Ein Tuch ist um seinen Hals geschlungen, als müsse es etwas kaschieren. Alles hängt windschief in seinem Gesicht. Die Daguerreotypie zeigt den wahrscheinlich verlebtesten 39-Jährigen der amerikanischen Literatur am 9. November 1848. Vier Tage vorher hatte Edgar Allan Poe eine Überdosis Laudanum genommen, einen Teil erbrochen und überlebt. Davon hatte er am 7. November Annie berichtet, die gar nicht Annie hieß.
Es war ein schreckliches Jahr gewesen für Eddy, wie er sich in den Briefen an Annie nannte, eine der beiden Frauen, zwischen denen er sich nicht entscheiden konnte. Ganze 166 Dollar hatte er eingenommen. Eine poetische Kosmologie von goethischem Anspruch und Umfang geschrieben, die wie aus Blei gegossen in den Regalen lag.
Der Hass der Ostküstenliteraturschickeria, selbst geschürt, weil er sich über all die Literaturhofschranzen lustig gemacht hatte, brach über ihn herein wie ein prähistorischer Shitstorm, blies jeden seiner Quartalsalkoholausbrüche, deren es nicht wenige gab, zum Exzess auf. Virginia war gestorben, seine Frau und Cousine, die er geheiratet hatte, als sie 13 war, die ihn bewundert und alles ertragen hatte: die Armut, die Verzweiflung.
Und so fieberträumte er in diesem Herbst zwischen zwei Frauen hin und her. Schrieb abwechselnd jeder von ihnen flammende Briefe. An Annie, eigentlich Nancy Locke Heywood Richmond, 28 Jahre alt, schlank, schön, verheiratet mit einem reichen und anscheinend langmütigen Papierfabrikanten.
Und an Helen, die Sarah Helen Whitman hieß, seit 15 Jahren verwitwete Dichterin, wohnhaft im Haus der Mutter, fünf Jahre älter als Poe, eine exaltierte Erscheinung in Seidentüchern, die sie bei Exaltationen gern in die nächstgelegenen Ecken feuerte.
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