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Dienstag, 9. August 2016

Studie zur allgemeinen Bildungs- und Wissenschaftsschranke

Eine Studie vom Juli 2016 belegt, wie ein unzeitgemäßes Urheberrecht die Bildungseinrichtungen davon abhält, die Möglichkeiten digitaler Technologien für Lehre und Forschung auszuschöpfen. Sie zeigt aber auch Lösungswege auf, allen voran die Einführung einer allgemeinen Bildungs- und Wissenschaftsschranke. Die Studie des Düsseldorfer Instituts für Wettbewerbsökonomie mit dem Titel "Ökonomische Auswirkungen einer Bildungs- und Wissenschaftsschranke im Urheberrecht", die im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung entstand, basierte auf einer Fragebogenaktion, die von 303 wissenschaftlichen Bibliotheken und 133 Stadtbibliotheken beantwortet wurde.

Die Zusammenfassung, die der Studie vorangestellt ist, hält fest, dass "bei den Stadtbibliotheken nach wie vor die traditionellen Medien wie Printbücher und Printausgaben im Vordergrund stehen. Gut zwei Drittel ihres Erwerbungsetats entfallen auf diese Posten. ... Anders verhält sich dies bei den wissenschaftlichen Bibliotheken, die mittlerweile gut 40% ihrer Erwerbungsmittel für E-Journals und E-Books ausgeben, wobei ein Gros, d.h. 30,7 %, für E-Journals aufgewendet wird."

Die geltenden Schrankenregelungen werden in erster Linie von den wissenschaftlichen Bibliotheken in Anspruch genommen. "Besonders die Bibliotheken großer Hochschulen, welche stark in die Fernleihe (sowohl 'gebend' als auch 'nehmend') eingebunden sind, machen besonders häufig von den Regelungen hinsichtlich des Kopienversandes Gebrauch. ... Als zentraler Kritikpunkt haben sich ... die Bestimmungen hinsichtlich des Kopienversandes auf Bestellung herauskristallisiert (§ 53a UrhG), welche die Bibliotheken dazu veranlassen, elektronisch verfügbare Artikel entweder in Papierform oder als eingescannte Version mit mangelnder Qualität zur Verfügung zu stellen. Auch die Fernleihe von E-Books ist i. d. R. nicht erlaubt, was die Bibliotheken wiederum zwingt, sich die jeweiligen E-Books selbst anzuschaffen."   

Die wichtigsten Erweiterungswünsche, die wissenschaftliche Bibliotheken an das Urheberrecht richten, können wie folgt zusammengefasst werden: - vereinfachte elektronische Lieferungen von Zeitschriftenaufsätzen an Mitglieder und Angehörige von wissenschaftlichen Einrichtungen, - Digitalisierung kompletter urheberrechtlich geschützter Werke z. B. für Semesterapparate, - genehmigungsfreies Data Mining (= systematische Anwendung statistischer Methoden auf große Datenbestände, insbesondere Big Data bzw. Massendaten mit dem Ziel, neue Querverbindungen und Trends zu erkennen) und Text Mining (= Bündel von Algorithmus-basierten Analyseverfahren zur Entdeckung von Bedeutungsstrukturen aus un- oder schwachstrukturierten Textdaten).

Die Studie hält als Reaktion auf die Ausweitung einer Bildungs- und Wissenschaftsschranke aus ökonomischer Sicht fest: - Wissenschaftler unterliegen einem Publikationsdruck. Daher dürften die Erweiterung der Schrankenregelungen und die Einrichtung einer allgemeinen Bildungs- und Wissenschaftsschranke keine negative Auswirkung auf die Publikationstätigkeit haben; -  eine Reduzierung der Erwerbungsetats ist nicht zu erwarten, da die wissenschaftlichen Bibliotheken ihr Anschaffungsverhalten ändern und ihre Bestände spezialiseren werden; - der Erleichterung des elektronischen Leihverkehrs kann von Seiten der Verlage durch Preisanpassungen und einer stärkeren Umstellung auf zugriffsbasierte Abrechnungsmodelle entgegengewirkt werden; - bei Monographien kann der denkbaren Fernleihe von E-Books ebenfalls durch Preisanpassungen gegengesteuert werden. Fazit: Die Einführung der allgemeinen Bildungs- und Wissenschaftsschranke dürfte für die Verlagsbranche insgesamt erlösneutral ausfallen.   

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