Der Dichter Rainer Maria Rilke bereiste Russland zweimal und
erschuf sich "sein goldenes Russland", das sich auch in seinen Gedichten
widerspiegelt. Das zeigt das große trinationale Forschungs-und
Ausstellungsprojekt "Rilke und Russland" im Deutschen Literaturarchiv Marbach (DLA), das vom 03.05. bis zum 06.08.2017 zu sehen ist. Sein Reisegeschirr, den Baedeker und die Originalmanuskripte
seiner ersten Gedichte aus dieser Zeit sind ebenso zu sehen wie
Zeugnisse, die belegen, dass Rilke das Land idealisierte, die sozialen
Nöte und Umwälzungen nicht sehen wollte. Seine Begegnungen mit Lou Andreas-Salomé, Leo Tolstoi und Boris Pasternak sind ebenfalls Thema der
Ausstellung, die in enger Kooperation mit dem Schweizerischen Literaturarchiv in der Schweizerischen Nationalbibliothek, dem Strauhof Zürich und dem Staatlichen Literaturmuseum der Russischen Föderation erarbeitet worden ist.
Genauso, wie sich Rilke sein goldenes Russland erschuf, zeigt die
Ausstellung viele Exponate in schwarzen Vitrinen vor einer goldenen
Wand. Sein Reisegeschirr, den Baedeker und die Originalmanuskripte
seiner ersten Gedichte aus dieser Zeit. Die Reisen nach Russland stieß
Rilkes damalige Geliebte und Gönnerin an: die 14 Jahre ältere
Schriftstellerin Lou Andreas-Salome. Selbst in Moskau aufgewachsen, aber
in einem deutschen Umfeld, suchte sie an seiner Seite nach ihrer
russischen Identität und nach einer anderen Form der Religiosität. Rilke
erschuf sich dabei eine geistige Heimat. Das Leitmotiv der Ausstellung ist dabei
die Projektion. Denn Rilke ließ sich vom einfachen Leben der Bauern
genauso begeistern wie von der russischen Kunst. Alles was sein
positives Russlandbild hätte stören können, das blendete er aus. Viele
Zeugnisse in Marbach belegen, dass er die sozialen Nöte und Umwälzungen
in Russland durchaus kannte, aber nicht sehen wollte. Auch seine
Begegnungen mit dem von ihm hochverehrten Dichter Tolstoi bei beiden
Reisen liefen ganz anders als eigentlich geplant. Denn Tolstoi
ignorierte Rilke beim ersten Besuch mehr oder weniger. Bei ihrem zweiten
Treffen würdigte er die Lyrik als Kunstform herab. Erst sehr spät wagte
sich Rilke an eine Generalabrechnung mit seinem großen Vorbild.
Zu
sehen ist auch die handschriftliche Übersetzung eines Rilke-Gedichtes
von Boris Pasternak, dem russischen Literaturnobelpreisträger, der den
Dichter Zeit seines Lebens verehrte. Mit seinem Vater hatte er als Knabe
zufällig Rilke auf einer der Russland-Reisen im Zug getroffen. In einem
kleinen abgeschlossenen Raum liegt der Briefwechsel mit der Dichterin Marina Zwetajewa. Rilkes
freundschaftliche Beziehungen nach Russland führten dazu, dass er dort
sehr früh auf russisch rezipiert wurde. Die Marbacher haben auch die Fotografin Barbara Klemm und einen
Kollegen, eine Filmemacherin und eine Schriftstellerin auf die Spuren
Rilkes geschickt. Deren Arbeiten ergänzen die Ausstellung und
spiegeln den Dichter aus heutiger Perspektive wider.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen