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Dienstag, 12. Februar 2019

Rückkehr des Staates: Eine sozialdemokratische Antwort auf Digitalisierung und Industrie 4.0. / Nils Heisterhagen. In: IPG 11.02.2019

Die deutsche Diskussion über Digitalisierung ist komplex. Beispielsweise wütet der gesellschaftspolitisch ultraliberale Zukunftsforscher Harald Welzer regelmäßig in Büchern und Gastbeiträgen gegen die „smarte Diktatur“ der Datenkraken aus dem Silicon Valley, die uns die Freiheitsrechte rauben und unsere Demokratie aushöhlen. Welzer ist damit nicht allein. Ein Gerhart-Baum-Liberalismus soll auch im 21. Jahrhundert noch überleben. Das ist hier das Ziel.
Es gibt nun aber auch solche Liberalen, die glühende Digitalisierungsphantasten sind und das aus ökonomischen Gründen. Kai Diekmann war früher dafür die Leitfigur. Der Journalist Christoph Keese ist auch so jemand. Ihr Tenor: Schaut auf das Silicon Valley. Wir müssen so werden wie die. Diese Liberalen kritisieren, dass in Deutschland vieles nicht schnell genug voran geht. Sie bemängeln diese deutsche Mentalität des betriebswirtschaftlich abwartenden Strukturkonservatismus. Sie wollen, dass sich die Menschen und die Unternehmen möglichst schnell für die neue Zeit öffnen und sehen, was da auf sie zukommt. Die betriebswirtschaftliche Zukunft sehen sie eher in Start-ups, zumindest aber in der „schöpferischen Zerstörung“, so wie der Wirtschaftssoziologe Joseph Schumpeter es einmal ausgedrückt hat.
Die Lage ist also verworren. Was kann aber eine originär „linke,“ zumindest „keynesianische“ Antwort auf die Digitalisierung sein und worin könnte ihre besonders deutsche Ausprägung liegen? Es handelt sich um eine Doppelstrategie. 
Erstens: Hat sich jemand mal gefragt, wie dieses einzigartige Ökosystem des Silicon Valley überhaupt entstehen konnte? Eine naive Antwort: Die ehemaligen Hippies aus Kalifornien haben es halt geschafft, im Kapitalismus anzukommen. Aus Visionen entstand so langsam ein neuer Wirtschaftszweig. Das war eben Disruption. Eine weniger naive Antwort ist: Die Universität Stanford und ihr Campus sind der Nukleus, der Kern des Ökosystems, ohne den es das Silicon Valley nicht gäbe. Das heißt: Ohne staatlich-öffentliche Infrastruktur kein florierendes digitales Ökosystem. Daraus sollte Deutschland lernen.
Deutschland braucht ein deutsches Stanford. Und das muss mit viel Geld des Staates finanziert und gegründet werden. Wo und wie? Man sollte die bisherige Technische Universität Berlin schließen und zugleich neugründen. Es sollte auf Basis und Verwaltungsstruktur der TU Berlin eine neue Berliner Universität entstehen - und zwar das BIT (Berlin Institut of Technology). Die MINT-Fächer und deren Institute der drei Berliner Universitäten sollen dafür ausgegliedert und in die neue Universität überführt werden. Das wird viel Geld kosten. Dazu werden fünf Milliarden Euro (oder mehr) in die Hand genommen werden müssen. Der Campus des BIT sollte auf dem Tempelhofer Feld errichtet werden. So können auch in Berlin ein Ökosystem wie Stanford und ein Silicon Valley 2.0 entstehen.
Zweitens: Man sollte zugleich nicht so naiv sein zu glauben, dass man das amerikanische Wirtschaftsmodell einfach kopieren kann. Deutschland kann und wird keine reine Start-Up-Nation werden. Das Wirtschaftsmodell Deutschlands ist nicht auf Disruption ausgelegt, sondern auf inkrementelle Weiterentwicklung. Hier gibt es weniger betriebswirtschaftliche Revolutionen, vielmehr ist Evolution das Leitbild. Und das wird auch im digitalen Zeitalter so bleiben. Der deutsche Maschinen- und Anlagenbau im konkreten, sowie die deutsche Industrie im Allgemeinen stehen dabei im Zentrum. Dieser Industrie und ihrer Zukunft muss sich eine deutsche Digitalisierungsstrategie im Kern widmen.... [mehr] https://www.ipg-journal.de/rubriken/soziale-demokratie/artikel/rueckkehr-des-staates-3251/

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