen Gesten“ drei ältere Filme von Lilienthal vor. Eine weitere Kollektion belegt die „phänomenale Rollenvielfalt“ der Berliner Schauspielerin Alice Dwyer anhand von sieben ihrer Filme – von „Baby“ (2002) bis „Winnetous Sohn“ (2015). Ergänzt wird das Filmangebot durch biographische Zusatzinfos etwa zu Regisseuren und Drehbuchautoren wie Roland Klick („Bübchen“) und Ralf Huettner („Vincent will Meer“) oder Schauspielern wie Willem Dafoe, Marie Bäumer und Gérard Depardieu.
Die Nachfrage der Nutzer nach bestimmten Filmsorten schwankt dabei erheblich. Klassiker tun sich eher schwer. Als kürzlich die Erich-Kästner-Verfilmung „Drei Männer im Schnee“ (1955) ins Programm aufgenommen wurde, signalisierte schon die niedrige Zahl der „Likes“, dass das Interesse daran nicht sehr groß ausfallen würde.
Ganz anders sieht es bei den Dokumentarfilmen aus, die sich wachsender Beliebtheit erfreuen. Vor allem, wenn die Kuratoren aus aktuellem Anlass oder zu Gedenktagen Schwerpunktprogramme zusammenstellen, etwa zur Atomkatastrophe von Fukushima oder zu „30 Jahre Auf- und Umbruch in Ostdeutschland“. „Wenn wir über tagesaktuelle Ereignisse oder Jubiläen die Aufmerksamkeit auf Filme zum Thema lenken können, gehen die Zugriffe meist nach oben“, weiß Koll zu berichten.
Ohnehin hält es Koll für eine notwendige kuratorische Aufgabe, die Einzelfilme so gut es geht in größeren Zusammenhängen zu vermitteln: „Jetzt kommen beispielsweise vier Spielfilme von Angela Schanelec, die sinnstiftend eingeordnet und animierend erläutert werden. Zudem stellen wir demnächst die in Kenia entstandenen Spielfilme ein, die aus Tom Tykwers Produktionsinitiative One Fine Day entstanden. Da macht es Sinn, die Idee hinter dem Projekt zu verdeutlichen.“
Andreas Vogel sagt: „Seit unserem Relaunch vor einem halben Jahr waren die ‚Top-3-Filme‘ der Ethan-Hawke-Thriller ‚Predestination‘, das Drama ‚Take This Waltz‘ und ‚The Dressmaker – Die Schneiderin‘ mit Kate Winslet. Auch ‚All Beauty Must Die‘ mit Ryan Gosling und Kirsten Dunst, ‚Alles was kommt‘ mit Isabelle Huppert und ‚Dallas Buyers Club‘ liefen sehr erfolgreich. Momentan werden auch deutsche Produktionen verstärkt wahrgenommen: Populäre Sujets wie die ersten beiden ‚Bibi und Tina‘-Filme oder ‚Hin und weg‘, erfreulicherweise aber auch ein ambitionierter Film wie ‚Der lange Sommer der Theorie‘.“
Da auch große Bibliotheken und Netzwerke die Dienste von filmfriend in Anspruch nehmen, lässt sich hochrechnen, dass das Portal knapp zwei Millionen potenzielle Zuschauer erreicht. Wie viele Kunden das Angebot tatsächlich nutzen, lässt sich an den genutzten Filmminuten ablesen. „An einem der letzten Samstage haben rund 3000 Nutzer zusammen 140.000 Minuten Film abgerufen“, sagt Vogel.
Die Vorgaben des Jugendschutzes erfüllt das Portal elegant über den Mitgliedsausweis bei der Bibliothek. Wer sich dort angemeldet hat, muss das Geburtsdatum angeben. So kann die Plattform beim Einloggen leicht prüfen, ob das Lebensalter des Nutzers zum Altersfreigabe durch die FSK passt.
Gerade im Bereich des Kinder- und Jugendfilms setzt filmfriend auf eine Vernetzung mit starken Medienpartnern, welche signalisieren, dass es sich um ein vertrauenswürdiges Programm handelt, um die Reputation des Angebots zu stärken. Ein Schlüsselpartner ist das Deutsche Kinder- und Jugendfilmzentrum (KJF) in Remscheid. „Da war mir wichtig, dass wir neben den Altersgrenzen der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) die zuverlässigen, pädagogisch fundierten Altersempfehlungen des KJF verwenden können“, sagt Koll.
Zudem pflegt filmfriend.de eine Partnerschaft mit dem Festival doxs!, der Kinderfilmschiene der Duisburger Dokumentarfilmwoche. „Mit Hilfestellung der Festivalmitarbeiter haben wir eine Reihe attraktiver Dokumentarfilme ausgewählt“, berichtet Koll. Eine Verbindung ist das Portal auch mit dem Netzwerk Kinderfilmfeste NRW eingegangen, die sich zunächst in einer Zusammenarbeit bei der 30-Jahre-Ausgabe des Kölner Kinderfilmfestivals Cinepänz manifestiert hat. Weitere Kooperationen sind mit dem Kuratorium junger deutscher Film, Vision Kino und dem Festival „Goldener Spatz“ in Erfurt und Gera angedacht.
Die teilnehmenden Bibliotheken profitieren in mehrfacher Hinsicht. Zum einen können dadurch auch Menschen erreichen werden, die die traditionellen Wege der Filmrezeption gemieden haben oder meiden mussten, nicht zuletzt aus finanziellen Gründen. Mit dem digitalen VoD-Angebot ermöglichen die Bibliotheken auch dieser Gruppe einen leichteren Zugang zur Filmkultur. Zum anderen bieten sie in einer Zeit, in der physischen Trägermedien wie DVD oder Blu-ray keine lange Zukunft mehr vorhergesagt wird, eine komfortable Film-Alternative. Außerdem erhalten die Bibliotheken über filmfriend die Chance, sich stärker als zuvor als „ambitionierter und vitaler Kulturort zu präsentieren“. So ist angedacht, dass das Portal die Bibliotheken mittelfristig unterstützt, Filmkultur in die Häuser zu holen, etwa zu Filmvorführungen mit Begleitgesprächen.
Auf keinen Fall will filmfriend.de dem Medium Kino Konkurrenz machen, das auch in Zukunft seinen Platz als unverzichtbarer Ort für gute Filme behalten soll. Vielmehr will das Portal dem Kino durch eine enge Kooperation den Rücken stärken. Als Beispiel sei der „Oscar“-Gewinner „Parasite“ genannt. Wer das Meisterwerk im Kino gesehen hat, kann bei filmfriend.de weitere Werke des südkoreanischen Regisseurs Bong Joon-ho wie den Mystery-Thriller „Mother“ (2009) und das Krimi-Drama „Memories of Murder“ (2003) entdecken. „In diesem Fall hat das hervorragend funktioniert. Wir haben über die sozialen Medien bekanntgegeben, dass die beiden Filme abrufbar sind. Das haben die Bibliotheken wiederum mitgespiegelt, so dass die Filme am Ende eine große Resonanz fanden. Einige Nutzer haben danach geschrieben: ‚Schön, dass ich das als Erweiterung erleben kann.‘ So verbinden sich Kino-Repertoire und Kino-Aktualität“, sagt Koll.

via https://www.filmdienst.de/artikel/41164/filmfriend-filmportal-der-bibliotheken

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