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Freitag, 24. Februar 2017

Positive Bewertungen des Referentenentwurfs zur Reform des Urheberrechts durch HRK, dbv, Henning Lobin, Rainer Kuhlen

Reformen des Urheberrechts und kein Ende. Open Password wird sich in mehreren Folgen mit dem aktuellen “Referentenentwurf zur Reform des Urheberrechts” befassen, den das Bundesjustizministerium für die öffentliche Diskussion freigegeben hat. Bis zum 24. Februar sollen die dann offiziellen Stellungnahmen an das Bundesministerium für Justiz geschickt warden. Sie warden dort mit Blick auf notwendige Modifizierungen des Referentenentwurfs geprüft.
Die bislang vorliegenden zahlreichen Stellungnahmen reichen von begeisterter Zustimmung (zum Beispiel Henning Lobin in: http://scilogs.spektrum.de/engelbart-galaxis/durchbruch-fuer-die-wissenschaft-der-referentenentwurf-zur-reform-des-urheberrechts/) bis zur entschiedenen Ablehnung (zum Beispiel aus Verlegersicht: www.publikationsfreiheit.de/). Hochschulrektorenkonferenz und Deutscher Bibliotheksverband haben den Entwurf begrüßt (www.hrk.de/presse/pressemitteilungen/pressemitteilung/meldung/hrk-und-dbv-begruessen-referentenentwurf-zur-reform-des-urheberrechts-nachdruecklich-4115/).
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Rainer Kuhlens grundsätzlich positive Beurteilung.
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Prof. Dr. Rainer Kuhlen ist Sprecher des Aktionsbündnisses “Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft” und hat sich wie kein anderer die Sache der Bibliotheken im Zusammenhang mit dem Urheberrecht öffentlich zu eigen gemacht. Er hat seine Positionen zum Referentenentwurf in juwis und sodann leicht überarbeitet bei irights deutlich gemacht (www.irights.info/artikel/referentenentwurf-urheberecht-wissensgesellschaft-bildungs-wissenschaftsschranke/28355). Die aktuelle Position des Bündnisses mit prinzipieller Unterstützung des Referentenentwurfs und ersten Vorschlägen für Verbesserungen findet sich unter www.urheberechtsbuendnis .de/pressemitteilung0117.html.de). Sieht man von seinen Auseinandersetzungen mit Detailfragen ab, so kommt Kuhlen in seinem irights-Beitrag zu diesen Beurteilungen („Entwurf zum Urheberrecht in der Wissensgesellschaft: Respekt, aber Respekt ist nicht alles“):
„Das Ministerium hat sich entschieden, auf das Konzept einer Generalklausel zu verzichten… Statt einer allgemeinen, umfassenden Norm, die die Befugnisse im Bildungs- und Wissenschaftsbereich regelt, soll es einen Katalog neuer, spezifischer Regelungen dazu geben. …Es handelt sich also um eine Auseinandersetzung darüber, was gleichermaßen verständlich und inventions- und innovationsfreundlicher ist: eine allgemeine Regelung mit einer führenden Generalklausel oder eine Serie von Einzelvorschriften, in denen präzise und differenziert angegeben wird, was in welchem Umfang als Nutzung erlaubt ist, und wodurch jede beteiligte Akteursgruppe (Wissenschaft, Bildung, Mittler von Bibliotheken) genau weiß, was in welcher Schranke wie geregelt ist.
Deutlich wird jedenfalls beim Blick auf den Entwurf: Hier waren Fachleute am Werk, die mit Blick auf eine zeitlich überschaubare Zukunft auf analytische Klarheit und Präzision, mit Präferenz für Rechtssicherheit und eindeutige Normsetzung, auf saubere institutionelle Trennung und nicht zuletzt auf Verträglichkeit mit dem europäischen Unionsrecht gesetzt haben, das an vielen Punkten Vorgaben für den deutschen Gesetzgeber macht.
Darüber muss nun intensiv diskutiert werden; denn das sind Entscheidungen, die nicht von oben herab von einigen Spezialisten in einem Ministerium getroffen werden sollten, sondern durch einen breiten Konsens getragen bzw. korrigiert werden müssten. Ob das jetzt noch in der verbleibenden Legislaturperiode geschafft werden kann, darf bezweifelt werden.“
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Gegen abwegige Argumentationen der Verleger.
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Kuhlen und das Aktionsbündnis haben sich in einem weiteren Text „gegen die Unterstellungen der Verlagsseite“ gewandt, „welche den Referentenentwurf zu Fall bringen will“(„Die in Bildung und Wissenschaft Tätigen sollten sich nicht von falschen Behauptungen zugunsten von Verlegerinteressen manipulieren lassen“):
„Durch die geplante und längst überfällige Urheberrechtsreform werden die Rechte von Autorinnen und Autoren in keiner Weise, im Vergleich zur aktuellen Rechtslage, zusätzlich eingeschränkt. Auch nach dem Referentenentwurf können, dürfen und sollen Autorinnen und Autoren veröffentlichen, wo sie wollen. Auch das Strategiepapier zu Open Access des Bundesministeriums für Bildung und Forschung führt zu keiner Einschränkung der Publikationsfreiheit. Wie eine Degradierung von Autorinnen und Autoren wissenschaftlicher Texte zu Autoren „zweiter Klasse“ erfolgen soll und darüber hinaus sie ihre Grundrechte verlieren würden, bleibt einzig und allein das Geheimnis der beiden Verleger…
Autorinnen und Autoren sollten sich nicht durch, gelinde gesagt, abwegige „Argumentation“ dieser Verleger für deren Interessen einspannen lassen. Verlage disqualifizieren sich leider mit solchen Appellen. Die Politik täte gut daran, diese Initiative einfach als Angriff der ewig Gestrigen zu ignorieren.“.
Für eine Anhörung bei der SPD im Bundestag hat Kuhlen ein Papier verfasst, das seine Positionen noch einmal zusammenfasst, einen Einblick in aktuelle politische Prozesse ermöglicht und im folgenden Beitrag zitiert wird.
 Urheberrecht (2)

Wichtiger Schritt in Richtung
eines bildungs- und wissenschaftsfreundlichen Urheberrechts


Die Nachbesserungsbedarfe

Von Rainer Kuhlen
Dilemma
„Wir werden den wichtigen Belangen von Wissenschaft, Forschung und Bildung stärker Rechnung tragen und eine Bildungs- und Wissenschaftsschranke einführen.
Wir werden prüfen, ob den öffentlichen Bibliotheken gesetzlich das Recht eingeräumt werden sollte, elektronische Bücher zu lizenzieren.“ (Koalitionsvertrag, S. 93).
„Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen und von den Linken, Sie können sich sicher sein: Wir halten unsere Zusagen ein.“ (MdB Marianne Schieder, SPD - 8. Wahlperiode - 183. Sitzung vom 07.07.2016 - TOP 11)
RefE – BMJV: „Gesetz zur Angleichung des Urheberrechts an die aktuellen Erfordernisse der Wissensgesellschaft (Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz – UrhWissG)“ – Keine Allgemeine Bildungs- und Wissenschaftsschranke (ABWS). Vielmehr: Im Unterabschnitt 4 des Entwurfs mit dem Titel „Gesetzlich erlaubte Nutzungen für Unterricht, Wissenschaft und Institutionen“ werden acht neue Paragraphen 60a-60h untergebracht. Dieser Unterabschnitt wird als der Kern der Reform bezeichnet. Durch diese §§ würden bestehende §§ wie 52a, 52b und 53a UrhG gelöscht.
Die SPD-Fraktion wird diesen Konflikt zwischen Zusage und Realität sicher auflösen. Auch wenn der RefE keine ABWS ist, sollte die SPD-Fraktion das Vorhaben des BMJV unterstützen und sich nicht von den sich jetzt schon abzeichnenden Kampagnen der Verleger gegen diese Reform beeindrucken lassen.
Durch die jetzt vorgesehenen Reformen wird niemand enteignet und die Rechte der Urheber bleiben wie bislang bestehen. Es ist nicht die Aufgabe des Urheberrechts, die i.d.R. elektronischen Umgebungen nicht mehr angemessenen Geschäfts- und Finanzierungsmodelle der Verlagswirtschaft zu unterstützen. Im Gegenteil – der Entwurf sollte die Verlagswirtschaft dazu bringen, adäquate Modelle zu entwickeln und sich dabei von der Musik- und Videoindustrie anregen zu lassen
Unterstützung
Das Aktionsbündnis hatte als erste Organisation sich zum Ziel gesetzt, die Politik zu überzeugen, die verschiedenen, auf Bildung und Wissenschaft bezogenen Paragraphen des UrhG durch eine ABWS zu ersetzen. Das Aktionsbündnis hat dafür einen machbaren einheitlichen Vorschlag vorgelegt: http://www.urheberrechtsbuendnis.de/docs/abwk-flyer-2015-a4.pdf.
Trotzdem sieht das Aktionsbündnis im Referentenentwurf des BMJV für ein „Gesetz zur Angleichung des Urheberrechts an die aktuellen Erfordernisse der Wissensgesellschaft (Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz — UrhWissG)“ einen wichtigen Schritt in Richtung eines bildungs- und wissenschaftsfreundlichen Urheberrechts.
Viele der Regelungen in den neuen Paragraphen 60a–60h sind sinnvoll, überfällig und für Nutzer besser verständlich und scheinen praktikabler. Sie sind ein wirklicher Fortschritt gegenüber den alten Regelungen aus dem Zweiten und Dritten Korb der Urheberrechtsreformen ab 2002.
Bei den Diskussionen um die jetzt vorgeschlagenen Schrankenregelungen sollte beachtet werden, dass diese keine absolute Erlaubnis zur Nutzung geben oder gar illegale Nutzung begünstigen; vielmehr handelt es sich immer um Material, über welches i.d.R. die Bibliotheken durch Kauf oder Lizenz rechtmäßig verfügen.
Zum andern sollte die Besonderheit in Bildung und Wissenschaft beachtet werden, dass kreative Autoren immer schon Nutzer der Werke Anderer sind. Jeder Autor ist auf das Wissen anderer angewiesen. Daher wird kaum ein Autor auf einer exklusiven Verfügung über seine Werke beharren, sondern im eigenen Interesse den Zugriff auf diese so frei wie möglich machen.
Nachbesserungsbedarf
Trotz der generellen Unterstützung für den RefE sieht das Aktionsbündnis einigen Nachbesserungsbedarf, wie z.B.
• Verzicht auf eine Quantifizierung der Nutzungshandlungen (derzeit variierend zwischen 10, 25 und 75%); entscheidend sollte allein der Zweck der Forschung bzw. der Ausbildungsaktivität sein.
• Auch von außerhalb der Bibliotheksräume sollten auf die digitalisierten Bestände der Bibliotheken zugegriffen werden können (z.B. über VPN); für Bibliotheken sind die Räume im elektronischen Umfeld nicht nur physische, sondern auch virtuelle Räume.
• Wichtige Beiträgen, wie Konferenzbeiträge und Artikel in Sammelbänden jeder Art, sollten in die Nutzungserlaubnisse, z.B. in den §§ 60a und 60c, einbezogen werden. Solche Beiträge sind in vielen Disziplinen wichtiger als Aufsätze in Zeitschriften.
• Für Bibliotheken muss eine Regelung gefunden werden, dass sie eBooks sowohl erwerben als auch ausleihen können.
• Text- und Data-Mining (TDM) sollten nicht auf strikte nicht-kommerzielle Nutzung beschränkt werden; die gerade bei TDM wichtigen Kooperationen mit der IT-Wirtschaft werden so behindert oder sogar unmöglich gemacht.
• TDM-Nutzungen sollten nicht vergütungspflichtig sein; da der Schaden für die Rechtsinhaber durch TDM-Nutzung minimal ist. So sieht es auch die entsprechende Passage (Erwägungsgrund EG 13) des Vorschlags der EU-Kommission vor.
• Die in Bibliotheken (nach TDM-Auswertungen) gespeicherten (TDM)-Korpora müssen wegen wissenschaftsethischer Prinzipien der Überprüfbarkeit der Ergebnisse bei Bedarf wieder neu zugänglich gemacht werden können.
Die Gelegenheit der Reform des Wissenschaftsurheberrechts sollte dafür genutzt werden, die 2014 gültig gewordenen Regelungen für ein Zweitverwertungsrecht in § 38, Absatz 4 UrhG gerechter und praxisnäher zu gestalten. Die bislang ausgeschlossene grundfinanzierte Hochschulforschung muss in das Zweitverwertungsrecht einbezogen werden.
Vergütung
Insbesondere hält das Aktionsbündnis es für erforderlich, Vergütungsfragen auf den Wissenschafts- und Bildungsmärkten ganz anders zu beantworten als auf den allgemeinen Publikumsmärkten. Dazu nur einige Hinweise:
• Die weitaus überwiegende Mehrheit der Wissenschaft ist an einer monetären Anerkennung ihrer Arbeit nicht interessiert. So gut wie alle Publikationen (bis auf wenige Buchausnahmen und Fachgebiete wie Jura) werden den Urhebern ohnehin nicht von den Verlagen vergütet. Die Währung in Bildung und Wissenschaft ist nicht Vergütung, sondern Reputation.
• Die schrankenbezogene Nutzung sollte von solchen Werken nicht vergütungspflichtig sein, die überwiegend durch Autoren entstanden sind, die öffentlich finanziert werden.
• Wäre nicht die Überlegung zukunftsweisend, „das Urheberrecht dahingehend zu ändern, dass urheberrechtlich geschützte Werke unentgeltlich im Schulunterricht sowie an Universitäten genutzt werden können. ...“? Das ist keine realitätsfremde Forderung, und sie stammt nicht aus der Feder des Aktionsbündnisses. Das Zitat stammt aus dem Petitionssauschuss des Bundestags, der einstimmig am 25.2.2015 empfohlen hat, solche Überlegungen auch bei der Verfassung einer ABWS mit einzubeziehen.
­Zu erinnern sei auch daran, dass das damalige BMJ schon einmal, nämlich 2002 im Referetenentwurf für § 52a die Vergütungspflichtigkeit für Ausbildungszwecke nicht vorgesehen hatte, dies also mit Vorgaben wie Dreistufentest für verträglich gehalten hatte.
Auch Art 4, 4 des Vorschlags der EU-Kommission von 2016 schreibt für „digital and cross-border teaching activities“ Vergütung nicht verpflichtend vor. Es wird nicht von „shall“, wie sonst in diesem Vorschlag üblich, gesprochen, sondern „may provide for fair compensation“.
Auch in verschiedenen EU-Ländern, z.B. Estland, ist für die Nutzung von urheberrechtsgeschützten Werken keine Vergütung für Zwecke der Ausbildung vorgesehen.
„Im Jahr 2014 gaben die öffentlichen Bildungs- und Wissenschaftseinrichtungen etwa eine Milliarde Euro für den Erwerb von urheberrechtlich geschütztem Material aus. Davon entfiel etwa die Hälfte auf die wissenschaftlichen Bibliotheken von Hochschulen und Forschungsinstituten“ (S. 7).
„Die an die Verwertungsgesellschaften gezahlte Vergütung für die Anwendung der Schranken des Urheberrechts im Bereich der Bildungs- und Wissenschaftseinrichtungen belief sich hingegen auf etwa 32,5 Millionen Euro“ (S. 7) http://www.dice.hhu.de/fileadmin/redaktion/Fakultaeten/Wirtschaftswissenschaftliche_Fakultaet/DICE/Ordnungspolitische_Perspektiven/86_OP_Haucap_Loebert_Spindler_Thorwarth.pdf.
Das zeigt, dass der Verkauf oder die Lizenzierung von Werken an Bibliotheken die zentrale Verwertung ist. Die Einnahmen aus Schrankenregelungen sind dagegen marginal.
via Open Password Pushdienst vom 24.02.2017 

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