Weil die Verhandlungen zwischen der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) und
dem Elsevier-Verlag um eine Nationallizenz für elektronische
Wissenschaftsjournale (Projekt "DEAL") seit Monaten stocken und keine
Einigung in Sicht ist, appellieren mehr als 30 Herausgeber
wissenschaftlicher Zeitschriften an die Verhandlungsführer beider
Seiten, die Verhandlungen zügig fortzuführen.
Die Herausgeber drücken die Befürchtung aus, dass die Chance vertan
werde, für den Wissenschaftsstandort Deutschland eine zukunftsfähige
Plattform zu entwickeln, die allen Wissenschaftlern in Deutschland
Informationsbeschaffung und Veröffentlichung mit allgemeinem Zugang
(Open Access) einfach und mit hoher Qualität erlaubt. Gegen Ende des
Briefs bringen die Unterzeichner die Möglichkeit einer "neutralen
Vermittlung oder Moderation" ins Spiel. Das Scheitern der Verhandlungen
sei "keine Option".
Der offene Brief der Herausgeber wird hier ungekürzt wiedergegeben:
Sehr geehrter Herr Professor Alt, sehr geehrter Herr Professor Hippler, sehr geehrter Herr Mobed,
wir,
die unterzeichnenden Herausgeber wissenschaftlicher Zeitschriften,
betrachten den Abbruch der Verhandlungen zwischen der Deutschen
Hochschulrektorenkonferenz und dem Elsevier-Verlag über die zukünftige
Nutzung wissenschaftlicher Publikationen mit großer Sorge. Wir wenden
uns heute mit unten stehender Bitte in Form eines offenen Briefes an Sie
als Verhandlungsführer. Über Antworten und Kommentare würden wir uns
freuen unter no-deal-no-option.de oder an gies@berlin.de.
Mit gleicher Mail informieren wir die Wissenschaftsministerien des Bundes und der Länder:
NO DEAL IS NO OPTION
Eine
Bitte von Herausgebern wissenschaftlicher Zeitschriften an die
Verhandlungsführer der Hochschulrektorenkonferenz und des
Elsevier-Verlags (DEAL-Verhandlungen)
Seit zwei Jahren verhandeln
nunmehr die Deutsche Hochschulrektorenkonferenz (HRK) und der Elsevier
Verlag über die zukünftige Nutzung der Inhalte wissenschaftlicher
Zeitschriften des Verlages durch die Angehörigen deutscher
wissenschaftlicher Einrichtungen. Mit Bedauern und Erstaunen mussten wir
zur Kenntnis nehmen, dass die Verhandlungen zwischen der Deutschen
Hochschulrektorenkonferenz und dem Elsevier Verlag ausgesetzt wurden.
Wir
sehen die Verhandlungen als Möglichkeit, die Infrastruktur der
Wissenschaftslandschaft in Deutschland deutlich zu verbessern. Der
uneingeschränkte Zugang zu allen elektronisch gespeicherten
wissenschaftlichen Artikeln des Verlages erleichtert Recherche und
gründliche Auswertungen des Volltextes. Die Möglichkeit für alle in den
deutschen Wissenschaftseinrichtungen tätigen Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler ihre Ergebnisse in qualitativ hochwertigen,
begutachteten Zeitschriften ohne weitere Kosten und Einschränkungen mit
offenen Zugriff (Open Access) für alle Interessierten zu
veröffentlichen, stärkt den Einfluss von Forscherinnen und Forschern in
Deutschland in der internationalen Wissenschaftslandschaft.
Erfolgreiche
Verhandlungen mit dem Elsevier Verlag wären wegweisend für
Übereinkommen mit anderen Verlagen. Sie würden den Wissenschaftsstandort
Deutschland deutlich stärken. Sie würden die Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler in Universitäten, den Wissenschaftsorganisationen und
Ressortforschungseinrichtungen von unnötigem Zeitaufwand bei der
Literaturbeschaffung und der Nutzung der Literatur entlasten.
