Ich kann es nicht mehr
hören. Dieses trunkene Anfeuerungsgerede, diese putzmuntere
Selbstaufmunterung, diese suggestive Einflüsterung, dass ein
menschenwürdiges Leben nur denjenigen beschieden sei, die lesen. Seit
Jahren geistert dieser unheilvolle, inhaltsarme Satz durch die
Feuilletons, durch Buchempfehlungsblogs und durch den Ratgebermarkt:
„Lesen macht glücklich!“
Eine Behauptung, die auf vielen halb
wahren und halb garen Voraussetzungen beruht und die durch kraftvolles
Wiederholen nicht einsichtiger wird. Natürlich propagieren das Leseglück
vor allem diejenigen, die von Berufs wegen an die Unverzichtbarkeit und
an den Nutzen von Lektüre glauben, glauben wollen: Lektoren,
Büchereidirektoren, Literaturkritiker und Verleger. So wie sich Klempner
irgendwann die Überzeugung angeeignet haben, dass ein gesichertes,
glückliches Leben nur durch zuverlässige Klempnerdienste zu erlangen
sei.
Es geht den Lesepropagandisten nicht um jede
x-beliebige Art des Lesens. Besonderen Stellenwert erhält seit jeher die
Belletristik, deren konkreter Nutzen ein wenig vage zu definieren ist
und die sich deshalb so schön mit dem nicht minder diffusen Begriff des
Glücks kombinieren lässt.... [mehr] https://www.welt.de/kultur/literarischewelt/article175694373/Lesen-macht-gluecklich-Ich-kann-es-nicht-mehr-hoeren.html
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