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Mittwoch, 13. Juni 2018

Ina Seidel macht Schule / Willi Winkler in: Süddeutsche Zeitung 12.06.2018

Im August 2012 hatte sich der Bezirksausschuss von Neviges in der Stadt Velbert nicht nur mit der Frage zu befassen, ob eine öffentliche Toilettenanlage zu bezuschussen sei, auch war, an einem anderen Ort, eine "Vollgastronomie" abzulehnen, noch wichtiger aber war der Beschluss, den Straßennamen am Ina-Seidel-Weg zu ändern. Die Entscheidung, in der Urlaubszeit und in Abwesenheit der Ina-Seidel-Befürworter gefällt, hielt nicht lange und wurde bald wieder gekippt. Die Diskussion um den richtigen Namen ging weiter. Vier Jahre später einigte man sich schließlich auf einen Kompromiss, der Anwohnern eine andere Adresse und die Kosten für neues Briefpapier ersparte: Der Name sollte bleiben, aber durch das Schild "Deutsche Dichterin, wegen ihrer Haltung zum Nationalsozialismus umstritten", ergänzt werden. Bereits vier Jahre zuvor hatte man in St. Augustin, 80 Kilometer weiter im Süden, aber ebenfalls im Bundesland Nordrhein-Westfalen, die Schilder an der Ina-Seidel-Straße nicht bloß ergänzt, sondern sogar noch um einen wichtigen literaturhistorischen Hinweis erweitert: "Deutsche Dichterin, wegen ihres Wirkens in der NS-Zeit umstritten, distanzierte sich in den Nachkriegsjahren von ihrer früheren Haltung".
Die deutsche Dichterin Ina Seidel (1885 bis 1974) wird nicht mehr gelesen. Von ihrem einst hundertausendfach verkauften Roman "Das Wunschkind" (1930) hat sich am ehesten die gemeine Bemerkung des Kollegen Werner Bergengruen erhalten, der die Autorin das "Glückwunschkind" nannte, weil sie von 1933 an mehrfach sich und Deutschland zu seinem und ihrem Führer gratuliert hatte. Für den Literaturhistoriker Jan-Pieter Barbian hat sie "publizistisch zum Gelingen der nationalsozialistischen Diktatur und ihrer Kriegsziele" beigetragen. Das 1939 errichtete Kriegerdenkmal im niedersächsischen Rinteln trägt noch heute einen Spruch aus dem "Wunschkind": "Der Tag wird kommen - und er muss kommen -, da die Tränen der Frauen stark genug sein werden, um gleich einer Flut das Feuer des Krieges für ewig zu löschen." ... [mehr] http://www.sueddeutsche.de/kultur/geschichte-ina-seidel-macht-schule-1.4012519

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