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Mittwoch, 16. Mai 2018

Neues Wiki als Plattform für historisches Wissen

Das reichhaltig illustrierte „Bilderbuch für Kinder“ von Friedrich Justin Bertuch, das von 1790 bis 1830 entstanden ist, kann jetzt auf ganz neuen Wegen entdeckt werden. Das Deutsche Institut für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF) stellt sämtliche Bilder und Texte des wegweisenden Lehr- und Sachbuchs digitalisiert und inhaltlich erschlossen in einer offenen Wiki-Plattform zur Verfügung. Interessierte Laien und Forschende aller Fachrichtungen können die Wiki-Inhalte nun weiter anreichern und damit das Wissen um das historische Werk erweitern. Das neue Wiki mit dem Namen „Interlinking Pictura“ vereint alle zwölf Bände des Kinderbuchs – und das größtenteils in mehreren Fassungen. Der Verleger und Mäzen Bertuch wollte mit seinem Werk den Kindern einen Überblick über das Wissen seiner Zeit geben: über Tiere und Pflanzen aus aller Welt, über Erfindungen, Entdeckungen und geschichtliche Ereignisse. Das Spektrum reicht vom fliegenden Seehahn bis zu den Ruinen von Palmyra. Besonderes Kennzeichen sind die insgesamt 1.180 aufwendig erstellten, handkolorierten Bildtafeln. Sie bilden den anschaulichen Einstieg in die vorgestellen Themen und werden durch kurze, kindgerecht erläuternde Texte ergänzt. Die Texte sind in Deutsch und Französisch, teilweise auch in Englisch und Italienisch gehalten. 
Interlinking Pictura gibt jetzt einen systematischen Einblick in sämtliche Inhalte. Alle  Bildtafeln werden in guter Bildqualität und inhaltlich erschlossen zur Verfügung gestellt. So findet man jeweils Angaben zur Quelle – zum Beispiel zum Erscheinungsjahr und im Falle einer Signatur zum Künstler – und zu Kontextinformationen. Das können beteiligte Personen bei Erfindungen, geografische Hinweise bei Gebäuden oder die wissenschaftlichen Namen von Tieren und Pflanzen sein. Die Original-Texte liegen als Scan und als durchsuchbarer Text vor. Der Einstieg ist beispielsweise über die einzelnen Bände, die Abbildungen, die geografische Verortung oder Schlagwörter möglich.  
Interessierte Laien und Forschende aller Fachrichtungen sind gefragt, sich mit ihrem Wissen in die offene Plattform einzubringen. Mit wenigen Klicks können sämtliche Nutzerinnen und Nutzer die veröffentlichten Informationen erweitern und neue Zusammenhänge aufzeigen. Es ist zum Beispiel möglich, weitere geografische Zuordnungen vorzunehmen, indem Links zur allgemein verfügbaren Datenbank Wikidata und den entsprechenden Geokoordinaten eingepflegt werden. Weiterhin lässt sich recherchieren und ergänzen, ob Bertuch ähnliche Abbildungen als Vorbild verwendet hat und welche späteren Darstellungen auf dem Bilderbuch aufbauen. Ebenso hilfreich wären zusätzliche Literaturangaben oder Korrekturen der automatisch ausgelesenen Texte. „Unser Ziel ist, dass nach und nach eine immer vielfältigere Wissenswelt rund um Bertuchs Bilderbuch entsteht“, erläutert Dr. Kollmann. Das Wiki kann auf vielen Wegen in der Forschung und in der Lehre genutzt werden – und das nicht nur im Bereich der visuellen Bildungsgeschichte. Auch für Disziplinen wie die Wissenschaftsgeschichte oder die Informationswissenschaften dürfte das Angebot interessant sein.
Das gemeinsame Projekt der DIPF-Abteilungen Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung (BBF) und Informationszentrum Bildung (IZB) wird durch das Centrum für Digitale Forschung in den Geistes-, Sozial- und Bildungswissenschaften (CEDIFOR), ein eHumanities-Zentrum der Goethe-Universität Frankfurt, der TU Darmstadt und des DIPF, gefördert. Inhaltlich baut Interlinking Pictura auf der seit vielen Jahren gepflegten Datenbank „Pictura Paedagogica Online“ der BBF auf. Dabei handelt es sich um eine ständig wachsende Sammlung von bildungshistorisch relevanten Bildern. Die digitalisierten Bände des Bilderbuchs stammen größtenteils aus diesem Fundus und wurden gezielt aus den Beständen weiterer Bibliotheken ergänzt. Das verantwortliche wissenschaftliche Team hat die Datensätze dann überarbeitet und in das Wiki überführt. Auf technologischer Ebene hat das IZB das Projekt betreut, wo man sich bereits seit längerem mit der Software „Semantic MediaWiki“ als Forschungsumgebung beschäftigt. 
Mit Bertuchs Bilderbuch startet Interlinking Pictura nun in seine öffentliche Testphase. Angedacht ist, künftig weitere Datensätze, die für die visuelle Bildungsgeschichte relevant sind, auf diesem Weg zur Bearbeitung freizugeben. Damit will das DIPF der Forschung, aber auch allen Interessierten neue Informationen und Möglichkeiten erschließen.

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