Ein „pfeiferauchender Bauer mit heruntergelassener Hose“
als Wahrzeichen der herzöglichen Kunstkammer? Als solches ließ Herzog
Eberhard III. die Bronzefigur tatsächlich in seine Kunstkammer stellen.
So heißt es in einer Notiz des Kammerschreibers Johann Mayer aus dem
Jahr 1669: „Es
ließen auch Ihre fürstl[iche] Dhl. [Durchlaucht] ein von Metall gegoßen
bäurlin, so ein Tabak trinker, und Zumahl seine Notturft verricht, in
die Kunst Kammer herunter stellen, mit befehl daß solches hinfüro daß
Wort zeichen sein soll.“
Neben
der hier beschriebenen Funktion als Wahrzeichen vertritt das kleine
Männchen auch als Symbol den Geruchssinn. Unterschiedliche Objekte zu
allen fünf menschlichen Sinnen gehörten zum festen Programm einer jeden
Kunstkammer. Denkt man diese beiden Aspekte zusammen, stellt sich also
die Frage, ob die Geste des Herzogs, die Statuette in seine Kunstkammer
zu geben, auch als Kommentar zum Gestank in der Kunstkammer zu verstehen
ist?
Pfeife rauchender Bauer mit heruntergelassener Hose |
Was sehen wir und was sehen wir nicht?
Von
vorne ist zunächst nur eine hockende männliche Figur mit derben und
markanten Gesichtszügen zu sehen. Erst wenn wir das Figürchen im Profil
betrachten, zeigt sich die heruntergelassene Hose und sein nacktes
Gesäß. Nicht zu sehen ist: Die Pfeife, denn diese fehlt in der Hand des
Bauern. Aus einem Inventar von 1708 wissen wir jedoch, dass es sich um
eine silberne Pfeife gehandelt haben muss. Zudem sind der runde
Untersatz (Plinthe) und Figur separat gegossen und durch Röhren
miteinander verbunden. In das Innere des Sockels lässt sich eine
brennende Räucherkerze hineinstellen. So kann aus der Pfeife, dem
rechten Mundwinkel, den Ohren und aus dem Anus der Rauch der
Räucherkerze entweichen.
Was erzählen Zeitzeugen und eine Abbildung über die Kunstkammer?
Im
Bericht zur Stuttgarter Kunstkammer von Philipp Hainhofer (1578-1647)
aus dem Jahr 1616 wird vor allem das wiederholte Staunen über das Öffnen
von Türen und der Enthüllung einzelner Objekte aus aufwendigen und
wertvollen Futteralen beschrieben. Auf den Geruch wird im Bericht nicht
eingegangen.
Aus der Zeit Herzog Eberhards liegt des Weiteren eine Abbildung der Kunstkammer im Alten Lusthaus vor. Zu sehen ist ein großer Raum, in dessen Mitte der Musiktisch steht und an dessen Wänden Schränke aufgestellt sind, in denen die Kunstkammerobjekte untergebracht waren. Über den Geruch gibt jedoch auch diese Abbildung keinen Aufschluss.
Aus der Zeit Herzog Eberhards liegt des Weiteren eine Abbildung der Kunstkammer im Alten Lusthaus vor. Zu sehen ist ein großer Raum, in dessen Mitte der Musiktisch steht und an dessen Wänden Schränke aufgestellt sind, in denen die Kunstkammerobjekte untergebracht waren. Über den Geruch gibt jedoch auch diese Abbildung keinen Aufschluss.
Ein Vermerk aus dem Inventar des Jahres 1642 zu den Kunstkammer-Objekten im Alten Lusthaus verzeichnet folgende Naturalien: „Ein Kopff von einem MeerRoß, ein ausgefüllter Krokodil, ein ausgefüllter Meerhundt, eine grosse Schildkrott…“ Aus weiteren Inventaren geht hervor, dass sich in der Kunstkammer von Herzog Eberhard III. folgende Objekte befanden: „Vier
Riemen aus Menschenhaut, zwölf Harn- oder Galensteine, die aus Menschen
herausgeschnitten wurden; drei große Stücke von Riesenknochen, ein
selzames, alltes Bein, zwei sehr kleine Krokodile, ein Gürteltier, ein
zweites kleineres Gürteltier, ein Chamäleon, der Kopf eines Panthers,
welcher noch geronnes Blut enthält, eine Rute, die aus einem
Elefantenrüssel hergestellt war, ein missgewachsenes Bein von einer
Gemse, zwei sehr krumme Beine eines Wilds, eine braune, gegerbte Haut
von einem exotischen Tier.“ Im Verzeichnis der Naturalien wird folgendes
aufgezählt: „Menschliche Überreste, Harnsteine, Präparate von
Landtieren, Präparate von Fledermäusen, Vögeln, Fischen, Krustentieren,
Meeressäuger, Reptilien und Amphibien, Muscheln und Meeresschnecken…“
Die titelgebende Frage lässt sich definitiv mit Ja beantworten. All die
in den Inventaren aufgelisteten Objekte müssen Gerüche abgesondert und
den Geruchssinn der damaligen Kunstkammerbesucher*innen wachgerufen
haben. Diese These lässt sich zwar nicht durch zeitgenössische Berichte,
Abbildungen oder Inventare direkt bestätigen, kann aber aus dem Wissen
über die damalige Existenz der Objekte sowie unseren Kenntnisse über die
Konservierungstechniken im 17. Jahrhundert abgeleitet werden.
Zu
jener Zeit existierten keine Konservierungsmittel wie Arsenseife,
Formaldehyd oder das Verfahren der Plastination. Die Arsenseife wurde
erst 1820 erfunden, das Formaldehyd, auch bekannt als Formalin, wurde
erst 1855 entdeckt. Das Verfahren der Plastination ist heute vor allem
bekannt durch die Wanderausstellung „Körperwelten“ von Gunter van Hagen,
1978 erhielt dieser ein Patent für diese Konservierungstechnik.
In der Frühen Neuzeit gab es für organische Materialien (Naturalia) hingegen die folgenden fünf Verfahren zur Konservierung: Räuchern, Lufttrocknen, Salzen, Gerben und Ausstopfen der Präparate mit Flachs. Diese Verfahren entzogen den Materialien Wasser. Bei hohen Temperaturen und damit steigender Luftfeuchtigkeit müssen so behandelte Objekte wie Tiere oder Menschenhaut trotzdem gestunken haben.
In der Frühen Neuzeit gab es für organische Materialien (Naturalia) hingegen die folgenden fünf Verfahren zur Konservierung: Räuchern, Lufttrocknen, Salzen, Gerben und Ausstopfen der Präparate mit Flachs. Diese Verfahren entzogen den Materialien Wasser. Bei hohen Temperaturen und damit steigender Luftfeuchtigkeit müssen so behandelte Objekte wie Tiere oder Menschenhaut trotzdem gestunken haben.
Der
Pfeife rauchende Bauer mit seinem nackten Gesäß ist somit nicht nur ein
Kommentar zur Schaulust der Betrachter*innen, sondern zeugt auch von
dem Gestank der Stuttgarter Kunstkammer im 17. Jahrhundert.
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