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Donnerstag, 8. Februar 2018

Netzwerkdurchsetzungsgesetz: Weniger Hass oder weniger Meinungsfreiheit?

Seit dem 01.01.2018 gilt in Deutschland das neue Netzwerkdurchsetzungsgesetz. Soziale Medien sind seitdem dazu verpflichtet, "offensichtlich rechtswidrige" Hasskommentare und Hetze auf ihren Plattformen innerhalb von 24 Stunden zu löschen. Nach nur knapp einem Monat lässt sich allerdings festhalten: Das neue Gesetz sorgt in der Presse und im Netz für hitzige Diskussionen. Warum, erklärt Dr. Tobias Keber, Professor für Medienrecht an der Stuttgarter Hochschule der Medien (HdM). 

"Dieser Tweet von @Alice­_Weidel wurde aufgrund der Gesetze vor Ort zurückgezogen in Deutschland". So ist es beim Kurznachrichtendienst Twitter zu lesen. Es geht um einen Tweet, in dem die AfD-Fraktionsvorsitzende unter anderem über "marodierende, grapschende (...) Migrantenmobs" schrieb, und damit offenbar das Löschen ihrer Nachricht provozierte. Seit dem 1. Januar 2018 gilt in Deutschland das neue Netzwerkdurchsetzungsgesetz, kurz NetzDG, das sich gegen strafbaren Hass und Hetze im Netz richtet. "Offensichtlich rechtswidrige" Inhalte müssen von Sozialen Medien innerhalb von 24 Stunden gelöscht werden. Passiert das nicht, droht den Unternehmen im Extremfall eine Strafe von bis zu 50 Millionen Euro. "Für strafbare Hetze darf es in den sozialen Netzwerken genauso wenig Platz geben, wie das auf der Straße der Fall ist", erklärte Bundesjustizminister Heiko Maas im vergangen Jahr. Mittlerweile gilt es, das NetzDG und kam bereits mehrfach zum Einsatz. Neben dem gelöschten Tweet von Alice Weidel sorgte insbesondere die Sperrung des Twitter-Accounts der AfD-Bundestagsabgeordneten Beatrix von Storch für Aufsehen. Nach einem Tweet über "barbarische, muslimische (...) Männerhorden", sperrte Twitter den Account der Politikerin für 24 Stunden. Vermutlich wegen des im NetzDG beschriebenen Verbots der Volksverhetzung. Das könnte man jedenfalls meinen. "Ob das NetzDG unmittelbare Ursache für die Sperrung von Frau von Storch war, ist zweifelhaft", sagt Tobias Keber, Professor für Medienrecht an der HdM. "Die AfD und andere Betroffene kultivieren momentan ihren Opferstatus, obwohl die jeweiligen Gemeinschaftsstandards (Nutzungsbedingungen) der Sozialen Medien der Grund für die Sperrung bzw. Löschung gewesen sein dürften. Schon vor Geltung des NetzDG hat es Fälle gegeben, in denen Beiträge durch die Plattformen gelöscht wurden, weil sie den Gemeinschaftsstandards nicht entsprachen. Nehmen Sie das Beispiel aus dem Jahr 2013, wo sich der Radiomoderator Jürgen Domian auf Facebook kritisch zur katholischen Kirche geäußert hat und seine Beiträge kurzzeitig verschwanden. In der Presse wird nicht hinreichend zwischen Maßnahmen aufgrund des Hausrechts der Anbieter und solchen auf Grundlage des NetzDG differenziert." Vor allem durch diese Fehlinterpretation sieht sich das NetzDG nach nur knapp einem Monat bereits harscher Kritik ausgesetzt. Neben der AfD fordern mittlerweile auch FDP und Grüne die Abschaffung des "vermurksten Gesetzes", so FDP-Generalsekretärin Nicola Beer in der "Welt am Sonntag". Der Grund dafür sei, dass es die Meinungsfreiheit in Deutschland einschränke. "Das große Problem des NetzDG ist vor allem die sehr kurze Reaktionszeit (24 Stunden) betreffend 'offensichtlich rechtswidriger' Inhalte", erklärt Dr. Tobias Keber. Mitarbeiter der Social-Media-Plattformen müssen innerhalb dieser Zeit entscheiden, ob ein Beitrag „offensichtlich rechtswidrig" ist oder nicht. Dabei bestehe in einigen Konstellationen die Möglichkeit, die gegebenen Fristen zu verlängern und die Entscheidung an Institutionen der freiwilligen Selbstregulierung abzutreten. "Bis ein Inhalt auf diesem Weg gelöscht wird, kann er aber schon lange viral gegangen sein", sagt Dr. Tobias Keber.

In der Folge bedeutet das: Streitgegenständliche Inhalte könnten von Mitarbeitern im Zweifelsfall voreilig gelöscht werden, um eine Strafe oder Verbreitung zu vermeiden. Und das könnte in manchen Fällen, unabhängig von den gelöschten Tweets der AfD-Politikerinnen, zum Problem für die Meinungsfreiheit werden. Das NetzDG wird also voraussichtlich auch in den kommenden Wochen und Monaten für einige Diskussionen sorgen.


David Groß im Newsletter der Hochschule der Medien vom 08. Februar 2018

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