Die Verabschiedung der Washingtoner Prinzipien am 03.12.1998 zählt zu den zentralen kulturpolitischen Ereignissen des 20. Jahrhunderts: 44 Staaten verpflichteten sich zu dem Grundsatz, während der NS-Zeit beschlagnahmte Kunstwerke zu identifizieren, deren Vorkriegseigentümer oder Erben ausfindig zu machen und eine „gerechte und faire Lösung“ offener Fragen und Probleme im Zusammenhang mit jenen Kunstwerken zu finden. In Deutschland wurde damit der fast in Vergessenheit geratene NS-Kunst- und Kulturgut¬raub wieder auf die Tagesordnung gesetzt und in den Folgejahren erfolgten verschiedene Maßnahmen zur Umsetzung der Washingtoner Prinzipien. Seit Kurzem geraten auch Kulturgüter, die im Rahmen der Kolonialisierung nach Europa verbracht wurden, in den Fokus der öffentlichen Debatte – insbesondere unter dem Eindruck der kontroversen Diskussionen um das Berliner Humboldt-Forum und nach dem gerade von Felwine Sarr und Bénédicte Savoy vorgelegten Bericht zur „Restitution von afrikanischem kulturellem Erbe“.
An der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) ist nun unter dem Titel „Nicht nur Raubkunst! Sensible Dinge in Museen und universitären Sammlungen“ eine Publikation erschienen, die sich mit NS-Raubkunst und kolonialen Sammlungen gleichermaßen befasst und darüber hinaus deutlich macht, dass öffentliche Sammlungen viele weitere Dinge bewahren, die heute aus ethischen Gründen als sensibel eingestuft werden. Dazu zählen etwa sterbliche Überreste aus Gewaltkontexten, religiöse Artefakte, illegal gehandelte Antiken, unter den Artenschutz fallende Naturalia, rassistische Schriften und vieles andere mehr. Der Band beruht auf einer von der VolkswagenStiftung finanzierten wissenschaftlichen Tagung und wurde von der Ethnologin Dr. Anna-Maria Brandstetter, Kuratorin der Ethnografischen Studiensammlung an der JGU, und der Historikerin Dr. Vera Hierholzer, Leiterin der Sammlungskoordination der JGU, herausgegeben.
Veröffentlichung:
Anna-Maria Brandstetter und Vera Hierholzer (Hg.): Nicht nur Raubkunst! Sensible Dinge in Museen und universitären Sammlungen, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht / Mainz University Press 2018.
Der Band ist für 50 Euro im Buchhandel erhältlich und als Open-Access-Publikation zugänglich unter https://www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com/downloads/openAccess/OA_978-3-8471-0808-5.pdf .
via https://idw-online.de/de/news706894
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen