Im August 2012 hatte sich
der Bezirksausschuss von Neviges in der Stadt Velbert nicht nur mit der
Frage zu befassen, ob eine öffentliche Toilettenanlage zu bezuschussen
sei, auch war, an einem anderen Ort, eine "Vollgastronomie" abzulehnen,
noch wichtiger aber war der Beschluss, den Straßennamen am
Ina-Seidel-Weg zu ändern. Die Entscheidung, in der Urlaubszeit und in
Abwesenheit der Ina-Seidel-Befürworter gefällt, hielt nicht lange und
wurde bald wieder gekippt. Die Diskussion um den richtigen Namen ging
weiter. Vier Jahre später einigte man sich schließlich auf einen
Kompromiss, der Anwohnern eine andere Adresse und die Kosten für neues
Briefpapier ersparte: Der Name sollte bleiben, aber durch das Schild
"Deutsche Dichterin, wegen ihrer Haltung zum Nationalsozialismus
umstritten", ergänzt werden. Bereits vier Jahre zuvor hatte man in St.
Augustin, 80 Kilometer weiter im Süden, aber
ebenfalls im Bundesland Nordrhein-Westfalen, die Schilder an der
Ina-Seidel-Straße nicht bloß ergänzt, sondern sogar noch um einen
wichtigen literaturhistorischen Hinweis erweitert: "Deutsche Dichterin,
wegen ihres Wirkens in der NS-Zeit umstritten, distanzierte sich in den
Nachkriegsjahren von ihrer früheren Haltung".
Die deutsche Dichterin Ina Seidel (1885 bis 1974) wird nicht mehr gelesen. Von ihrem einst hundertausendfach verkauften Roman "Das Wunschkind" (1930)
hat sich am ehesten die gemeine Bemerkung des Kollegen Werner
Bergengruen erhalten, der die Autorin das "Glückwunschkind" nannte, weil
sie von 1933 an mehrfach sich und
Deutschland zu seinem und ihrem Führer gratuliert hatte. Für den
Literaturhistoriker Jan-Pieter Barbian hat sie "publizistisch zum
Gelingen der nationalsozialistischen Diktatur und ihrer Kriegsziele"
beigetragen. Das 1939 errichtete
Kriegerdenkmal im niedersächsischen Rinteln trägt noch heute einen
Spruch aus dem "Wunschkind": "Der Tag wird kommen - und er muss kommen
-, da die Tränen der Frauen stark genug sein werden, um gleich einer
Flut das Feuer des Krieges für ewig zu löschen." ... [mehr] http://www.sueddeutsche.de/kultur/geschichte-ina-seidel-macht-schule-1.4012519
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