Hendrik Witbooi war während der deutschen Kolonialzeit „Kaptein“ und einer der wichtigsten Anführer der Nama-Gruppen. Er ist heute ein Nationalheld Namibias, dem durch zahlreiche Denkmäler gedacht wird. Die Familienbibel mit handschriftlichen Anmerkungen von Hendrik Witbooi war sehr wahrscheinlich im Jahr 1893 bei einem Angriff auf Hornkranz, den Hauptsitz Hendrik Witboois, von deutschen Kolonialtruppen erbeutet worden, bei dem mit größter Brutalität vorgegangen und auch viele Frauen und Kinder ermordet wurden. Namibia hat daher um die Rückgabe gebeten. Mit dem Botschafter Namibias und der namibischen Regierung wurde vereinbart, dass Wissenschaftsministerin Theresia Bauer die Bibel persönlich Ende Februar 2019 nach Namibia zurückbringt. Vom 10.12.2018 bis zur Rückgabe werden die beiden Objekte nochmals im Linden-Museum zu sehen sein.
Ab 01.12.2018 wird zudem ein von Land und Museum finanzierter Provenienzforscher für zwei Jahre gezielt den Namibia-Bestand des Linden-Museums mit namibischer Beteiligung erforschen und die seit 2016 geleistete Arbeit fortführen. Das Land unterstützt das Linden-Museum daher auch dabei, seine Sammlung ab 2020 online zu präsentieren. Ein Schwerpunkt bilde hierbei die Provenienzforschung. Aktuell werde gemeinsam mit der Universität Tübingen der Abschlussbericht eines Provenienz-Forschungsprojekts vorgelegt. Damit liege ein erster Überblick über kolonialzeitliche Objekte aus Namibia, Kamerun und dem Bismarck-Archipel in der Sammlung des Museums vor.
Bei der Familienbibel handelt es sich um ein in Nama verfasstes Neues Testament aus dem Besitz von Hendrik Witbooi, mit Eintragungen unter anderem von Hendrik Witbooi, Christina Witbooi und Salomo Witbooi. Die Bibel gelangte laut Inventarbuch des Linden-Museums 1893 während eines Angriffs auf Hornkranz, Witboois Hauptsitz, in die Hände deutscher Militärs und später in den Besitz des in Berlin ansässigen Hofrat von Wassmannsdorf. Dieser war zwischen 1895 und 1898 als „kommissarischer Intendant für die Schutztruppe und Chef der Finanzverwaltung“ in „Deutsch-Südwestafrika“ tätig. Die Bibel und die Peitsche kamen 1902 als Schenkung des Hofrats in die Sammlung des Württembergischen Vereins für Handelsgeographie (der Verein ist Gründer des 1911 eröffneten Linden-Museums).
Objekte aus kolonialem Kontext finden sich insbesondere in den ethnologischen, historischen, archäologischen und naturkundlichen Museen, aber auch in universitären Sammlungen. Die im Rahmen des mit der Universität Tübingen durchgeführten Provenienzforschungsprojektes „Schwieriges Erbe“ von 2016 bis 2018 untersuchten Regionalbestände des Linden-Museums umfassen zusammen circa 25.300 Objekte der insgesamt 160.000 Objekte des Museums. Davon entfallen circa 2.200 Objekte auf Namibia, 6.600 auf den Bestand aus dem Bismarck-Archipel (Papua-Neuguinea) und 16.500 auf Objekte aus Kamerun.
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