Am ersten oder zweiten Donnerstag im Oktober wird der wichtigste
Literaturpreis der Welt normalerweise verkündet. Doch in diesem Jahr
wird die goldverzierte Tür der Schwedischen Akademie in Stockholm nicht
aufgehen, kein Nobelpreisträger vom Ständigen Sekretär verkündet. Es
wird keinen Literaturnobelpreis 2018 geben.
Wie das kam? Hier der Rückblick:
Am 21. November 2017 brachte die Tageszeitung "Dagens Nyheter" den Stein ins Rollen: 18 Frauen beschuldigten in einem Artikel einen Mann aus dem Umfeld der Schwedischen Akademie, er habe sie sexuell belästigt.
Bald sickerte durch: Bei dem Beschuldigten handelt es sich um
Jean-Claude Arnault, den Ehemann von Akademiemitglied Katarina
Frostenson.
Arnault betrieb in Stockholm ein Kulturforum, das von der Akademie
mitfinanziert wurde und in dem auch immer wieder Lesungen von
Literaturnobelpreisträgern stattfanden. Vor allem dort sollen einige der
Übergriffe stattgefunden haben, aber auch in Wohnungen, die ihm von der
Akademie zur Verfügung gestellt wurden. Eine der Zeuginnen berichtete
der Zeitung, wie sie von dem Mann in einer Wohnung in Stockholm
vergewaltigt wurde, eine andere, wie er sie während eines Nobel-Banketts
begrapschte.
Im Dezember beauftragte die damalige Ständige Sekretärin der
Akademie, Sara Danius, eine Anwaltskanzlei mit der Untersuchung der
Vorwürfe und ihres Zusammenhangs mit dem 1786 gegründeten Gremium. Die
Untersuchung bestätigte "unakzeptables Verhalten in Form von
unerwünschter Intimität". Doch damit nicht genug: Das Paar soll sich
selbst Fördergelder zugeschanzt und die Namen von Nobelpreisträgern
ausgeplaudert haben. Das kann angesichts der lebhaften Wettgemeinde
durchaus lukrativ gewesen sein.
Erst versuchte die Akademie, die Skandale kleinzureden. Doch im April 2018 legten namhafte Mitglieder die Arbeit nieder. Die Juryvorsitzende Sara Danius musste gehen.
Von den einst "ehrwürdigen 18" waren plötzlich nur noch 9 Mitglieder
aktiv - so wenige, dass der sonst so zurückhaltende schwedische König
Carl XVI. Gustaf seine "große Sorge" über die Arbeitsfähigkeit der
Akademie ausdrückte. So wenige auch, dass sie allein keine neuen
Mitglieder berufen konnten.
Am 4. Mai dann der Paukenschlag: Die Schwedische Akademie verkündete, 2018 keinen Literaturnobelpreis zu vergeben.
Man müsse Zeit investieren, "um das Vertrauen der Öffentlichkeit in die
Akademie wieder herzustellen, bevor der nächste Preisträger verkündet
werden kann", erklärte der Interimsvorsitzende Anders Olsson. ... [mehr] http://www.spiegel.de/kultur/literatur/literaturnobelpreis-2018-warum-es-in-diesem-jahr-keinen-gibt-a-1231498.html
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