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Freitag, 4. Januar 2019

Christliche Nächstenhiebe / Bettina Rühl. In: IPG (= Internationale Politik und Gesellschaft) 28.12.2018

John Magufuli, der Präsident Tansanias, ist ein bekennender und praktizierender Katholik. Als er 2015 um das höchste Staatsamt kämpfte und die tansanische Bevölkerung von sich überzeugen wollte, machte er Wahlkampf mit dem Gebet, stellte seine Gläubigkeit zur Schau. Magufuli gewann die Wahl und wurde vor gut drei Jahren vereidigt. Wenn, wie in diesem Fall, ein praktizierender Christ an die Macht kommt, wird in westlichen Staaten niemand nervös. Hätte Magufuli so demonstrativ zu Allah gebetet, wie er seinen katholischen Glauben praktiziert, wäre die westliche Staatenwelt vermutlich weniger gelassen gewesen. Nach seiner Wahl galt Magafuli zunächst als Hoffnungsträger, in Tansania selbst und im Ausland. Seine religiös fundierte Moral schien zu einer segensreichen politischen Rigorosität zu führen. Magufuli griff hart gegen Korruption und Vetternwirtschaft durch. Er schien der richtige Mann zu sein, um die maroden Staatsfinanzen zu sanieren. Er wurde als Vorbild für den Kontinent gepriesen.
Aber mit der Zeit verschwand der Segen, was blieb, war die Moral. Im September erklärte Magufuli seinen verblüfften Zuhörerinnen und Zuhörern, Frauen, die zur Geburtenkontrolle griffen, seien nur zu faul, eine Familie zu ernähren. „Ich bin nach Europa und in andere Regionen gereist und habe dort die schädlichen Folgen der Geburtenkontrolle erlebt“, berichtete er. „Einige Länder leiden jetzt unter dem Rückgang ihrer Bevölkerung.“ Nun muss Tansania genau das nicht fürchten. Bei einem Bevölkerungswachstum von gut drei Prozent ist das Land schon jetzt bei weitem damit überfordert, genug neue Jobs für den Nachwuchs zu schaffen. Fast jeder zweite Tansanier ist jünger als 15 Jahre, jedes Jahr drängen 800 000 junge Leute zusätzlich auf den Arbeitsmarkt. Schon jetzt lebt ein Drittel der gut 50 Millionen Einwohner nach Angaben der Weltbank in Armut. Die Menschen können also trotz allen Fleißes ihre Familien faktisch kaum ernähren.
Magufulis praktizierter Katholizismus treibt ihn nicht nur zu derart bizarren Meinungsäußerungen, sondern auch zu Dekreten, die von religiöser Eiferei geprägt sind. So hat er den Schulbesuch von schwangeren Mädchen und ledigen Müttern verboten. Das Verbot wird rigoros durchgesetzt. Lehrer, die sich dem widersetzen, müssen mit Disziplinarmaßnahmen rechnen. Homosexualität ist bereits illegal und kann mit bis zu 30 Jahren Haft bestraft werden.
Seit Magufulis Wahl zum Präsidenten hat die Anti-Homosexuellen-Rhetorik drastisch zugenommen. Magufulis Regierung will nun noch weiter gehen. In der Wirtschaftsmetropole Dar es Salaam wurde im Oktober eine Spezialeinheit zur Verfolgung von Homosexuellen gebildet. Der Hochkommissar für Dar es Salaam, Paul Makonda, forderte die Bevölkerung auf, als Schwule verdächtigte Männer den Behörden zu melden. Makonda erklärte, Homosexualität sei gegen den Willen Gottes. Er hat bereits in der Vergangenheit zur Verfolgung von Lesben, Schwulen, Bi- und Transsexuellen aufgerufen. Zwar reagiert die EU und hat angekündigt, ihre finanziellen Zuwendungen zu überdenken. Und die Weltbank hält einen Kredit für ein Bildungsprojekt in Höhe von 300 Millionen US-Dollar zurück. Aber vermutlich wäre die Empörung noch massiver, wenn der religiöse Hintergrund dieser lebensfeindlichen Moral ein islamischer wäre. ... [mehr] https://www.ipg-journal.de/regionen/global/artikel/detail/christliche-naechstenhiebe-3171/

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