Es ist ein trauriges
Bild, wenn zwei Bettler sich um ein Stück Brot streiten. Man will sich
abwenden, um das Schauspiel nicht mit ansehen zu müssen, dabei sollte
man sich eher fragen, ob man den beiden nicht ein zweites Stück Brot
geben könnte, um den Kampf zu beenden. Denn hässlich ist nicht ihr
Streit, hässlich ist, dass nicht genug Brot für beide da ist.
Ich
gebe zu, das Bild ist etwas drastisch, wenn es um das Vermietrecht der
Bibliotheken geht. Weder unsere Bibliotheken hungern noch ich oder meine
Kolleginnen und Kollegen. Aber ganz falsch ist es trotzdem nicht. Seit
der Abschaffung der Buchpreisbindung vor zwölf Jahren, als die Politiker
– ihrem Job entsprechend – uns hoch und heilig versprachen, sich
anderweitig für das Buch einzusetzen, ist kaum etwas passiert.
Buchhandlungen schliessen, die Buchverkäufe gehen zurück, die grösste
und wichtigste Kultursparte darbt weiter, darbt so sehr, dass ihre
Exponenten sich um das wenige Geld schlagen müssen, das literarische
Bücher einbringen. Dabei ist eigentlich allen klar: Bücher haben einen
Preis, sonst gäbe es keine.
Ich
bin von Kindesbeinen an ein reger Nutzer und ein grosser Freund von
Bibliotheken gewesen, die längste Zeit, weil ich es mir nicht leisten
konnte, all die Bücher zu kaufen, die ich lesen wollte. Und ich konnte
mir diese Bücher vor allem nicht leisten, weil ich mir in den Kopf
gesetzt hatte, Bücher zu schreiben. Inzwischen kann ich es mir leisten,
Bücher zu kaufen, aber viele Autoren können von ihrer Arbeit kaum leben.
Wer mit Literatur Geld verdienen will, sollte Deutschlehrer werden.
Bücher
sind wichtig, niemand würde das bestreiten. Sie erzählen die Geschichte
einer Gesellschaft, erörtern ihre Probleme, halten sie zusammen,
definieren sie. Was wüssten wir über das 19. Jahrhundert in der Schweiz,
wenn wir die Bücher von Johanna Spyri, Gottfried Keller, Conrad
Ferdinand Meyer nicht hätten? Und Lesen ist trotz abnehmenden
Buchverkäufen immer noch eine der beliebtesten Freizeitbeschäftigung der
Schweizerinnen.
Auch
Bibliotheken sind wichtig. Nicht nur für angehende Autoren, die sich
keine Bücher leisten können, auch für Kinder, für Schüler und
Studierende, für Migranten, für Lesehungrige, die jede Woche ein Buch
verschlingen. Sie sind wichtig als Orte der Begegnung, des Austauschs,
auch als Archive. Es ist eine Tragödie, dass durch die Diskussionen über
das neue Urheberrechtsgesetz Autorinnen und Autoren und Bibliotheken
plötzlich zu Gegnern geworden sind, wo sie doch eigentlich die besten
Freunde sein müssten, Kämpfer für dieselbe Sache, für das Buch, für das
Lesen, für das Wissen und die Phantasie. ... [mehr] https://www.nzz.ch/feuilleton/revision-des-urheberrechts-autoren-verlieren-geld-ld.1464755
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