In
einem Kooperationsprojekt der Universitätsbibliotheken Cambridge und
Heidelberg, das von 2018 bis 2021 läuft, werden mittelalterliche und
frühneuzeitliche griechischsprachige Handschriften digitalisiert,
katalogisiert und der Öffentlichkeit weltweit zugänglich gemacht. Zur
Hälfte der Projektlaufzeit trafen sich die Mitglieder des Steering
Committees in der Universitätsbibliothek Heidelberg, um über die
Projektfortschritte und die noch anstehenden Aufgaben bis zum
offiziellen Projektende im März 2021 zu sprechen. Neben der Leitung der
Universitätsbibliothek Cambridge reisten auch die Projektleiterin sowie
die Koordinatorin vom River Cam an den Neckar. Von besonderer Bedeutung
für das Projekt war zudem die Teilnahme des Stiftungsverwalters Marc
Polonsky.
Für
den UBlog sprach Martin Nissen mit Karin Zimmermann, die als Leiterin
der Abteilung Historische Sammlungen dieses Großprojekt koordiniert.
Was
sind die Ziele dieses von der Polonsky-Stiftung finanzierten Projektes?
Was soll am Ende der Projektlaufzeit erreicht werden?
Das
Ziel des Projekts ist es, den Bestand der noch erhaltenen 423
griechischsprachigen Handschriften der Bibliotheca Palatina, die ja auf
Rom und Heidelberg verteilt sind, zu digitalisieren und dann auch zu
katalogisieren. Von unserer Seite ist die Digitalisierung bereits
abgeschlossen. Bis März 2021 läuft jetzt die Katalogisierung, an der
aktuell in Heidelberg drei Handschriftenexperten arbeiten. Die Anzahl
der Handschriften in Cambridge ist ähnlich. Es sind dort ca. 440
Handschriften, die sich auf die Universitätsbibliothek, das Fitzwilliam
Museum und 12 Colleges verteilen. Zusätzlich zur Digitalisierung und
Katalogisierung kommt in Cambridge noch die konservatorische Behandlung
der Handschriften dazu. Ansonsten sind die Projektziele jeweils die
gleichen.
Die
konservatorische Behandlung der Handschriften fehlt bei dem
Heidelberger Projektteil. Hat dies mit dem Aufbewahrungsort der
Handschriften in Rom zu tun?
Genauso
ist es. Der größte Teil der griechischsprachigen Handschriften der
Bibliotheca Palatina ist in Besitz der Vatikanischen Bibliothek. Zum
Glück verfügt die Vatikanische Bibliothek über eine sehr gute
Restaurierungsabteilung vor Ort. Die Handschriften wurden in Rom im
Vorfeld der Digitalisierung, wo es notwendig war, restauriert. Dies war
allerdings nur bei einem knappen Dutzend der Handschriften der Fall.
Ansonsten waren und sind die Handschriften in einem guten Zustand.
Ende
Januar kam eine hochrangige Delegation aus Cambridge, inkl. der
Bibliotheksleitung, für zwei Tage nach Heidelberg. Was war der Anlass
für das Treffen?
Im
Rahmen des Projekts haben wir halbjährlich Treffen des
Leitungsausschusses, des sog. Steering Committees, verabredet, die
abwechselnd in Cambridge und Heidelberg stattfinden. An dem Treffen
nehmen neben den Projektleitern auch die Bibliotheksleitungen teil. Die
Treffen dienen auch dazu, die von der Polonsky-Stiftung geforderten
regelmäßigen Berichte über den Projektfortschritt vorzubereiten. Beim
diesmaligen Treffen in Heidelberg war Marc Polonsky, der Sohn des
Stiftungsgründers Leonard S. Polonsky, als Vertreter der Stiftung dabei,
um zu schauen, ob die bereit gestellten Projektmittel auch gut
eingesetzt werden.
Welche Rückmeldung habt Ihr von Marc Polonsky erhalten?
Wir
hatten alle den Eindruck, dass er sehr zufrieden war, wobei man sagen
muss, dass wir auf beiden Seiten auch viel dafür getan haben. Wir sind
sehr bestrebt, die gesetzten Ziele zu erreichen. Heidelberg hat ja mit
dem Abschluss der Digitalisierung ein Hauptziel des Projektes bereits
erfüllt. An dieser Stelle haben wir uns einen Vorsprung erarbeitet. Aber
auch bei der Katalogisierung – die naturgemäß langsamer geht – sind wir
guter Hoffnung, die Ziele innerhalb der Projektlaufzeit zu erreichen.
Das
Treffen im Januar war bereits das dritte Treffen. Gibt es Unterschiede
zwischen Cambridge und Heidelberg bei der Digitalisierung und
Katalogisierung mittelalterlicher Handschriften?
Zunächst
ist es so, dass die Kollegen in Cambridge bei der Katalogisierung mit
den Originalen arbeiten. Die Handschriften des Heidelberger Projektteils
liegen ja in Rom, so dass die Kollegen mit den Digitalisaten arbeiten
müssen. Diese bieten zwar aufgrund der fehlenden Haptik bei der
Erschließung der Struktur der Handschriften Nachteile. Hinsichtlich des
Überblicks, des Blätterns, Vergrößerns und Annotierens gibt es jedoch
auch durchaus Vorteile in der Benutzung der digitalen Kopien. Die 29
griechischsprachigen Handschriften der Bibliotheca Palatina, die in
Heidelberg liegen, können anhand des Originals und des Digitalisats
erschlossen werden. Ein weiterer operativer Unterschied besteht darin,
dass in Cambridge alle Handschriften vor der Digitalisierung und
Erschließung vom Konservatorenteam des Projektes begutachtet werden.
Manche Codices müssen erst durch sichernde Konservierungsmaßnahmen
digitalisierbar gemacht werden. Bei einigen wenigen Handschriften weiß
man noch nicht, ob sie tatsächlich digitalisiert werden können. Zuletzt
gibt es noch einen Unterschied bei der Bereitstellung der Digitalisate.
In Heidelberg haben wir uns entschieden, die Digitalisate umgehend
online zugänglich zu machen – ergänzt durch Beschreibungen aus dem
älteren Katalog von Stevenson von 1885. In Cambridge werden die
Digitalisate erst dann online gestellt, wenn das jeweilige Katalogisat
abgeschlossen ist.
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