Seit Juli 2014 gibt es im Kunstmuseum Stuttgart die Provenienzforschung.
Sie untersucht einerseits mit wissenschaftlichen Methoden die
Herkunftsgeschichte und Eigentümerwechsel jener Kunstwerke, die Eigentum
der Stadt Stuttgart und des Kunstmuseum Stuttgart sind, und prüft
andererseits, ob sich in den Sammlungen NS-verfolgungsbedingt entzogene
Kulturgüter befinden. Seit Dezember 2017, mit der Fortsetzung des
Provenienzforschungsprojekts, wird zugleich auch die Institutionen- und
Sammlungsgeschichte der Städtischen Galerie Stuttgart / ab 1961 der
Galerie der Stadt Stuttgart – den Vorläufern des Kunstmuseum Stuttgart –
erforscht.
Das Kunstmuseum Stuttgart sieht sich den Zielen der Washington Principles von 1998 und der Gemeinsamen
Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen
Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt
entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz, vom Dezember 1999 verpflichtet.
Das
Fernziel der Provenienzforschung im Kunstmuseum Stuttgart ist, die im
Zeitraum 1933–1945 und seit 1945 erworbenen Kunstwerke zu überprüfen.
Bei Berücksichtigung aller in der Sammlung vorhandenen Gattungen handelt
es sich dabei um mindestens 3000 Kunstwerke, davon etwa 800 Gemälde,
700 Zeichnungen, 400 Aquarelle, 200 Pastelle, 600 Radierungen, 150
Lithografien, 50 Holz-/Linolschnitte und 20 Plastiken.
Dank der finanziellen Sicherung zunächst über die Arbeitsstelle für Provenienzforschung, dann mit Hilfe der Stiftung Deutsches Zentrum Kulturgutverluste konnte vom 1. Juli 2014 bis zum 30. Juni 2017 das erste
Provenienzforschungsprojekt erfolgreich durchgeführt werden. Dieses
Projekt widmete sich vornehmlich rund 30 Gemälden von Otto Dix und etwa
400 Gemälden aus dem Erwerbungszeitraum 1933–1945. Für fast ein Viertel
dieses untersuchten Bestandes konnte die Provenienz eindeutig geklärt
werden. Seit 1. Dezember 2017 wird mit dem zweiten
Provenienzforschungsprojekt, das mit Unterstützung der Stadt Stuttgart
finanziert wird, die Arbeit fortgesetzt.
Das Kunstmuseum
Stuttgart ist ein relativ junges Museum, doch seine Entstehungs- und
Entwicklungsgeschichte ist komplex und kompliziert. Die Geschichte
seiner Vorläuferinstitutionen und vor allem die Geschichte der
städtischen Sammlung der Stadt Stuttgart im Nationalsozialismus sind bis
jetzt nicht wissenschaftlich-systematisch erforscht worden. Dies
geschieht nun parallel zur Provenienzforschung. Damit wird über die
Bestandsuntersuchung hinaus auch die notwendige Kontextforschung zur
Entwicklungsgeschichte der Institution und seiner Sammlungen geleistet.
Die Forschungen sind jedoch schwierig und langwierig wegen eines äußerst
fragmentarischen Aktenbestandes und einer sehr lückenhaften
Quellenlage. Letztere ist u. a. bedingt durch die eigentümliche
Entwicklungsgeschichte der städtischen Kunstsammlung Stuttgart im
Zeitraum 1924–1961.
Sieben Gemälde hat das Kunstmuseum Stuttgart als Fundmeldungen in die
Lost Art-Datenbank des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste einstellen
lassen, darunter ein Frühwerk des niederländischen Landschaftsmalers
Meindert Hobbema (1638–1709) und ein Historienbild des niederländischen
Künstlers Philip van Dyk (1683–1753). Beide Gemälde gehörten zu den
teuersten Nachkriegserwerbungen. Sie wurden von der Stadt für 400.000
RM von einem Kunsthändler gekauft, der im Verdacht steht, am
NS-Kulturraub beteiligt gewesen zu sein.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen