Tote kann man jederzeit neu erfinden und gerade ein
toter Schriftsteller taugt als ideale Projektionsfigur, sagt die
Journalistin Edelgard Abenstein. Kein Wunder, dass Schriftsteller gerne
etwa Kafka oder Goethe zu Helden ihrer Romane machen.
Annette von
Droste-Hülshoff, Gerhart Hauptmann, Arthur Schnitzler – sie gehören zum
Kanon der deutschen Literatur, auch wenn es um ihre Namen etwas stiller
geworden ist. Das ändert sich gerade, seit sie in der laufenden Saison
unter malerischen Titeln wie „Wiesenstein“ oder „Fräulein Nettes kurzer
Sommer“ als Romanhelden auftreten. Ihre Autoren sind keine Biografen, es
sind Kollegen, Schriftsteller, deren Geschäft die Erfindung ist, das
Spiel mit Dichtung und Wahrheit. Und jenes Spiel sorgt schon seit Jahren
für gute Verkaufszahlen in den Buchhandlungen – mit der A-Klasse der
deutschen Literatur, mit Goethe, Kafka, Rilke als Protagonisten. Ein
Trend also.Was veranlasst Schriftsteller, statt Familien- oder Ich-Geschichten zu schreiben, sich das Leben ihrer Vorgänger auszumalen? Hoffen sie nur auf ein wenig Abglanz, wenn sie sich in deren Sonne stellen? Kühn ist es allemal, authentischen Figuren vermeintlich über die Schulter zu blicken, ihnen Worte in den Mund zu legen, als wären sie wirklich gesprochen worden.
Rein sportlich gesehen sind Schriftsteller gegenüber jedem Biografen im Vorteil. Mit der „aktenmäßigen Wirklichkeit“ (Stefan Zweig) können sie viel verwegener umspringen. Dass auch sie gewissenhaft zu recherchieren haben, versteht sich, aber ohne an den Quellen zu kleben. Ihr Pfund: Indem sie sich an eine fremde Existenz herantasten, füllen sie Leerstellen erzählerisch, mit ausgedachten Szenen, Dialogen, Gedanken. Das ist nichts anderes als Schicksal zu spielen. ... [mehr] https://www.deutschlandfunkkultur.de/autoren-schreiben-ueber-autoren-wenn-schriftsteller-zu.1270.de.html
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