Kein Forscher kann heute Karriere machen, ohne große Summen Forschungsgelder einzuwerben, mit denen er Doktoranden, teure Geräte und Materialien bezahlt. Die meisten aufstrebenden Wissenschaftler verbringen einen Großteil ihrer Arbeitszeit nicht mehr im Labor, sondern am Computer mit dem Schreiben von Forschungsanträgen. Sie wissen genau: Die Höhe der Drittmittel bestimmt maßgeblich über ihr berufliches Fortkommen. Umso erschreckender ist, was britische und US-amerikanische Wissenschaftler im British Medical Journal berichten.
Für diese Arbeit haben sie untersucht, wohin Forschungszuwendungen großer Förderorganisationen wie des Wellcome Trust in Großbritannien fließen. Ergebnis: Ein männlicher Wissenschaftler bekam in der Krebsforschung pro genehmigtem Forschungsantrag im Durchschnit 1,6-mal so viel Geld zugesprochen wie eine Wissenschaftlerin - die etwa 395.000 Pfund erhielt statt rund 630.000 wie ein männlicher Kollege. Auch die Wahrscheinlichkeit, mit einem Antrag Erfolg zu haben, lag bei den Männern höher. Von 2000 bis 2013 landeten nur 22 Prozent der Fördergelder in der Krebsforschung bei Antragstellerinnen.
Dieser Missstand könnte ein Teil der Erklärung dafür sein, warum zwar 46 Prozent der Doktoranden in der EU weiblich sind, aber nur 22 Prozent der Professoren. Langfristig, befürchten viele Wissenschaftler, könnte die Ungleichheit in der Forschung sogar die Wettbewerbsfähigkeit Europas beeinträchtigen.
Wer daran etwas ändern will, darf nicht nur "Girls' Days" organisieren und Kitas an den Hochschulen gründen. "Equal Pay", gleiches Geld für gleiche Leistung, muss auch bei der Forschungsförderung gelten; dieser Gedanke muss einsickern in das Hirn von Gutachtern und Geldverteilern.
Veronika Hackenbroch in DER SPIEGEL Nr.22 / 26.05.2018. S.114
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