Erfolgreiche Verhandlungen können den Bibliotheken Sicherheit über die
künftige Entwicklung des Informationsmanagements geben, indem sie die
künftigen Rahmenbedingungen festschreiben.
Das Aussetzen der Verhandlungen lässt uns befürchten, dass diese Chancen für den Standort nicht genutzt werden.
Viele
Bibliotheken in Deutschland haben im Vertrauen auf eine zeitgerechte
Übereinkunft ihre Nutzungsverträge mit Elsevier gekündigt. Seit dem
Aussetzen der Verhandlungen ist für viele Forschende eine weitere
Nutzung dieser für ihre Arbeit unabdingbaren Ressourcen nicht mehr oder
nur unter großen Schwierigkeiten möglich. Von dieser Situation ist
besonders der wissenschaftliche Nachwuchs betroffen, der durch
Zeitverträge und feste Abgabetermine unter einem großen und oft
existentiellen Zeit- und Leistungsdruck steht.
Als Herausgeber
von wissenschaftlichen Zeitschriften bemühen wir uns – oft seit Jahren
und Jahrzehnten- für unsere Zeitschriften ein hohes Qualitätsprofil zu
entwickeln. Wir bemühen uns erfolgreich, die wissenschaftliche
Begutachtung und die Arbeit der Herausgeber zu beschleunigen und Autoren
und Lesern einen immer besseren Service zu bieten. Wir stehen zu einer
rigiden Qualitätskontrolle durch die wissenschaftliche Gemeinschaft und
unterstützen die Einführung von Open Access auch in den etablierten
Verlagen.
In dieser schwierigen Situation, bitten wir eindringlich die Beteiligten an den Verhandlungen auf beiden Seiten:
Verhandeln
Sie ergebnisorientiert. Open Access und allgemeiner Zugang der
deutschen Institutionen zu den Publikationen müssen umgesetzt werden.
Verhandeln
Sie zügig. Bitte bedenken Sie die schweren Probleme, die durch den
jetzigen Verhandlungsstand für junge Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler am Anfang ihrer Karriere entstanden sind. Bitte beenden
sie die Aussetzung der Verhandlungen umgehend.
Seien Sie sich
der schwierigen finanziellen Lage der Wissenschaftseinrichtungen
bewusst. Bitte nutzen Sie die Spielräume der Senkung aller
Kalkulationsfaktoren in Produktion, Vertrieb und Gewinn und erwägen Sie
konstruktive Übergangslösungen. Bitte bedenken Sie, dass es hier nicht
nur um Literaturbeschaffung, sondern um die Gestaltung einer
zukunftsfähigen und leistungsfähigen Wissenschaftslandschaft in
Deutschland geht. Bei dieser gesamtstaatlichen Aufgabe können die
einzelnen Forschungseinrichtungen nicht die gesamte finanzielle Last
tragen.
Bitte verhandeln Sie respektvoll in Anerkennung der Leistung und der Interessen der jeweils anderen Seite.
Sollten
Sie sich nicht in der Lage sehen, aus eigener Kraft eine Lösung zu
finden, zögern Sie bitte nicht eine neutrale Vermittlung oder Moderation
hinzuzuziehen.
Das Scheitern dieser Verhandlungen ist keine Option."
Zu den Unterzeichnern des offenen Briefs gehören die Professoren bzw.
Herausgeber Martin Brüne (Ruhr-Universität Bochum), Lutz Fischer
(Universität Hohenheim), Urs Hartl (Universität Münster), Astrid
Holzheid (Universität Kiel), Mario Larch (Universität Bayreuth), Georg
von Samson-Himmelstjerna (FU Berlin) und Alexander Steinbrecht (MPI für
Ornithologie, Seewiesen).
via https://www.boersenblatt.net/artikel-appell_von_herausgebern_wissenschaftlicher_zeitschriften.1528860.html
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