Der Verband der Übersetzer*innen (VdÜ) hat auf seiner
Mitgliederversammlung am vergangenen Wochenende den Diskussionsentwurf
des Bundesjustizministeriums zum Urheberrecht als unzureichend
kritisiert und schlägt eine alternative Lösung vor.
Lesen Sie hier die ungekürzte Stellungnahme im Wortlaut:
"Die wirtschaftliche Situation der Literaturübersetzerinnen ist durch
stagnierende, teils rückläufige Honorare gekennzeichnet. Altersarmut
ist trotz Übersetzens in Vollzeit bereits die Regel. Illustrierende
Unterlagen – Honorarumfrage, Modellrechnungen – legen wir gern vor. Die
rechtliche Situation ist unbefriedigend, da das Recht zur
Vertragsanpassung auf angemessene Vergütung, notfalls auf dem Wege der
Einzelklage, im Berufsalltag praktisch nicht anwendbar ist. Im
Verhältnis zu den Auftraggebern besteht eine allgemein bekannte
strukturelle Störung des Verhandlungsgleichgewichts (s. Entscheidungen
des BVerfG 1 BvR 1842/11 und 1 BvR 1843/11), vor deren Hintergrund der
Gesetzgeber gefragt ist, Regelungen zu treffen, die eine angemessene Vergütung möglich machen. Die gegenwärtigen Formulierungen des Urhebervertragsrechts erfüllen diese Forderung nicht, wirksame Stärkungen der Urheber/innen fehlen.
Der jetzt vorgelegte Diskussionsentwurf des BMJV ändert daran nichts.
Nach ihm sollen in einem aufgeteilten Verfahren der
Richtlinienumsetzung zuerst die Verlage eine weitgehend maßgeschneiderte
Vorlage zu ihrer Beteiligung in der VG Wort erhalten. Daneben ist zu
hören, es gebe weder Veranlassung noch politischen Willen zu einer
weiteren Verbesserung des deutschen Urhebervertragsrechtes im Sinne der
Urheber, dies würde angeblich zudem eine Übererfüllung der Forderungen
der EU-Richtlinie bedeuten. Das trifft jedoch nicht zu: Solange die
rechtlichen Möglichkeiten in Deutschland für Definition und Durchsetzung
einer angemessenen Vergütung ungenügend sind, wie derzeit der Fall,
kann von Übererfüllung keine Rede sein. Ein effet utile wird so nicht erreicht.
Der Entwurf enthält keinerlei Aussage darüber, ob, wann und wie
dieser Missstand behoben werden soll. Die Umsetzung der EU-Richtlinie
erfordert dies aber und stellt es den Mitgliedsstaaten frei, auf
verschiedene Mechanismen für die Herstellung von Vertragsfreiheit auch
für die Seite der Urheber/in-nen zurückzugreifen. Wir fordern dazu auf,
von dieser Freiheit Gebrauch zu machen.
Privatautonomie ist nicht gegeben.
Wir
begrüßen die Verlegerbeteiligung in einer gemeinsamen VG Wort. Es ist
allerdings sachfremd anzunehmen, Worturheber könnten in souveräner
Anwendung einer unterstellten "Privatautonomie" in ihren Verträgen ein
Opt-Out aus der Verlegerbeteiligung durchsetzen. Bei den Autorinnen
dürfte sich vielleicht eine Handvoll ein Opt-Out leisten können, aber
für deren große Mehrheit und überhaupt für im Auftrag tätige Urheber
aller Genres – die Literaturübersetzer sind hier nur ein Beispiel, aber
ein schlagendes - ist das utopisch. Für sie muss dieses Detail des
Entwurfs geradezu höhnisch wirken. Aufgrund der bekannten(!)
Verhandlungsdisparität existiert für die Literaturübersetzer etwas wie
Privatautonomie oder Souveränität gegenüber den anbietenden Verlagen
nicht. Im Gegenteil, die breitflächig widerrechtlichen Bedingungen der
Standardverträge gerade großer Verlage müssen von uns änderungslos
akzeptiert werden, sonst gibt es den Auftrag nicht, fertig. Beim
Verlangen nach späterer Vertragsanpassung auf dem Klagewege droht der
Verlust künftiger Aufträge. Ebenso wenig käme ein Vertrag zustande, wenn
wir auf einem Opt-Out zu bestehen versuchten.
Lösungsvorschlag
Der
Gesetzgeber könnte leicht sowohl die regelmäßige Verlegerbeteiligung in
der VG Wort ermöglichen als auch das von ihm geschaffene Instrument der
Gemeinsamen Vergütungsregeln endlich ernst nehmen und ihm Wirksamkeit
verleihen:
Eine Verlegerbeteiligung wird automatisch und ohne
Möglichkeit zum Opt-Out durch die Urheber dann eingeräumt, wenn der
jeweilige Verlag mit Urheberverbänden einschlägige Vergütungsregeln
aufgestellt oder sich solchen angeschlossen hat. In allen anderen Fällen
wird die gegenwärtig geltende Zustimmungsregel nach Erscheinen des
Werks beibehalten.
Auf diese Weise bestünde für diejenigen
Verlage Planungssicherheit, die der gesetzlichen Aufforderung zur
Aufstellung von Gemeinsamen Vergütungsregeln nachgekommen sind, in allen
anderen Fällen wäre eine Privatautonomie der Urheberinnen in stärkerem
Maße gegeben bzw. realisierbar. Einem bislang nicht vorhandenen effet utile, einer Wirksamkeit der gesetzlichen Regelung, wäre man erheblich näher.
Die
EU-Richtlinie ermöglicht außerdem eine erweiterte Vertretungsvollmacht
der Urheberverbände. Eine solche gibt es in Deutschland bislang nicht:
Urheber haben ausschließlich die Möglichkeit zu Verfahren zu
Einzelverträgen, die zum beruflichen Aus führen können und zudem wenig
allgemeine Verbindlichkeit haben. Ihnen kann lediglich
gewerkschaftlicher Rechtsschutz gewährt werden. Notwendig wäre aus
unserer Sicht die verbandliche Vertretungsvollmacht in einem
anonymisierten Verfahren da, wo AGB-artige Standardverträge eine
angemessene Vergütung regelmäßig nicht gewäh-leisten
(Vertretungsvollmacht also nicht im Falle des Einzelvertrags). Eine
solche Überprüfung von allgemein und für eine Vielzahl von Verträgen
formulierten Vergütungsvorgaben auf ihre Mindest-Angemessenheit wäre
ebenfalls eine Möglichkeit, den gesetzlichen Regelungen Wirksamkeit zu
verleihen."
via https://www.boersenblatt.net/2020-02-12-artikel-verband_der___bersetzer_kritisiert_entwurf_zum_urheberrecht-stellungnahme_mit_loesungsvorschlag.1808507.html
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