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Freitag, 24. April 2020

Museen in der Krise - wie geht es weiter?

Offener Brief von ICOM Deutschland Präsidentin Beate Reifenscheid an Kulturstaatsministerin Monika Grütters

Berlin, 20. April 2020: Sehr geehrte Ministerin, liebe Frau Grütters,
die Einschränkungen, die durch das Corona-Virus hervorgerufen wurden, sind für die gesamte Gesellschaft in Deutschland eine enorme Herausforderung, nicht nur ökonomisch, sondern vor allem, um den gesellschaftlichen Zusammenhalt dauerhaft zu sichern und auf lange Sicht mit den ökonomischen Einbußen umzugehen. Davon sind auch die Museen nicht ausgenommen. Umso mehr begrüßen wir, dass Sie, verehrte Ministerin, bereits sehr früh ein umfangreiches Stabilisierungspaket für die freie Szene aufgelegt haben, das während dieser Krise entscheidendeUnterstützung liefern kann und für die Zeit danach hilft, sich neu zu etablieren.Für ICOM Deutschland ist es jedoch ein ebenso großes Anliegen, die Museen in dieser Phase zu schützen und Hilfen bereitzustellen. Hierzu bitten wir Sie eindringlich um Unterstützung. Seit der Schließung aller Museen am 15. März 2020 ist nicht nur ein Stillstand eingetreten, sondern für viele Museen bedeutet dies enorme Unsicherheit. Wie und wann geht es weiter? Wie können die geplanten Ausstellungen durchgeführt, wann müssen sie verschoben oder gar abgesagt werden? Wie wirken sich Verzögerungen in der Planung aus und vor allem, welche Konsequenzen kommen auf die Museen zu, die in dem als “freiwillige Leistung” bezeichneten Sektor so oft als Erste von Kürzungen betroffen sind? Es ist davon auszugehen, dass Länder und Kommunen die gewaltigen ökonomischen Einbußen, die in den letzten Wochen entstanden sind -und zeitlich unabsehbar noch entstehen werden -genau dort abfedern, wo sie vermeintlich Spielräume für Einsparungen sehen. Dies gilt es abzuwenden, denn sonst wird die reiche Museumslandschaft, für die Deutschland weltweit berühmt ist, bereits kurzfristig nicht mehr bestehen. Die Unsicherheit greift natürlich noch deutlich weiter in den Bereich derer, die nur befristeteArbeitsverträge in den Museen haben und nun vor einer möglicherweise noch unsichereren Zukunft stehen. Viele befinden sich bereits in Kurzarbeit, andere sind schon entlassen worden. Kuratoren, Restauratoren, Museumspädagogen, die nur bei Bedarf angefragt werden, fallen vermutlich dem Rotstift zum Opfer, selbst wenn die unmittelbare Krise vorbei ist. Innerhalb von ICOM Deutschland haben wir in den letzten Wochen zahlreiche Gespräche geführt und Anfragen erhalten, die von Sorgen und Nöten einen Widerhall gaben. ... Es sind nicht nur die Unsicherheiten bei der derzeitig unsicheren Lage hinsichtlich der möglichen Wiedereröffnung von Museen als auch der anstehenden Ausstellungsprojekte in diesem und im nächsten Jahr, sondern auch die massiven Einnahmeeinbußen, die enorm sein werden und die für die Bestandssicherung aller Institutionen essentiell sind. Mehr noch, Museen sind Orte wichtiger gesellschaftlicher, kultureller und historischer Übereinkunft und gerade jetzt, mehr denn je, gesellschaftlich mit entscheidend, um die Krise zu überstehen. Sie bieten Rückhalt im kulturellen Erbe, als Orte der humanistischen Bildung und des gesellschaftlichen Zusammenhalts, in denen die Themender Gegenwart mit großer Offenheit verhandelt werden können. Wir verstehen Museen in ihrer Pluralität von zentraler Bedeutung für unsere Gemeinschaft. Sie ermöglichen niedrigschwellig vielfältige Kommunikation zwischen diversen Kulturen und bieten breit angelegtes Forschen, Lernen und Erleben an. Ihre Bedeutung als “außerschulische Lernorte” unterstreicht ihre Bildungsrelevanz, die es gerade jetzt zu stärken und zu erfüllen gilt. Viele Museen sind bereits in der Lage, die geforderten Abstandsregeln und Hygienevorschriften umzusetzen. Wir befürworten, dass die Museen bald möglichst eine verantwortungsvolle Wiedereröffnung vollziehen dürfen. Selbstverständlich gilt es auch hier Lösungen mit Augenmaß zu finden, insbesondere eine Staffelung nach räumlichen, personellen und technischen (hygienischen) Gegebenheiten zu erwägen. Da Museen sich stets im Dialog mit der Politik in ihren eigenen Ländern und Kommunen befinden, nicht zuletzt auch um ihre Legitimation im gesellschaftlichen Kontext zu beweisen, dürfen sie gerade jetzt nicht allein gelassen werden. ICOM Deutschland steht seinen Mitgliedern in dieser Zeit eng und in Abstimmung mit dem Weltverband in Paris zur Seite. Wir nehmen die derzeitige Situation im multiplen Krisengrad der Museen global wahr und stehen mit vielen im direkten Austausch. In vielen Ländern sind die Auswirkungen noch weit dramatischer. Deutschland ist in der Zeit der Krise zu einem weltweiten Vorbild geworden. Aber gerade damit die Museen in Deutschland in ihrem Bestand gesichert bleiben und ihre komplexen Aufgaben auch in den kommenden Jahren wahrnehmen können, bitten wir Sie, sehr verehrte Frau Grütters, um ein sichtbares Zeichen der Fürsprache, das deutlich für die Kulturträger ist, sowie um finanzielle Unterstützung für die betroffenen Museen. Es würde vielen Museen in dieser schwierigen Zeit zum Beispiel helfen, wenn evaluiert würde, wie hoch der Einnahmeverlust ist und wie dieser durch einen zusätzlichen Rettungsschirm abgefangen werden könnte. Wenn diese Gelder zur Verfügung gestellt würden, werden alle Museen die derzeitigen Probleme zumindest ansatzweise abfedern können. Gerade das wird dann für kommunale und länderpolitische Kulturträger ein Zeichen der Wertschätzung seitens der Bundesregierung sein, dem sie positiv und verantwortungsvoll begegnen werden. Ohne ein solches Signal könnten sich gerade die Museen in dieser Krise von der Politik schnell allein gelassen fühlen. ICOM Deutschland ist selbstverständlich gerne bereit, die aktuelle Situation auch im persönlichen Gespräch mit Ihnen,aber auch dem Kulturrat,zu erörtern und mögliche Lösungswege zu diskutieren. Wir wertschätzen sehr, wie stark Sie sich für die Kultur in Deutschland einsetzten und wünschen Ihnen Kraft, Energie und Gesundheit für die kommenden Monate.
Mit herzlichen Grüßen, Beate Reifenscheid Präsidentin, ICOM Deutschland

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