Afrika ist uns näher gerückt. Das hat nicht nur mit der gestiegenen
Migration aus unserem Nachbarkontinent zu tun, nicht nur mit der
islamistischen Bedrohung und nicht nur mit den häufigen
Naturkatastrophen, deren Bilder uns erreichen. Wir wähnen uns zudem
angesichts der drohenden Klimakatastrophe in einer
Schicksalsgemeinschaft mit Afrika.
Die wachsende Nähe ist greifbar und ihre Erscheinungsformen erzeugen
Konflikte und Spannungen. Dies gilt auch für die Frage, wie die
Afrika-Politik der Bundesrepublik, der EU und insgesamt des Westens
ausgerichtet werden sollte, auch angesichts des gestiegenen Engagements
Chinas und anderer Schwellenländer und der zunehmend erratischen Haltung
der USA. Wie viel Gewicht soll auf Demokratie und Menschenrechte gelegt
werden? Soll der Fokus stärker auf der Förderung privater Investitionen
liegen? Welchen Stellenwert hat der Kampf gegen die Folgen des
Klimawandels? Welche Lösungen auch präferiert werden, eines ist klar:
Die gängige Praxis, Afrika im Wesentlichen als Rohstofflieferant in die
Weltwirtschaft einzubinden, kann nicht fortgesetzt werden. Dies gilt
nicht nur wegen der kolonialen Vorgeschichte dieser Praxis, sondern auch
angesichts ihrer eindeutig negativen Folgen für Umwelt, Politik und
Gesellschaft.
Der gerade bei der Zürcher Edition Moderne erschienene Comic
„Salzhunger“ des Schweizer Künstlers und Architekten Matthias Gnehm
nimmt sich nun das Thema der Rohstoffausbeutung des afrikanischen
Kontinents vor. Der Rohstofffluch wird auf der Basis kolonialer
Strukturen, die vielfach von den afrikanischen post-kolonialen Eliten
schlicht übernommen wurden, immer weiter reproduziert. Gnehm fügt drei
weitere, verwandte Themen hinzu: Zum einen die Kehrseite der
Rohstoffausbeutung – Afrika als Müllplatz Europas, insbesondere für
Giftmüll und Elektroschrott; dann die Verdrängung von marginalisierten
Bevölkerungen für den Bau von Luxuswohnungen, für Infrastrukturprojekte
und für die Rohstoffgewinnung; und nicht zuletzt die all diese Phänomene
umschließende Korruption, hier insbesondere als Schmiermittel für die
Deals mit westlichen Konzernen.
„Salzhunger“ ist jedoch keine trockene Abhandlung über diese Themen.
Es ist auch keine solide recherchierte Comic-Reportage. Der Autor
verwendet das Mittel der Fiktion, um auf der Basis konkreter Ereignisse
eine verschachtelte Abenteuer- und Liebesgeschichte zu erzählen, die uns
aus der Schweiz ins nigerianische Lagos und zurück führt. Der mit der
Bewältigung einer Trennung beschäftigte Protagonist gerät als
Mitarbeiter einer NGO in den Strudel der Ereignisse. Er muss im
Angesicht des Leids anderer eine politische Haltung jenseits seiner
persönlichen Melancholie finden – eine Metapher für die generelle
Herausforderung, trotz der vielen Alltagsprobleme mit Empathie auf die
ungleich größeren Sorgen anderer zu schauen, und auch entsprechend zu
handeln. ... [mehr] https://www.ipg-journal.de/aus-meinem-buecherschrank/artikel/afrikas-fluch-3482/
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