Nach der Abstimmung des Plenums des EU-Parlaments vom 12. September 2018 informiert die Rechtskommission des dbv hiermit seine Mitglieder zu den für Bibliotheken besonders relevanten Entscheidungen zum Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt. Der Beschluss hat positive und negative Aspekte. Das weitere Verfahren wird vom dbv genutzt werden, um die positiven weiter auszubauen und die negativen zu korrigieren.
Art. 3 Text- und Datenauswertung
Zu begrüßen ist, dass nun auch Hochschulbibliotheken in die Definition der
Forschungsorganisationen aufgenommen worden sind (Art. 2 Nr. 1 (1)) und so
Vervielfältigungen und Entnahmen für die Text- und Datenauswertung zum Zweck der
wissenschaftlichen Forschung tätigen dürfen.
Art. 4 Lehrtätigkeiten
Art. 4 Nr. 2 eröffnet leider die Möglichkeit, einen Lizenzvorrang im Fall der digitalen
Semesterapparate einzuführen. Mit dem UrhWissG wurde dies gerade erst in Deutschland
abgeschafft. Diese Aufhebung erfährt eine große Befürwortung im akademischen
Hochschulbereich, weshalb dieser Artikelentwurf als Rückschritt auf dem Gebiet der
Forschung und Lehre anzusehen ist.
Art. 5 Erhaltung des Kulturerbes
Zu befürworten ist die Klarstellung, dass Reproduktionsfotografien von gemeinfreien
Materialien, sofern sie zum Zwecke der Erhaltung des ursprünglichen Materials
vorgenommen werden, nicht urheberrechtlich geschützt sind. Dabei bleibt allerdings unklar,
welches Maß „zum Zweck der Erhaltung“ umfasst, sodass hier eine gewisse
Rechtsunsicherheit bestehen bleibt.
Art. 7 bis 9 Vergriffene Werke
Die Artikel-Entwürfe (Artt. 2,7-9) vergriffene Werke betreffend sind überwiegend positiv zu
bewerten. Zum Beispiel können nach Art. 2 Nr. 4a lit. b Werke, die nie im Handel erhältlich
waren, nun nach Art. 7 nutzbar sein. Ein Wermutstropfen ist hingegen, dass das Vorliegen
einer anderen Erscheinungsform, wie z. B. die Verfilmung oder Übersetzung, eine
Vergriffenheit gem. Art. 2 Nr. 4a ausschließt. Hier sollte im weiteren Verfahren klargestellt
werden, dass z.B. eine Verfilmung eines Romans oder die Vertonung von Noten keine
anderen Erscheinungsformen sind - schon weil bei ganz anderen Werkarten der Prüfaufwand
dann inakzeptabel hoch werden würde. Nachvollziehbar ist jedoch, dass z.B. eine nur leicht
geänderte neuere Auflage eines Werks die Vergriffenheit hindert.
Zudem wurde eine echte „Fallback“-Schranke für den Fall, dass keine Lizenzen über
vergriffene Werke zu Stande kommen, festgeschrieben. In Deutschland gibt es eine solche
bereits für Zeitschriften und Zeitungen. Leider bleibt jedoch auch die Möglichkeit erhalten,
einen Stichtag für die Einstufung als vergriffenes Werk vorzusehen. In Deutschland gilt so
eine Regelung derzeit nur für Werke, die vor 1966 erschienen sind, was beispielsweise bei der
Digitalisierung von DDR-Literatur sehr hinderlich ist.
Art. 11 Schutz von Presseveröffentlichungen
Das Leistungsschutzrecht für Presseverleger, wonach News-Aggregatoren verpflichtet wären,
Lizenzen von Verlagen zu kaufen, wenn sie deren Inhalte mit kurzen Textauszügen verlinken
wollen, betrifft nicht die private und nicht-gewerbliche Nutzung durch Einzelpersonen (Art.
11 Abs. 1 Nr. 1a). Entsprechend den deutschen Erfahrungen mit ähnlichen Regelungen dürfte
das Leistungsschutzrecht von Presseveröffentlichungen zu einer Verarmung des Internets und
weniger verfügbaren Qualitätsinhalten führen. Vor dem Hintergrund von immer frei
verfügbaren „Fake News“ wäre dies besonders zu bedauern. Da die nicht-gewerblichen
Angebote der Bibliotheken von Art. 11 allerdings ausgenommen bleiben, wären Bibliotheken
nur indirekt betroffen.
Art. 12 Ausgleichsansprüche der Verlage
Die Bibliotheken begrüßen die vorgesehene Möglichkeit, Verlage wieder an den
Ausschüttungen der Verwertungsgesellschaften zu beteiligen. Die Verwertungsgesellschaften
sind wichtige Partner der Bibliotheken bei ihrer Mission, eine möglichst breite und
umfassende Informationsversorgung zu gewährleisten und gleichzeitig für eine faire
Berücksichtigung der Interessen der Urheber zu sorgen. Bibliotheken brauchen daher starke
Verwertungsgesellschaften. Es ist sinnvoll, die berechtigten Ansprüche und Interessen der
Autorinnen und Autoren mit denjenigen der Verlage in einer gemeinsamen
Interessenvertretung zu bündeln.
Art. 13 Upload-Filter
Die Einführung von Upload-Filtern wird - wenn überhaupt - Green Open Access Repositories
bzw. Zweitveröffentlichungen auf der eigenen Homepage betreffen. Betreiber müssten
Formalien und Mittel aktiv entwickeln und/oder bereitstellen, die gewährleisten, dass bereits
im Vorfeld absolute Klarheit über alle Urheberrechte und möglichen Lizenzen besteht. Art. 13
Nr. 2b konkretisiert dazu: Wenn Inhalte von Betreibern ungerechtfertigt entfernt wurden und
sich die Nutzerinnen und Nutzer beschweren, müssen die Betreiber unverzüglich und durch
eine natürliche Person prüfen, ob der Algorithmus korrekt war oder ob es sich um erlaubte
Satire, Zitate etc. handelt. Dies könnte den Forschungs- und Publikationsprozess erheblich
verteuern und auch verlangsamen, sodass Forschungsergebnisse erst zu einem viel späteren
Zeitpunkt der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt werden würden, was unter
Reputationsaspekten auch zu einem Rückgang der freizugänglichen Zweitveröffentlichung
führen kann.
Das weitere Verfahren bietet die Chance, die Bedürfnisse der Bibliothekslandschaft noch
stärker zu berücksichtigen und insbesondere das wegweisende Urteil des Europäischen
Gerichtshofes zur Zulässigkeit der „E-Leihe“ durch Schaffung des nötigen gesetzlichen
Rahmens im Sinne der Informationsfreiheit praktikabel auszugestalten.
via https://www.bibliotheksverband.de/fileadmin/user_upload/Kommissionen/Kom_Recht/Rechtsinformationen/2018_09_24_Information_zum_EU-Urh-RL_endg.pdf
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