Der Dichter Chateaubriand sympathisierte zunächst mit der Französischen
Revolution. Aber als ihm die ersten abgeschlagenen Köpfe vor die Nase
gehalten wurden, wollte er nur noch raus aus Frankreich.
Der Dichter-Diplomat François-René Vicomte de Chateaubriand, den man mit Fug als Erfinder der Romantik
bezeichnet hat, sympathisierte wie die meisten Intellektuellen
Frankreichs natürlich zunächst mit der Revolution. Der Personenkult um
König Ludwig XVI. hatte den bretonischen Edelmann nur abgestoßen, als er
sich zwanzigjährig 1788 am Hofe von Versailles präsentierte.
Auch
das oberflächliche Gehabe in den Pariser Salons des Ancien Régime ging
dem verträumten Schüler Rousseaus auf die Nerven. „Die Revolution hätte
mich mitgerissen, hätte sie nicht mit Verbrechen begonnen: beim Anblick
des ersten Kopfes auf der Spitze einer Pike zuckte ich zurück“, schrieb
er später in seinen „Erinnerungen von jenseits des Grabes“, dem
wichtigsten Memoirenwerk eines Mannes, der alt genug wurde (80 Jahre),
um Kronzeuge der Veränderungen Frankreichs beim Übergang vom feudalen
zum bürgerlichen Zeitalter zu werden.
Wo und wann er den „ersten Kopf auf der Spitze einer Pike“ sah, der ihn
von der Revolution entfremdete, lässt sich gut rekonstruieren.
Chateaubriand ließ sich erst im Sommer 1789 in Paris nieder und bezog
mit seinen Schwestern zunächst ein Hotel in der Rue de Richelieu. Das
war eine Straße, die damals nicht als besonders mondän galt, aber
immerhin auf dem vornehmen rechten Seineufer lag. Hier hatte immerhin
der große Diderot seine letzten Lebensjahre verbracht.Noch im Juli 1789, wenige Tage nach der Erstürmung der Bastille,
bekommt Chateaubriand hier bereits die ganze Grausamkeit der neuen Zeit
zu spüren. Er steht gerade am Fenster seines Hotelzimmers, als
plötzlich der Ruf „Schließt die Türen zu!“ ertönt. Ein Haufen zerlumpter
Gestalten nähert sich dem Gebäude. Zwei Männer schreiten voran, die
zwei grauenhaft zugerichtete Köpfe auf der Spitze einer Pike tragen.
Als sie den erschrockenen jungen Mann am Fenster sehen, kommen sie
ganz dicht heran, machen Halt und strecken ihm singend ihre Piken
entgegen, springen sogar hoch, damit sie ihre Trophäen ganz dicht an
Chateaubriands Gesicht führen können: „Das Auge des einen dieser Köpfe
war aus seiner Höhle herausgequollen und rann über das düstere
Totenantlitz. Die Pike hatte den offenen Mund durchbohrt, dessen Zähne
auf das Eisen bissen“, wird sich der Dichter später erinnern.
Chateaubriand
war entsetzt, aber offenbar nicht eingeschüchtert, denn er will das
Gesindel sogar noch herausgefordert und ihm „Räuberbande! Das also
versteht ihr unter Freiheit?“ entgegengeschleudert haben. Das
provozierte die Kanaille natürlich nur noch mehr. Schon schlugen sie
lauthals schreiend auf die Hoteltür ein, um sie zu zertrümmern. Ihre
Absicht war offenbar, den frechen Unbekannten dort oben an seinem
Fenster zu töten und ihren beiden Trophäen eine dritte hinzuzufügen:
seinen Kopf.Doch anscheinend gab es in der Anfangsphase der Revolution noch ein
Minimum an öffentlicher Sicherheit, jedenfalls war ein Polizeitrupp
hinter dem fanatisierten Mob her, der jetzt näher rückte. Die
Rädelsführer beschlossen, ihre Beute fahren zu lassen und rannten davon.
via https://www.welt.de/kultur/literarischewelt/article205821763/Actionszenen-der-Weltliteratur-Als-Chateaubriand-vor-dem-Terror-floh.html
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