Erste Sätze werden generell
überschätzt. Keine Poetikvorlesung, die den Hinweis auf die konstitutive
Bedeutung des ersten Satzes versäumte. Umständlich werden die
Schwierigkeiten seines Gelingens ausgebreitet, so als käme alles auf den
gelungenen Einsatz an. Selbst dem gefürchteten writer’s block,
dieser segensreichen Erfindung zur Verhinderung bedeutender Werke,
scheint vielfach nichts anderes zugrunde zu liegen als das Unvermögen,
den ersten Satz zu bilden. Sei dieser gefunden, so will die Sage, habe
man die halbe Erzählung gleichsam in der Tasche. Zum Beweis wird
Tolstois aphoristischer Auftakt zu „Anna Karenina“ zitiert oder Prousts
schläfriger Einstieg in die „Recherche“. Auch der berühmte Satz, mit dem
Kafka den „Process“ eröffnet, von Josef K., den man eines Morgens
überraschend verhaftet, wird zu didaktischen Zwecken gern missbraucht. ... [mehr] https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/letzte-saetze-oder-vom-aufhoeren-abschiedsrede-von-ulrich-raulff-15942153.html
Ulrich Raulff hielt diese von der FAZ leicht gekürzte Rede bei seiner feierlichen Verabschiedung als Direktor des Marbacher Literaturarchivs.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen