Dem Reisenden steht heute eine Vielzahl an Informationsangeboten von
konventioneller Reiseliteratur bis hin zu Erfahrungsberichten im
Internet zur Verfügung. Doch welche Medien nutzten Reisende im
ausgehenden Mittelalter? Wer war überhaupt in der Lage zu reisen?
Pioniere des Reisens waren damals Pilger. So ist einer der wichtigsten
deutschsprachigen Reiseberichte dieser Zeit einem Jerusalem-Pilger zu
verdanken, Hans VI. Tucher (1428 – 1491).
In der virtuellen Ausstellung in bavarikon wird anhand von ausgewählten Exponaten
die spannende Entstehungsgeschichte seines Reiseberichtes von der
Handschrift bis zum Druck aufgezeigt. Auch die Person und Familie von
Hans VI. Tucher werden näher beleuchtet. Einen Höhepunkt bildet das
Epitaph für seine Schwägerin Adelheid mit einer Ansicht von Jerusalem,
die Hans' eigenes Reiseerlebnis unmittelbar widerspiegelt.
Die
virtuelle Ausstellung ist ein Projekt der Tucher'schen Kulturstiftung,
das in Zusammenarbeit mit der Bayerischen Staatsbibliothek entstanden
ist.
Zur virtuellen Ausstellung in bavarikon
Hans entstammte der Nürnberger Patrizierfamilie der Tucher.
Kaufmännisch ausgebildet, leitete er die Handelsbeziehungen der
Tucher-Kompanie zwischen Nürnberg und Venedig. Als sein Bruder Endres
1476 seine Ämter niederlegte und sich ins Kloster zurückzog, trat Hans
an seiner Stelle in den Inneren Rat ein. Am 6. Mai 1479 brach er
mit Sebald Rieter (1426 – 1488), einem Ratskollegen, von Venedig aus zu
einer Reise ins Heilige Land auf, bei der sie Jerusalem, das
Katharinenkloster auf dem Sinai sowie Kairo und Alexandria in Ägypten
besuchten. Nach neun Monaten kehrten die Pilger am 12. März 1480 nach
Venedig zurück. Am 10. April zogen sie unter dem Jubel der Bewohner
Nürnbergs in ihre Heimatstadt ein. Über ihre Reise führten beide
Pilger ein gemeinsames Tagebuch. Tucher hatte wohl noch während der
Reise eine Publikation ins Auge gefasst, die er nach der Rückkehr in
Nürnberg anging. Die Umgestaltung des als Erinnerung an die eigene
denkwürdige Reise abgefassten Berichts in ein Werk, das modellhaften
Charakter für Pilger besaß, lässt sich genau rekonstruieren. Trotz der
zugrunde liegenden religiösen Motivation ist der Reisebericht von einem
ungewöhnlich modernen Beobachtungsgeist geprägt, in dem sich die Neuzeit
ankündigt. Liegt im ersten Teil der Fokus auf den heiligen Stätten in
Jerusalem und dem dort zu erwerbenden Gnadenerlass, öffnet sich der
Blick im zweiten Teil auf die Fremde, wo ein reiches Informationsangebot
von landeskundlichen Exkursen über die ägyptische Kulturwelt in den
Reiseverlauf eingeflochten wird. In seiner Konzeption als Pilgerführer
fand das Werk eine große Resonanz, die sich nicht zuletzt in seinen
vielen Auflagen bis heute ausdrückt.
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